Von der Ukraine bis Taiwan ist eine neue Art von globalem Krieg in vollem Gange. Es ist ein Krieg, der an allen Fronten geführt wird (militärisch, politisch, wirtschaftlich, medial usw.). Er ist allgegenwärtig, langwierig und von zahlreichen Wendungen geprägt. Es steht viel auf dem Spiel, nicht weniger als die Organisation/Reorganisation der Welt.

Die Beteiligten sind klar identifiziert. Die Vereinigten Staaten, gefolgt von den westlichen Ländern, die sich mit ihnen verbündet haben, verteidigen mit allen Mitteln die derzeitige unipolare Weltordnung, die ihre Hegemonie festschreibt; Russland, China und andere Länder, vor allem im Süden, akzeptieren nicht länger den untergeordneten Status, den diese Ordnung ihnen zuweist, und treten für eine multipolare Welt ohne Hegemonen ein. Der Ausgang dieses entscheidenden Kampfes wird darüber entscheiden, ob die Vorherrschaft der USA fortbestehen wird oder ob sie im Zuge der Neuordnung der internationalen Ordnung der Geschichte angehören wird.

Es steht viel auf dem Spiel. Für die Vereinigten Staaten stellt sich die Frage, ob ihr Imperium Bestand haben wird oder nicht, denn der russische und chinesische Widerstand ist beträchtlich und hat Vorbildcharakter für die Völker des Südens, die ihrerseits immer weniger bereit sind, die amerikanische Hegemonie hinzunehmen. Russland und China hingegen setzen ihre Existenz aufs Spiel, da ein Sieg der USA (und damit ihre Niederlage) wahrscheinlich ihre Zerstückelung als Länder und die Unterwerfung der daraus entstehenden Rumpfgebilde zur Folge hätte. Einerseits besteht die Alternative zwischen dem Überleben der kapitalistischen Globalisierung unter der Führung der Vereinigten Staaten und dem Ende ihrer Vorherrschaft in der Welt (und im weiteren Sinne eines halben Jahrtausends westlichen Imperialismus). Auf der anderen Seite geht es um eine ausgewogenere multipolare Welt, wie sie von Russland, China und einigen anderen Ländern angestrebt wird, oder um einen schrecklichen Kataklysmus, bei dem große Staaten auseinanderbrechen, mit den entsprechenden Folgen wie zerrüttete Gesellschaften, kollabierender Lebensstandard und wandernde Menschenströme, die ohne Rücksicht auf Grenzen Zuflucht suchen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es unmöglich zu wissen, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln wird.

Angesichts der Bedeutung der beteiligten Länder und ihres Einflusses hat diese Konfrontation ein globales Ausmaß. Es handelt sich in der Tat um einen Weltkrieg, der diesen Namen noch nicht trägt, der sich noch verschärfen und den Übergang vom Stellvertreterkrieg zum ultimativen Stadium der Kriegsführung, das heisst zum direkten militärischen Zusammenstoß, nicht ausschließen wird.

Ein hybrider Weltkrieg

Dieser Weltkrieg unterscheidet sich von den beiden vorangegangenen. Traditionell fand der Krieg in Form eines direkten Aufeinandertreffens ordnungsgemäß aufgestellter Armeen statt, mit dem Ziel, die gegnerische Seite mit Waffengewalt zu besiegen, um Ziele wie die Besetzung, Amputation oder Annexion eines Teils oder des gesamten Territoriums, die Inbesitznahme eines Kolonialgebiets oder die Auferlegung politischer, militärischer oder wirtschaftlicher Zwänge zu erreichen. Die Weltkriege von 1914-1918 und 1939-1945 führten ebenfalls zu einer Neuordnung des internationalen Umfelds zum Vorteil der Sieger.

