Die Frankfurter Buchmesse ist vorbei. Obgleich doch eigentlich Spanien das Ehrengast-Land der Buchmesse war, stahl die Ukraine die Show.
„Ein Ort des Diskurses und des Miteinanders“ sollte die Messe sein, so Bundespräsident Steinmeier, der auch äusserte: „Kein Krieg, das erleben wir ja auch jetzt wieder, ohne… Kampfschriften, ohne hasserfüllte Bücher und Artikel“. Damit allerdings war Steinmeier, siehe unten, wohl näher an der Realität, als ihm selbst lieb oder auch nur bewusst war. Die ukrainische „First Lady“ war persönlich in Frankfurt zugegen, und der ukrainische Komiker und Präsident Selenskyj, der wie seit Beginn des Ukraine-Krieges im olivgrünen T-Shirt auftrat, schloss seine per Video zugeschaltete Rede mit jener ekelig nationalistischen Phrase, mit der seit dem Frühjahr 2022 noch jede seiner Reden endete: „Ruhm der Ukraine!“.
Ein nationalistischer ukrainischer Schriftsteller warnte am letzten Tag der Buchmesse vor „falschem Pazifismus“ (was er auf einen angeblich geforderten bedingungslosen, einseitigen Waffenstillstand der Ukraine bezog, von dem allerdings niemand redete). Dieser Schriftsteller erhielt viel Beifall in den Medien für seine Rede, in der er Russen als „Abschaum“ und „Unrat“ bezeichnete. Wohlgemerkt: dieser Dichter kritisiert nicht etwa russische Politik, nein, er hasst ganz offen und pauschale alle Russen. An diese gewandt äusserte er denn auch liebevoll: „Brennt in der Hölle, ihr Schweine“.
Ein wortgewandter, feinsinniger Dichter eben. Seine Vernichtungsphantasien unterstrich dieser Mensch mit der Behauptung: „Die Russen verüben einen Genozid gegen uns“ – was zwar eine durchaus populäre Legende, gleichwohl aber falsch ist. Im Gegenteil: Russland geht es gerade um eine Bevölkerungserweiterung, denn gegenüber EU und USA, erst recht China, ist Russland mit seinen 140 Millionen Menschen schlicht zu klein für ein Land mit den Grossmachtambitionen eines W. Putin, der Glanz und Gloria eines (neo-)zaristischen Reiches wiederherstellen will.
Der übliche üble ukrainische Nationalismus eben, könnte man sagen – allerdings erhielt dieser Mensch, Serhij Zhadan mit Namen, den „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“. Ist das nun noch (schlechte) Satire, oder kann das weg? Ironie der Geschichte: Zhadan bekommt seinen Preis laut Jurybegründung ausgerechnet für seine „humanitäre Haltung, mit der er sich den Menschen im Krieg zuwendet“, eine „Symbolfigur des Kampfes der Ukraine um ihre Freiheit“ (so die „taz“, die diese Entscheidung ausdrücklich begrüsst) wird damit geehrt. Ein Preis Freiheit und Humanität? Es ist doch wohl eher ein Preis für Hass und Menschenverachtung, der da verliehen wurde.
„Ich glaube, dass man sagen kann, dass der Hass das Herz eines jeden Nationalismus ist“, äusserte zutreffend Erwin Chargaff einmal – was sich in diesen Monaten täglich aufs Neue bestätigt. Wenn dieser Preis sich noch „Friedenspreis“ nennt, ist das auf jeden Fall ein, um es mal in Zhadan´scher Diktion zu sagen, echter Griff ins Klo. Die „taz“ resümiert: „Ob die Kulturnation ohne Buchmesse zu denken wäre, ist eine interessante Frage. Jedenfalls ist das eine traurige Vorstellung“. Kulturnation? Was ist das für eine Kulturnation (ja, ohne nationale Kategorien kommt auch die „taz“ längst nicht mehr aus!), in der durchaus humanistische Aufklärungs- und Literaturtraditionen von Kant, Schiller, Hölderlin, Heine, dem späten Goethe beiseite gewischt werden zugunsten des Applauses für eine verbale Panzerfaust wie Zhadan?
Denn dieser hasserfüllte, extrem brutal denkende Mensch wird nicht nur auf der Frankfurter Buchmesse, sondern in einem breiten medialen Gleichklang (man ist versucht zu sagen: Gleichschritt) von der NZZ bis zur „taz“ als „Friedensheld“ gefeiert, er ist „Rockstar, Schriftsteller und Helfer an der Front“ (MDR). Bei dieser Preisverleihung kann einem schon schlecht werden: Deutschland, Land der Dichter & Denker?
Mental doch wohl eher immer noch das Land der Richter & Henker. Denn diese Preisverleihungs-Entscheidung korrespondiert vortrefflich mit der deutschen Aussenministerin Annalena Baerbock, die immer wieder öffentlichkeitswirksam daran erinnert, wie ihr Opa „als geschlagener Soldat“ (z.B. in einer Rede am 9.5.2022 in Frankfurt/ Oder) aus dem Russlandfeldzug zurückkam. Nun, Opa Waldemar war kein einfacher Soldat, er war Wehrmachtsoffizier. Aber so kleinliche Differenzierungen sind heute eben nicht mehr gefragt. Noch in der Rede vom russischen „Vernichtungskrieg“ (vorgebracht immer wieder auch von Mitgliedern der einstigen Sonnenblumen- und nunmehrigen Panzerpartei der „Grünen“, wo man gerne, quasi Seite an Seite mit Zhadan, auch vom „Genozid“ halluziniert) werden die Wehrmachtsverbrechen unerträglich verharmlost, und dies ohne hörbaren Widerspruch.
Die Grünen forcieren damit eine geschichtspolitische Wende hin zur offensiven Militarisierung der deutschen Politik. Mit Bruder Zhadan haben sie einen Geistesverwandten an ihrer Seite, der seinen „Friedenspreis“ wohl ziemlich zutreffend als „Solidarität der deutschen Gesellschaft mit unserem Land“ betrachtet. So kommt zusammen, was zusammen gehört. Und mit dem Solidaritätsbegriff ist es in diesen Zeiten ja auch wieder so ein eigenes Kapitel…
Gerald Grüneklee