Die Sojaplantagen haben in diesem Jahr einen neuen Rekord bei der Ausdehnung erreicht. Nach Angaben des brasilianischen Instituts für Geographie und Statistik (IBGE) werden zum ersten Mal in der Geschichte des Landes mehr als 46 Prozent der 88 Millionen Hektar Anbaufläche für die Produktion von Sojabohnen genutzt. Die Anbaufläche für Soja wird von 2021 bis 2022 um fünf Prozent zunehmen.
Im Jahr 1992 entfielen rund 18 Prozent der brasilianischen Ernten auf Sojabohnen. Seitdem hat sich dieser Prozentsatz fast verdreifacht, was das Land zum größten Produzenten dieses Rohstoffs in der Welt macht. Vor dreißig Jahren produzierte Brasilien 19 Millionen Tonnen Soja pro Jahr. Für dieses Jahr geht die jüngste Schätzung des IBGE von 119 Millionen Tonnen aus. Das Ergebnis kann sich jedoch nicht sehen lassen. Denn trotz der Zunahme der Anbaufläche dürfte die Ernte um zwölf Prozent geringer sein als im vergangenen Jahr.
Produktivitätsrückgang durch Dürre
Mit mehr Fläche und weniger Produktion ist Soja die Ackerpflanze mit dem größten Produktivitätsrückgang, den das IBGE von 2021 bis 2022 registriert. Pro Hektar Anbaufläche werden im Land 15 Prozent weniger Körner geerntet. Im Durchschnitt stieg die Produktivität aller Ackerpflanzen hingegen um drei Prozent.
Bei Sojabohnen wurde die Ernte durch die Trockenheit beeinträchtigt, die vor allem die südlichen Bundesstaaten betraf. In der Region wuchs die Anbaufläche um drei Prozent, aber die Produktion ging um 45,6 Prozent zurück. „Wir hatten Verluste, die durch (das Wetterphänomen) La Niña verursacht wurden, mit den größten Verlusten in Rio Grande do Sul und einigen Verlusten auch in Mato Grosso do Sul und im Südosten des Landes“, sagte die Wirtschaftswissenschaftlerin Ana Luiza Lodi, eine Expertin der Beratungsfirma StoneX.
Dies ist das dritte Jahr in Folge, in dem La Niña, das die Wassertemperaturen des Pazifischen Ozeans verringert, die Niederschlagsmengen des Landes beeinträchtigt hat. La Niña steht allerdings vermutlich nicht im Zusammenhang mit dem menschengemachten Klimawandel.
Der durch das Phänomen verursachte Niederschlagsmangel hat jedoch Wirtschaftswissenschaftler*innen alarmiert, die sich mit der Landwirtschaft befassen. Sie warnen vor künftigen Dürren, die die Produktion der wichtigsten nationalen Saatpflanze gefährden könnten. „Der starke Rückgang der Sojaproduktion in dieser Ernte und andere Fakten sollten uns eine Warnung sein, bei der Landwirtschaft und der Bodenbewirtschaftung mehr auf die Umwelt zu achten“, sagte der Ökonom und Agrarwissenschaftler José Giacomo Baccarin, der von 2003 bis 2005 unter der Regierung von Luiz Inácio Lula da Silva (PT) Sekretär für Lebensmittel und Ernährungssicherheit der brasilianischen Bundesregierung war.
Landwirtschaft versus Landwirtschaft
Für Carlos Bocuhy, Präsident des brasilianischen Instituts für Umweltschutz (Proam), ist die Landwirtschaft heute selbst Teil des Klimawandels; Landwirtschaft kann Niederschläge reduzieren und sich so selbst schaden. „Ein großer Teil der Verwüstung des Amazonasgebiets wird durch unverantwortliches Agrobusiness verursacht. Diese Tatsache wirkt sich bereits auf die kontinentale Verlagerung von Feuchtigkeitsmassen aus und verändert die Regelmäßigkeit der Niederschläge in Brasilien“, sagte er.
Laut Yamila Goldfarb, Geografin und Vizepräsidentin der brasilianischen Vereinigung für Agrarreform (ABRA), gebe es bereits Beweise dafür, dass landwirtschaftliche Aktivitäten, die zur Abholzung des Amazonas führen, zum Mangel an Niederschlägen im Zentrum und Westen des Landes beitragen. Heute konzentriert sich etwa die Hälfte der brasilianischen Sojaproduktion auf diese Region. Je mehr Dürreperioden es gibt, desto mehr leidet die nationale Produktivität insgesamt.
„Die im Umweltkataster für den ländlichen Raum vorgesehene Wiederaufforstung kommt nicht voran, und die Vegetationsdecke, die obligatorisch wiederhergestellt werden sollte, wird nicht erneuert“, beklagte Bocuhy. „Der Trend ist ein Produktionsverlust, der in zukünftigen Szenarien bereits einen allmählichen Verlust des BIP für den Sektor voraussagt.“
Bremse für Wirtschaftlichkeit
Übrigens wächst die Landwirtschaft schon seit einem Jahr weniger als die gesamte Volkswirtschaft. Und das hat mit dem Mangel an Niederschlägen zu tun.
Nach Angaben des IBGE ist die nationale Agrarproduktion im zweiten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,5 Prozent gesunken, während die Wirtschaft insgesamt um 3,2 Prozent gewachsen ist. Die Industrie zum Beispiel wuchs um 1,9 und der Dienstleistungssektor um 4,5 Prozent.
Dieser Rückgang stellt keine Ausnahme mehr dar. Dies ist das vierte Quartal in Folge, in dem die landwirtschaftliche Erzeugung im Vergleich zu den gleichen Zeiträumen des Vorjahres zurückging. In all diesen Quartalen ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gewachsen. Der einzige Grund, warum sie nicht so stark wuchs, war die Landwirtschaft, die ihrerseits aufgrund von Klimaproblemen schrumpfte.
Milliardengewinne dank gestiegener Preise
Dieses Ergebnis war allerdings nicht noch schlechter, weil die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse gestiegen sind. Die Getreideernte in Brasilien erreicht laut IBGE im Jahr 2021 einen Rekord: 743,3 Milliarden Real (144 Milliarden Euro), ein Zuwachs von 58,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr, und das bei gleichbleibendem Volumen.
Bei Soja wird sich der Wert der Produktion von 2020 bis 2021 verdoppeln und 341 Milliarden Real (66 Milliarden Euro) erreichen, was auf den Anstieg der internationalen Marktpreise zurückzuführen ist.
Dieser Anstieg ist jedoch nur eine Begleiterscheinung, die sogar mit der Coronapandemie zusammenhängt. Das ist es auch, was die Sojabohne in Brasilien trotz des Produktionsrückgangs zu einem guten Geschäft gemacht hat, so Lodi von StoneX. „Wir befinden uns in einem Szenario gestärkter Preise, die die Produktion ausgleichen und den Erzeugern eine positive Marge bescheren“, sagte sie.