Nur leere Versprechungen – an der Wohnraumsituation ist nichts besser geworden.
Explodierende Mieten, Zwangsräumungen, Obdachlosigkeit, Verdrängung. Das existenzielle Bedürfnis nach Wohnen wie eine Ware zu behandeln ist seit Jahrzehnten gängige Wohnungspolitik in Berlin. Egal, welche Partei in der Regierung sitzt. Versprochen werden dringend notwendiger Wohnungsbau, Housing First-Maßnahmen zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit und der Ausbau von Sozialwohnungen.
von Anna Peters
Was gut klingt wird in Realität nur halbeherzig, zu wenig und zu langsam durchgeführt, um der realen Wohnungsnot in Berlin wirksam etwas entgegen zu setzen. In einem viel schnelleren Tempo aber werden Zwangsräumungen, Mieterhöhungen umgesetzt und die Umsetzung des Volksentscheids zur Enteignung großer Immobilienkonzerne konsequent blockiert. Während die Politik konstant Allianzen mit den Konzernen schließt und das Grundrecht auf Wohnen dem freien Markt ausliefert, verlieren Menschen unter unwürdigsten Bedingungen ihr Zuhause und wertvolle Kiezkultur geht durch Luxusbau Stück für Stück verloren. Damit verschwinden auch wertvolle soziale Räume für solidarisches und friedliches Miteinander und ein öffentliches Leben, das nicht auf Konsum ausgelegt ist.
Die Menschen erleben tagtäglich Erfahrungen der Entfremdung, wenn sie durch ihre Kieze ziehen, die Gesichter der Nachbar:innen nicht mehr erkennen oder sich beim Blick auf die Preisschilder in keine örtliche Einrichtung mehr trauen. Die Gentrifizierung ist längst kein schleichender Prozess mehr, sondern passiert so schnell, dass man nur noch in Sprachlosigkeit verfallen kann. Bekanntes wird rausgeschmissen, ausgetauscht und aufgewertet. Für die Anwohner:innen, ob jung oder alt, bedeutet es den konstanten Verlust der (noch) zugänglichen und ihnen gehörenden Räume.
“Unsere Kieze sind keine Ware. Schluss mit dem Ausverkauf unserer Stadt!”
So weit so schlecht. Doch Berlinerinnen und Berliner müssen diesem Treiben nicht tatenlos zusehen. Gestern rief das Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn zum solidarischen Marsch auf, sich gegen die dreiste Profitgier der Konzerne und die kapitalhörige Politik der Berliner Regierung zu positionieren. Gemeinsam liefen die Teilnehmenden durch die Straßen des Prenzlauer Bergs, an etlichen Wohnungen vorbei, die von Zwangsräumungen bedroht sind. Eine Vielzahl an Menschen und lokaler Bündnisse wie der Jugendtreff Keimzelle, Bündnis gegen Abriss, die Initiative Mieter:innen Gewerkschaft Berlin oder die Initiative Kiezkultur füllten an diesem verregneten Samstag die Straßen. Auf ihrem Weg durch die Straßen des von endloser Gentrifizierung bedrohten Prenzlauer Bergs sendeten sie eine klare Botschaft: “Unsere Kieze sind keine Ware. Schluss mit dem Ausverkauf unserer Stadt!” Es war ein Appell und eine Ermunterung an alle Mitlaufenden, aber auch aus dem Fenster und am Straßenrand neugierig Schauenden, sich miteinander auszutauschen, zu vernetzen und gemeinsam in Solidarität gegen den Mietenwahnsinn und für eine soziale Stadt einzutreten.
“Das lebenswerte Leben wird uns nicht geschenkt. Wir müssen es uns gemeinsam erkämpfen!”
Protest und Widerstand sind nicht zwecklos, wenn die Menschen ihre Kämpfe zusammenführen und eine starke Gemeinschaft bilden. Der Kampf gegen den Google-Campus in Kreuzberg hat beispielsweise gezeigt, dass Widerstand erfolgreich ist, wenn die Menschen sich zu Vielen zusammentun. Es gibt viele dieser Beispiele, in denen auch Zwangsräumungen verhindert werden konnten. Sie machen Hoffnung und Mut und senden an die Berliner Politik ein wichtiges Zeichen, dass es einen grundlegenden Richtungswechsel in der Wohnungspolitik geben muss, wenn die repräsentativen Volksvertreter:innen ihrer Verpflichtung nachkommen wollen, das Grundrecht auf Wohnen einzulösen. Diese Stimme der Vielen darf nicht verstummen. Wir müssen kontinuierlich dran bleiben, laut bleiben und unmissverständlich klar machen, dass das Recht auf Wohnen nicht verhandelbar ist und nicht verscherbelt werden darf. Gemeinsam in Aktion zu kommen, ist worum es geht. Dafür steht jedes hier vorgestellte Bündnis interessierten Mitstreitenden offen. In jedem Kiez und in jeder Nachbarschaft findet sich mittlerweile ein solcher Zusammenschluss, dessen Aktivitäten man verfolgen und sich auch aktiv einbringen kann. Wir senden alle gemeinsam ein deutliches Signal. Das Unterlaufen und Ignorieren des Volksentscheids und die Vernachlässigung des Baus neuer sozial erschwinglicher Wohnungen sind nicht hinnehmbar!