Als ich heute mit einer Großmutter sprach, die sich in den letzten 60 Jahren aufmerksam mit Schulbildung beschäftigt hat, zuerst als Schülerin, dann als Mutter und jetzt als Großmutter, erzählte sie mir, dass sich an der Definition, was ein:e gute:r Schüler:in ausmacht, nichts geändert hat: ruhig, gehorsam, ordentlich und im Klassenzimmer keine schwierigen Fragen stellen. Wenn sie lernt und in Tests und Prüfungen gut abschneidet, umso besser; wenn sie nicht lernt, macht es auch nichts.
Das Bildungswesen stagniert wegen dieser Art von Bewertung von Kindern und Jugendlichen. Die Rolle der Lehrkraft ist seit mehr als einem Jahrhundert die gleiche geblieben: es gibt einen Erwachsenen, der das Wissen hat (oder haben sollte) und es auf langweilige Weise an seine Schüler:innen weitergibt. Entgegen dem Leitbild, kritisches Denken bei den Schüler:innen zu entwickeln, wird ihnen nicht beigebracht, Fragen zu stellen, und schlimmer noch, es wird ihnen verleidet, sehr neugierig und wissbegierig zu sein.
Die Einführung von Informationstechnologie (IT) im Klassenzimmer wird immer noch zu wenig genutzt, da sie nur dafür eingesetzt wird, das oben erwähnte Bildungsparadigma zu verstärken.
Die ganzen Möglichkeiten der IT werden mit Argwohn betrachtet, wenn sie den Status quo bedrohen und das System aus der Komfortzone drängen. Es ist einfacher, das Eindringen neuer Technologien zu kritisieren und alle möglichen Bedrohungen für die kognitive und emotionale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu sehen. Ich erinnere mich an meine Studienzeit, als meine Ingenieurprofessoren sagten, dass die Verwendung eines elektronischen Taschenrechners uns dumm machen würde.
Heute ist die künstliche Intelligenz (KI) im Brennpunkt und sie ist zum Schurken der IT geworden.
Es stimmt, was Kritiker der KI sagen, dass der KI Fehler unterlaufen, weil sie Informationen aus dem Internet sammelt, wo nicht alles, was veröffentlicht wird, wahr oder richtig ist; sie weisen auch darauf hin, dass Schüler:innen nichts lernen, wenn sie mittels KI nach Antworten suchen und zu bloßen Plagiatoren werden. Dies sind nur dann stichhaltige Argumente, wenn man KI im Lichte des aktuellen Bildungsmodells betrachtet, bei dem Lehrkräfte die Fragen stellen und die Schüler:innen die Antworten geben.
Der massenhafte Zugang zu KI-Anwendungen wird auf die Bildung einen genauso nicht vorhersagbaren Effekt haben, wie elektronische Taschenrechner und Computer vor 50 Jahren. Es wird die Lehrerkollegien zwingen, kritisches Denken bei ihren Schüler:innen zu entwickeln und ihnen beizubringen, intelligente und gut strukturierte Fragen zu stellen, um Antworten von gleicher Qualität zu erhalten. Andernfalls, wie das populäre Sprichwort sagt, bekommt man auf eine dumme Frage eine noch dümmere Antwort.
Dieser Veränderungsprozess wird auch den Schwerpunkt der pädagogischen Anreize verändern müssen. Neben dem Lernen, Fragen zu stellen, wird es notwendig sein, Kinder und Jugendliche zu ermutigen, sich zu trauen, diese im Klassenzimmer zu stellen, und die Erwachsenen zu ermutigen, die Tatsache anzuerkennen, dass sie nicht über das gesamte Wissen verfügen, und so werden sie zusammen mit ihren Schüler:innen nach Antworten suchen müssen, was eine effiziente Lernmethode ist.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Ulrich Karthaus vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!