Indigene Gemeinschaften sind mit einer eigenen Agenda zur Weltklimakonferenz COP27 nach Ägypten gereist. Sie würden sich nicht länger damit zufrieden geben, als Opfer der Auswirkungen des herrschenden Entwicklungsmodells betrachtet zu werden, so hieß es. Zu den Forderungen der Indigenen gehört auch, dass ihre Gemeinschaften direkte finanzielle Mittel für Klimaschutzmaßnahmen erhalten.
So stellen Regierungen, private Fonds und Stiftungen jedes Jahr Milliarden von Dollar für die Anpassung an den Klimawandel und für den Klimaschutz zur Verfügung. Die Finanzgeber wenden sich häufig an die indigene Bevölkerung, die heute als die beste Hüterin von klimagerechten Ökosystemen gilt. Allerdings erreicht nur ein Bruchteil der Gelder die indigenen Gebiete.
„Direkte Finanzierung ist der einzige Weg“
„Wir haben es satt, dass Gelder an indigene Stiftungen ohne indigene Menschen gehen. Das ganze Geld geht für die Bezahlung von Beratern und die Kosten für Büros mit Klimaanlagen drauf“, erklärte Yanel Venado Giménez aus Panama gegenüber IPS am Stand der indigenen Gemeinschaften auf der riesigen Weltklimakonferenz mit 33.000 akkreditierten Teilnehmer*innen.
„Auf dieser COP27 sind die internationalen Geldgeber vertreten. Deshalb sind wir gekommen: um ihnen zu sagen, dass die direkte Finanzierung der einzige Weg ist, um bei Klimaprojekten die kulturellen Praktiken der Indigenen zu berücksichtigen. Wir haben Agrarwissenschaftler, Ingenieure, Juristen und viele ausgebildete Leute. Und wir wissen, wie man als Team arbeitet“, fügte sie hinzu. Giménez gehört der indigenen Gruppe der Ngabe-Buglé an. Sie vertritt die Nationale Koordination der indigenen Gemeinschaften Panamas (Conapip) und ist selbst Juristin.
Bisher versprochene Gelder haben die indigenen Gemeinschaften kaum erreicht
Dass die indigenen Gemeinschaften in vielen der am besten geschützten Gebiete der Welt leben und an vorderster Front im Kampf gegen die globale Umweltkrise stehen, ist unbestritten. Deshalb haben die Regierungen des Vereinigten Königreichs, Norwegens, der Vereinigten Staaten, Deutschlands, der Niederlande und 17 private Geber vor einem Jahr auf der COP26 in Glasgow (Schottland) bis zu 1,7 Milliarden Dollar für Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen indigener Gemeinschaften zugesagt.
Wie viel von diesem Betrag tatsächlich geflossen ist, ist unklar. Die Gemeinden sagen, dass sie praktisch nichts erhalten haben. „Auf jeder dieser Konferenzen hören wir große Ankündigungen von Finanzmitteln, aber dann gehen wir zurück in unsere Gebiete und hören nie wieder davon“, erklärte Julio César López Jamioy, ein Mitglied der Inga-Gemeinschaft, das in Putumayo im kolumbianischen Amazonasgebiet lebt, gegenüber IPS. „Im Jahr 2021 wurde uns gesagt, dass wir Strategien entwickeln und umsetzen müssen, wie wir Zugang zu diesen Finanzmitteln erhalten, die in der Regel von den Regierungen bereitgestellt werden. Deshalb arbeiten wir bei dieser Aufgabe mit Partnerorganisationen zusammen“, fügte er hinzu.
„Jetzt ist es an der Zeit, in unseren eigenen Strukturen zu handeln“
López Jamioy, Koordinator der Nationalen Organisation der indigenen Gemeinschaften des kolumbianischen Amazonasgebiets (Opiac), ist der Meinung, dass es an der Zeit sei, vielen der Nichtregierungsorganisationen für ihre Dienste zu danken. „Bis zu einem bestimmten Punkt brauchten wir ihre Unterstützung, aber jetzt ist es an der Zeit, in unseren eigenen Strukturen zu handeln“, sagte er.
Wie viele Indigene aus Lateinamerika zur Klimakonferenz im Ferienort Sharm el-Sheikh im Süden der ägyptischen Sinai-Halbinsel angereist sind, ist nicht bekannt. Schätzungsweise sind es 60 bis 80. Rund 250 Angehörige indigener Gemeinschaften aus der ganzen Welt nehmen an der COP27 teil. Sie halten sich in dem Teil des Kongresszentrums von Sharm el Sheikh auf, der für soziale Organisationen vorgesehen ist.
Von dort aus tragen sie ihre Stimme und ihre Forderungen in die Hallen und auf die Bühnen, auf denen die Delegierten und offiziellen Verhandlungsführer*innen auftreten. 196 Vertragsparteien des Rahmenvertrags der Vereinten Nationen über den Klimawandel (UNFCCC), der die jährlichen Gipfeltreffen veranstaltet, nehmen teil.
