Die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Königs Wusterhausen haben mit Beschluss vom 20.10.2022 die Bürgermeisterin beauftragt, einen offenen Brief an die Bundesregierung zu versenden. In dem Brief wird die Bundesregierung mit Blick auf die umfassenden globalen Auswirkungen aufgefordert, alles zu unterlassen, was den Krieg in der Ukraine verlängert und die Eskalationsspirale zu durchbrechen.
Der Brief der Stadtverordneten an die Bundesregierung basiert auf einem demokratisch abgestimmten Votum, dass das Organ der Stadt Königs Wusterhausen, die Stadtverordnetenversammlung, für sich selber getroffen hat und bildet die Meinung der Mehrheit (17 von 24 Anwesenden) eben dieses Organs ab.
Alle Beschlüsse und entsprechende Anlagen sind in den Ratsinformationen hinterlegt. Dazu gehören unter anderem der Beschluss, der Gegenentwurf sowie das jeweilige Abstimmungsergebnis. Eine Aufzeichnung der Sitzung vom 20.10.2022 steht ebenfalls auf der Webseite der Stadt zur Verfügung.
Offener Brief der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Königs Wusterhausen an die Bundesregierung
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,
sehr geehrte Ministerinnen, sehr geehrte Ministerals Organ der kommunalen Selbstverwaltung gilt unsere ganze Aufmerksamkeit dem Lebensumfeld unserer Bürgerinnen und Bürger, der Bereitstellung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Infrastruktur.
Die Herausforderungen der vergangenen Jahre, sei es im Ergebnis der so genannten Flüchtlingskrise oder der Pandemiepolitik, haben die personelle und finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen bereits mehrfach überstrapaziert.
Anstatt uns nun den vielen drängenden Kernaufgaben widmen zu können, steht uns unübersehbar die nächste Krise bevor.
Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine löste nahezu unmittelbar eine Eskalationsspirale aus, die sich immer schneller dreht und droht, zu einer umfassenden globalen Krise zu werden.
Völlig anders als bei allen sonstigen Konflikten, gibt es seitens der Bundesregierung keinerlei wahrnehmbares Bemühen um Diplomatie. Allein Waffen und völlig entfesselte Sanktionsmaßnahmen sollen diesmal das alleinige Mittel der Wahl sein. Eine forcierte militärische Aufrüstung geht damit einher.
Wir wollen uns nicht anmaßen zu wissen, was die richtigen Mittel sind in dieser politischen Situation. Aber was wir mit Sicherheit wissen, ist die Tatsache, dass Deutschland nicht über die Bodenschätze, Rohstoffe und Energieauswahl verfügt, um unabhängig von anderen Ländern in der Welt seine Wirtschaft und den minimalen Wohlstand der Bevölkerung aufrecht erhalten zu können. Die Länder, von denen wir abhängig sind, haben in der Regel ihr eigenes konträres
„Wertesystem“, oft führen sie seit Jahren Kriege gegen ihr eigenes oder andere Völker. Wollen wir also künftig mit all diesen Ländern im Kriegszustand sein?!
Wir betrachten diese Art von Entwicklungen mit fassungslosem Entsetzen, insbesondere angesichts der bereits jetzt absehbaren Folgen.
Eine Politik, die sich darauf versteift, dass es nur eine militärische Lösung dieses Konfliktes geben könne, nimmt Tod und Zerstörung – vor allem für zigtausende Unbeteiligte und Unschuldige – billigend in Kauf.
Neben den unmittelbaren Kriegsfolgen in der Ukraine, hat der Sanktionskrieg auch Auswirkungen auf eigentlich völlig Unbeteiligte, die Menschen im sogenannten globalen Süden. Durch den nahezu vollumfänglichen Sanktionsdschungel bedingt, wurden enorme Mengen an Dünger- und Getreideexporten aus Russland und Weißrussland faktisch blockiert. Abgesehen von den ukrainischen Getreideexporten besteht das Problem fort. Eine Ausweitung von Hungersnöten in vielen ohnehin schon gebeutelten Ländern ist die Folge. Ist das im Sinne einer „wertegeleiteten“ Politik?
Die Folgen der gegen Russland gerichteten Sanktionspolitik schlagen mittlerweile auch spürbar auf uns zurück. Energie- und Nahrungsmittelpreise steigen mit zunehmender Rasanz, der historische Anstieg der Erzeugerinnen- und Erzeugerpreise in Höhe von 45,8% im August zeigt an, dass die für September prognostizierte Inflation von 10 % lediglich eine Zwischenstufe auf dem Weg zu neuen Rekorden sein wird.
Bereits im Juli meldete der Sparkassen- und Giroverband, dass bei einer Verstetigung des Inflationsgeschehens 60% der deutschen Haushalte keine Rücklagen mehr bilden können, der Einlagenzuwachs im Vergleich zu 2020 um 98% zurückgegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt lag die Inflation bei 7,9%.
Die nun markig als „Doppel-Wumms“ angekündigten Stabilisierungsmaßnahmen in Höhe von 200 Mrd. € lösen das grundsätzliche Problem nicht, es wird an den Symptomen herumgedoktert, wo eine kritische Reflektion der ergriffenen Maßnahmen und ein Umsteuern notwendig wäre.
Die Meldungen über endgültige Betriebsschließungen und Insolvenzen häufen sich. Vielen bereits durch die Pandemie-Politik gebeutelten Gewerbetreibenden geht nun endgültig die Luft aus, aufgrund hoher Kosten bei gleichzeitig einbrechendem Umsatz.
Es kommen nicht bezifferbare Verluste durch Betriebsschließungen, Produktionsverlagerungen ins Ausland, Rezession und Kaufzurückhaltung auf uns zu. Ganze Branchen werden verschwinden und Deutschland verliert seine letzten Standortvorteile. Die zunehmende Inflation wird zu einer massiven Kapitalflucht führen, das ohnehin angeschlagene Finanzsystem droht zu kollabieren. Der Umfang des Gesamtschadens ist unabsehbar. Die Arbeitslosigkeit wird explodieren, gleichzeitig steigt die Zahl der Flüchtlinge, die Sozialsysteme sind jetzt schon völlig überlastet. Daraus folgende soziale und politische Unruhen sind zwangsläufig.
Alle weiteren Entwicklungen sind absehbar, ohne dass damit den Menschen in der Ukraine geholfen ist.
Wir rufen Sie daher dazu auf, alles zu unterlassen, was diesen Krieg verlängert und alles dafür zu tun, dass die Waffen schweigen. Sowohl im Waffenkrieg als auch im Wirtschaftskrieg!
Schließen möchten wir mit den Worten Willy Brandts, die nichts an Ihrer Gültigkeit verloren haben
„Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.“