Initiator*innen einer globalen Petition unter dem Schlagwort „COP Civic Space“, die auf die zehntausenden politischen Gefangenen in Ägypten hinweist, haben den 10. November zum Globalen Tag der Solidarität ausgerufen. Ägypten, das derzeit Gastgeber der UN-Klimakonferenz COP27 in Sharm El Sheikh ist, hat im Verlauf der vergangenen neun Jahre zahlreiche Protestierende inhaftiert, darunter viele, die sich für Klimaschutz eingesetzt hatten.
In der Petition, die von hunderten Organisationen weltweit unterzeichnet wurde, darunter von 350.org, Amnesty International, Fridays for Future und vielen mehr, fordern die Initiator*innen das Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit und das Recht auf friedliche Demonstrationen. „Wir weisen darauf hin, dass effektive Klimaaktionen nicht ohne den öffentlichen Raum möglich sind“, so die Autor*innen.
Das offenkundige Fehlen von Protesten der Zivilgesellschaft beim COP27 steht im starken Gegensatz zum dynamischen und robusten Auftreten von Klimaaktivisten beim COP26 im vergangenen Jahr in Glasgow. Da immer mehr Menschen auf der Welt der Ernst der Klimakrise sowie das Versagen der internationalen Akteure hinsichtlich wirksamer Maßnahmen bewusst wird, erscheint die Stille auf den Fußwegen rund um das ägyptische Tonino Lamborghini Convention Center und auf den Hauptstraßen Sharm El Sheikhs ohrenbetäubend.
Am vierten Tag von COP27, sagte Eyal Weintraub, Mitbegründer von Youth for Climate Argentina: „Ich habe nicht eine Demonstration vor den Toren gesehen, und nur wenige in „freigegebenen“ Flächen innerhalb der Blauen Zone“. Die Blaue Zone ist das Gebiet, wo die offiziellen Verhandlungen der Regierungen stattfinden.
Dass Individuen – sowohl aus Ägypten als auch aus anderen Ländern – daran gehindert werden, außerhalb eng abgesteckter Protestzonen friedlich zu demonstrieren, widerspricht dem Freiheitsverständnis, für das die Vereinten Nationen stehen und das sie erhalten sollten. Und dennoch erstreckt sich die Besorgnis der Unterzeichner*innen weit über die zwei Wochen der COP27 hinaus.
“Wir rufen Ägypten auch auf, die Verfolgung von Aktivist*innen und Organisationen der Zivilgesellschaft zu beenden und Räume für die Zivilgesellschaft sowie für Menschenrechtsaktivist*innen zu garantieren, so dass eine Arbeit ohne Angst vor Einschüchterung, Schikane, Verhaftung oder jeglicher anderer Form von Repressalien möglich ist. Dazu zählt auch die Freilassung unschuldig inhaftierter Menschenrechtsaktivist*innen, die Aufhebung von willkürlichen Reiseverboten oder Einfrieren von Besitz sowie das Schließen aller politisch motivierter Verfahren gegen Aktivist*innen aufgrund deren Arbeit im Sinne der Menschenrechte.“
Eine der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die die Petition anführt, ist die Association for Freedom of Thought and Expression (Vereinigung für Gedanken- und Redefreiheit) AFTE. Mohamed Abdel Salam, Geschäftsführer von AFTE, sagte:
“Der am dringendsten erforderliche Schritt hin zur Klimagerechtigkeit ist es, alle repressive Politik zu beenden und die Menschenrechte zu respektieren. Die Menschen in Ägypten haben keine Chance, Kenntnisse über die Auswirkungen des Klimawandels zu erlangen, und die ägyptischen Behörden versagen ihnen ihre grundlegenden Rechte, diesen Auswirkungen zu begegnen und ihre Ansprüche zu stellen. Dies ist das Ergebnis der zahlreichen Repressalien, wie die Sicherheitskontrolle von Medienkanälen, die Beschränkung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten, das Einfrieren von Zugängen zum Informationsrecht und der Abbau der Unabhängigkeit der Justiz.“
Die Menschenrechtssituation in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die im kommenden Jahr Gastgeber der UN-Klimakonferenz COP28 sein werden, ist ebenfalls problematisch. Laut Amnesty International „hat die Regierung (der VAE) weiter erhebliche Menschenrechtsverletzungen begangen, wozu willkürliche Verhaftungen, die grausame und inhumane Behandlung von Inhaftierten, das Unterdrücken der Redefreiheit sowie das Verletzen des Rechts auf Privatsphäre zählen.“
Gastgeber einer UN-Klimakonferenz zu sein ist ein bedeutendes Bekenntnis des Gastgeberlandes und hat das Potential, einen signifikanten Fortschritt bei der Bewältigung der Klimakrise auf internationaler Ebene zu erzielen. Und dennoch, so Yasmin Omar vom Committee for Justice (Komitee für Gerechtigkeit), „kann die Reaktion auf die Klimakrise nicht dafür benutzt werden, um den Ruf eines der weltweit schlimmsten Verletzers der Menschenrechte reinzuwaschen. Die weltweite Solidarität mit unseren Forderungen hat ein einmaliges Momentum geschaffen, die Menschenrechte während des COP27 in den Mittelpunkt lebhafter Diskussionen zu stellen und Ägypten aufzufordern, konkrete Schritte zur Freilassung von Menschenrechtsaktivist*innen zu unternehmen und den zivilgesellschaftlichen Raum verfügbar zu machen.“
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Silvia Sander vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!