Kriege dieser Art sind jedoch gefährlicher denn je geworden. Vor allem das Aufkommen von Atomwaffen und die Gewissheit verheerender Vergeltungsmaßnahmen führten dazu, dass es kaum noch Hoffnung auf einen Sieg gab – das Wort hatte seine Bedeutung verloren – und stattdessen die Aussicht auf Zerstörung in einem unerschwinglichen Ausmaß gesichert war. Kolonialkriege, einst Synonym für Beutezüge und Massaker an der einheimischen Bevölkerung, sind kostspielig geworden, wie die europäischen Mächte und die Vereinigten Staaten auf ihre Kosten erfahren haben. Selbst einfache militärische Eroberungen schwacher Länder wie Afghanistan im Jahr 2001 und der Irak im Jahr 2003 haben sich in nicht zu gewinnende Guerillakriege verwandelt, die den Eroberer-Besatzer zum kläglichen Rückzug gezwungen haben. Zweitens bedeutet die kollektive Erinnerung an die beiden Weltkriege, dass die Regierungen vor einer großen Aufgabe stehen würden, wenn sie ihre Völker in eine Katastrophe solchen Ausmaßes stürzen wollten. Ein Erfolg ist zwar nicht unmöglich, aber zweifelhaft.

Der Rückgang der konventionellen Kriegsführung bedeutet nicht das Ende der Konflikte, im Gegenteil. Der Krieg nimmt nun eine weniger direkte Form an, sein Ziel ist die Destabilisierung statt der Eroberung. Das Ziel ist die Unterwerfung der Zielländer durch Maßnahmen wie Druck, Infiltration, Subversion, ideologische Verseuchung und Bestechung von Elementen, die als Vermittler fungieren könnten, was zu einem Regimewechsel führt, bei dem eine unabhängig denkende Autorität durch eine gefügigere ersetzt wird. Kurz gesagt, das Ziel ist es, den Sieg ohne militärischen Kampf oder mit einem Minimum an Gewaltanwendung zu erreichen. Der Krieg wird zu einem hybriden Krieg, weil er viele Facetten hat, wobei der militärische Aspekt nur eine besondere Dimension eines allgemeinen Angriffs auf die Grundlagen, Strukturen und Institutionen des nicht unterworfenen Landes darstellt. Das Ziel der USA ist nicht ein unmöglicher ukrainischer Sieg; die Ukraine wird im Voraus geopfert. Die Hoffnung besteht darin, dass der Untergang der Ukraine zum inneren Zusammenbruch Russlands führt. Die Ukraine ist der „Preis, der für das gewünschte Ergebnis zu zahlen ist“.

Diese von der CIA, der National Endowment for Democracy und dem George-Soros-Nebel übernommene Methode wurde nach dem Zusammenbruch des Sowjetblocks weit verbreitet. In den Vereinigten Staaten wurde sie sogar unter dem Namen „Farbrevolutionen“ theoretisiert, da die Initiatoren eine Farbe wählten, die sie vor den Fernsehkameras als eine Form des Medienbrandings präsentierten. Die westlichen Medien spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung eines fabrizierten „Narrativs“, bei der Anprangerung der anvisierten Macht und bei der Schaffung von Unterstützung für die Agitation. Ausgelöst durch eine bestimmte Forderung oder ein bestimmtes Anliegen werden diese Demonstrationen dann von Gruppen übernommen, die vom Ausland gesponsert werden und oft gewalttätig sind, die den Sturz des Regimes fordern und dann einen Staatsstreich hinter dem Schirm der Unruhen durchführen, zu deren Verschärfung sie beigetragen haben. Die Maidan-„Revolution“ in Kiew im Jahr 2014 ist ein Modell der Art, die die Ukraine an die Vereinigten Staaten ausgeliefert hat. Nach Angaben von Victoria Nuland, der offiziellen US-Vertreterin vor Ort, hat ihr Land 5 Milliarden Dollar in das Unternehmen investiert. Von Belgrad bis Tiflis, von Astana bis Hongkong, von Eriwan bis Minsk, von Caracas bis Beirut – die Methode ist die gleiche. Manchmal ist sie erfolgreich, manchmal nicht. Das Ziel besteht immer darin, Länder in den Schoß der USA zu ziehen, die zuvor ganz oder teilweise außen vor waren.