Empfang bei Kolumbiens Präsident Gustavo Petro
Der von den indigenen Gruppen gemeinsam genutzte Raum ist eine große Kabine mit einigen Büros und einem Hörsaal mit etwa vierzig Stühlen. Während der zwei Wochen der COP27 gibt es hier ein umfangreiches Programm zu der Agenda, die die indigenen Gemeinschaften zum Klimagipfel mitgebracht haben und die die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich zieht.
Zu Beginn der Konferenz wurde eine Gruppe lateinamerikanischer indigener Gemeinschaften vom kolumbianischen Präsidenten Gustavo Petro empfangen. Petro sprach ihnen seine Unterstützung für ihren Kampf gegen die Bergbauindustrie aus, die auf den Territorien ihrer Vorfahren aktiv ist. Indigene Aktivist*innen baten Petro, den Kontakt zu anderen Regierungen herzustellen.
„In der Regel gehen die Regierungen uns gegenüber Verpflichtungen ein und halten sie dann nicht. Aber heute haben wir mehr Verbündete, die es uns ermöglichen, Einfluss zu nehmen und unsere Anliegen vorzubringen“, erklärte Jesús Amadeo Martínez von der Gruppe der Lenca, die in El Salvador lebt, gegenüber IPS.
Indigene Gemeinschaften wollen nicht mehr nur Beobachter*innen sein
Bei der diesjährigen COP nehmen die indigenen Gruppen nur als Beobachter*innen teil. Sie fordern jedoch, dass sie bei den Verhandlungen nächstes Jahr auf der COP28 in Dubai als Verhandlungspartner*innen anerkannt werden.
Als führender Vertreter dieser Forderung sagte Gregorio Díaz Mirabal, Mitglied des Dachverbands der indigenen Organisationen im Amazonasbecken (Coica) für die Gruppe der Kurripaco, in einem Gespräch mit Journalist*innen: „Wir sind so gut wie existierende Nationalstaaten. Wir haben das Recht, an der Debatte teilzunehmen, denn wir sind keine Umwelt-NGO.“
Schwierigkeiten, aber auch Chancen bei der direkten Finanzierung
Indigene Gemeinden wurden bisher immer als Nutznießer*innen von Klimaschutzprojekten in den Territorien betrachtet. Diese Projekte wurden und werden über große Nichtregierungsorganisationen abgewickelt, die die Mittel erhalten und verteilen. Bereits 2019 hat die US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) ihren Plan zur Förderung der Rechte indigener Gemeinschaften (PRO-IP) herausgegeben, in dem die Möglichkeit untersucht wird, indigene Gemeinden effektiver zu finanzieren.
Eine der Schwierigkeiten ist, dass die Bewilligungsfristen für Projekte manchmal zu kurz für die konsultativen Verfahren zur Entscheidungsfindung in den Gemeinden sind. Außerdem sind viele Gemeinden rechtlich nicht anerkannt, sodass sie unter dem Schirm einer Institution arbeiten müssen.
Finanzierungsstandards müssen Lebensrealitäten der indigenen Gemeinschaften angepasst werden
Die Erfahrungen mit der direkten Finanzierung stehen noch am Anfang. Sara Omi von der Gruppe der Emberá in Panama erklärte gegenüber IPS, dass es in ihrem Fall gelungen sei, eine direkte Finanzierung aus dem Mesoamerikanischen Fonds für die Fortbildung von indigenen Frauen in mexikanischen und zentralamerikanischen Gemeinden zu erhalten. „Wir arbeiten im Bereich der nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktion und haben in den zwei Jahren unserer Arbeit 22 Projekte, z.B. zur Wiedergewinnung von traditionellem Saatgut, unterstützt. Aber wir haben keine großen finanziellen Ressourcen. Die Summe aller unserer Initiativen betrug weniger als 120.000 Dollar“, erklärte sie.
Omi hat dank eines Stipendiums an der privaten katholischen Universität Santa María La Antigua in Panama Jura studiert. Sie meint, dass die indigenen Gemeinschaften längst bewiesen haben, dass sie in der Lage sind, Mittel der Entwicklungszusammenarbeit selbst zu verwalten. „Natürlich muss es Standards für die Rechenschaftspflicht gegenüber den Gebern geben, aber sie müssen mit unserer Realität vereinbar sein. Heute kommen nur Krümel in den Territorien an“, kritisierte sie.
Lula bringt Hoffnung
In der zweiten Woche der COP27 nimmt auch der frisch gewählte brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva an der Konferenz teil. Das gibt vor allem den indigenen Gemeinschaften des Amazonasgebiets Anlass zur Hoffnung. Sie hatten in den vergangenen vier Jahren besonders unter der aggressiven Missachtung von Umwelt- und indigenen Rechten durch den scheidenden rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro gelitten.