Der derzeitige amerikanisch-russische Konflikt ist eine neue Art von Krieg, eine hybride Variante. Die Ausdehnung der NATO auf die Grenzen Russlands, die Einkreisung dieses Landes, die „Sanktionen“ und der militärische Druck auf die Ukraine sollen den Zusammenbruch Russlands herbeiführen, ohne dass die Vereinigten Staaten kämpfen müssen. Es ist ein Stellvertreterkrieg, wie ihn die europäischen Imperien geführt haben, indem sie lokale Hilfstruppen einsetzten, um ihre eigenen Streitkräfte zu schonen. Er konzentriert sich auf die Ukraine, den aktuellen Brennpunkt, ist aber nicht auf dieses Gebiet beschränkt und kann sich auch anderswo ausbreiten oder wiederholt werden. Unverhohlen wird ein ähnliches Szenario gegen China aufgebaut, mit Taiwan oder der Straße von Taiwan als Alibi und unter Einsatz antichinesischer Bündnisse, die sich aus Ländern der Region zusammensetzen. Eine Provokation zu viel könnte zu einem Flächenbrand „nach ukrainischem Vorbild“ führen. Die Zeit wird zeigen, ob der globale Konflikt seinen hybriden Charakter beibehält oder in eine direkte bewaffnete Konfrontation umkippt.

Geopolitik oder „Werte“?

Eine der Unwahrheiten, die den globalen Konflikt umgeben, stellt ihn als einen Kampf der „Werte“ dar. Die Behauptung lautet, es handele sich um eine Konfrontation zwischen „Demokratien“ und „Autokratien“ oder „Diktaturen“, zwischen dem Lager des Guten und dem Lager des Bösen. Mike Pompeo, Trumps CIA-Direktor und Außenminister, hat diesen Unsinn in Umlauf gebracht. Es handelt sich um ein dreifaches Ablenkungsmanöver, mit dem das Wesen des Kampfes um die Aufrechterhaltung der US-Hegemonie hinter hehren Ansprüchen verschleiert, die westlichen Länder unter der Ägide des „Führers“ zusammengeschweißt und die öffentliche Meinung über die tiefen Wurzeln des globalen Konflikts verwirrt werden soll. Die Rohheit des Kampfes der USA um die Vorherrschaft wird so mit einem Schleier überzogen, der ihn idealisiert und attraktiv erscheinen lässt.

Der globale Konflikt ist weder ideologisch noch „zivilisatorisch“. Er ist geopolitisch und geoökonomisch. In dieser Hinsicht sind die Vereinigten Staaten weder besser noch schlechter als die Imperien, die ihnen vorausgegangen sind; ihr Verhalten ist dasselbe. Auf dem Spiel stehen die Aufrechterhaltung (oder Beendigung) ihrer Hegemonie, die Etablierung (oder Nicht-Etablierung) der Multipolarität, die Stärkung (oder Schwächung) des Imperialismus, die Ausweitung (oder Nicht-Ausweitung) der neoliberalen Globalisierung, der Triumph des amerikazentrierten Globalismus oder das Wiederaufleben der nationalen Souveränität. Die Art der Regime ist in dieser Gleichung weniger wichtig als ihre internationale Ausrichtung. Wenn sie sich den Vereinigten Staaten anschließen, werden sie als demokratisch oder „im Übergang“ bezeichnet. Weigern sie sich, sich zu beugen, werden sie als autokratisch verunglimpft, als autoritär denunziert, als Parias behandelt, als Terrorist:innen gebrandmarkt, und ihre Führer:innen werden dämonisiert, durch den Dreck gezogen und, wenn möglich, umgebracht. Vom Irak über Serbien, Venezuela, Libyen, Syrien, Iran, Russland und China ist das Verfahren inzwischen gut eingeübt.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anita Köbler vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!