Der kanadische Konvertit, Aktivist und Historiker Dr. Abdullah Hakim Quick hielt vor einigen Jahren einen interessanten Vortrag mit dem Titel Islam, Slavery and the African, der für den islamischen abolitionistischen Diskurs sehr bedeutend ist. In seinem vielfältigen historisch-theologischen Ansatz zeigt er auch konkret auf, dass Islam und Sklaverei sich völlig widersprechen und erklärt, wie egalitär und universalistisch die Botschaft des Islam ist.
Quick zeigt, wie wichtig es heute für die Muslime ist, der Geschichte gerecht zu werden, indem man über das Thema der Sklaverei in muslimischer Zeit in Afrika offen spricht. Nach Dr. Quick soll die Geschichte der Sklaverei zum Curriculum der Bildungsinstitutionen gehören und intensiv gelehrt werden. Die afrikanische Geschichte und ihre Schattenseiten müssen in die Lehrbücher. Kritische Schulbuchdidaktik und kritische Historiografie sind die besten Methoden, um die Welt gerechter zu gestalten und den Manipulationen der muslimischen Religion und Geschichte effizient und konsequent entgegenzuwirken.
Dieser didaktisch-pädagogische Ansatz ist wesentlich, wenn es um Islam und Sklaverei geht. Es geht darum, sich ausgehend von Koran und Sunna mit der Geschichte zu beschäftigen und nicht wegzusehen, indem man die Gleichheit der Menschen im Islam vor Augen hält und rassistische Vorurteile und Kastendenken aus dem Weg räumt.
Quick vertritt die Ansicht, dass man Menschen aus den Ländern, in denen die Sklaverei heute noch praktiziert wird, sprechen lassen soll, ohne über sie das letzte Wort zu sagen. Dies macht unter anderem der Verein IRA Mauritanie, der die ehemaligen Sklavinnen und Sklaven über ihre Erfahrungen berichten lässt.
Wichtig ist hierbei, die Universalität des Islam und die Einheit der Ummah nicht außer Acht zu lassen, zu der auch der afrikanische Islam als wesentlicher Bestandteil gehört. Um zu verstehen, warum der Islam nicht mit der Sklaverei vereinbar ist, sollte man sich auf den Begriff Islam konzentrieren und versuchen, diesen unabhängig von den verschiedenen Kulturen, Nationen und Gruppen zu betrachten. Quick meint hierzu sehr treffend:
„Wenn wir über den Islam an sich sprechen, sprechen wir nicht von einer Gruppe aus dem Vorderen Orient… wir sprechen dann auch nicht von einer Lebensweise, die sich auf eine besondere Nation oder Sprachgruppe beschränkt… Der Begriff Islam bedeutet im Wesentlichen, sich dem Willen Allahs zu unterwerfen… Islam bedeutet, sich dem Schöpfer zu unterwerfen…“
Islam bedeutet Unterwerfung und Glaube an den Schöpfer und somit auch an die Einheit der Schöpfung (nach dem tawhid-Konzept) und an die Gleichberechtigung aller Menschen, unabhängig von ihrer kulturellen, ethnischen und sozialen Herkunft. Der Islam überwindet rassistische Vorurteile und widersetzt sich als allumfassende Weltanschauung des Tawhid der Sklaverei als Form der Diskriminierung und Ungleichheit.
Die Sklaverei ist mit der islamischen Weltanschauung unvereinbar, denn der Islam ist eine universale Botschaft an alle Menschen. Islam bedeutet nicht nur dogmatischer, sondern auch sozialer und ethischer Monotheismus. Afrika kannte den Monotheismus schon vor dem Islam, so Dr. Quick. Nach seiner Erläuterung der vorislamischen Glaubensrichtungen des Monotheismus in verschiedenen Regionen Afrikas, geht Quick auf das Thema des Islam als Bestätigung des vorherigen Monotheismus, und so auch des afrikanischen, über.
Der Islam ist eine Religion der Einheit: Menschen dürfen nicht in Kasten aufgeteilt werden. Die Menschheit ist eine Einheit in der gleichwertigen Vielfalt. Die erste Gemeinde der Muslime zur Zeit des Propheten (sas) bestand aus verschiedenen Ethnien und Stämmen. Zur Sklaverei in alten Zeiten führt Dr. Quick an:
„… Die Sklaverei war in der Welt des Altertums ein internationales Phänomen. Es gab die Sklaverei in China, Afrika, Europa, in Nord- und Lateinamerika, im Vorderen Orient. Es gab sie weltweit überall… Die Sklaverei wurde nicht durch die Hautfarbe definiert … Die Sklaverei war eine soziale Kategorie…“
Um die Sklaverei zur Zeit des Propheten (sas) zu verstehen, müssen wir die Kriegssklaverei jener Zeit verstehen. Das ist auch sehr wichtig zwecks Untermauerung unserer These, nach der Islam und Sklaverei sich widersprechen und der Islam die Sklaverei reformierte, um sie dann vollkommen abzuschaffen.
Im 16. Jahrhundert wurde die Sklaverei durch den transatlantischen Sklavenhandel zum ersten Mal zum „Rassenphänomen“, wie Dr. Quick es nennt. Der transatlantische Sklavenhandel unterschied sich von der muslimischen Sklaverei, in der die rassistische Zuordnung des Sklaven nicht so stark ausgeprägt war. Auch in der vorislamischen Zeit gehörten die Sklaven allen Volksgruppen an. Der Sklave war sozial schwach und gehörte nicht zu einer gewissen Ethnie. Die Ethnie galt zur Zeit des Propheten (sas) nicht als Bestandteil zwecks Definition eines Menschen.
Das islamische Konzept des Tawhid sah vor, dass sich Menschen nur Allah (swt) und nicht den Geschöpfen unterwerfen. Daraus kann man schon ableiten, dass sich Islam und Sklaverei widersprechen.
„So unternahmen die Muslime von Anfang an sehr viel, um die Sklaven zu befreien. Und so fand sich auch von Anfang an eine Gruppe von Freigelassenen“.
Hierzu führt Quick das Beispiel von Abu Bakr (ra) an. Auch der Prophet befreite 63 Sklaven und Aisha 67 Sklaven. Und es folgen Beispiele von Tausenden von befreiten Sklaven zu Beginn des Islam und eine heilige Hadith in Bukhari, nach der ein Mensch, der eine freie Person verkauft und den Preis verbraucht hat, von Allah (swt) im Jenseits bestraft wird.
Der Islam befreit Sklaven oder erlaubt ihnen, sich selbst freizukaufen, und dies in einer Zeit, in der die Sklaverei weltweit verbreitet war. In Koran 24:33 heißt es:
„… Und jene, die eure Rechte besitzt – wenn welche von ihnen eine Freilassungsurkunde begehren, stellt sie ihnen aus, falls ihr in ihnen Gutes wisset; und gebt ihnen von Allahs Reichtum, den Er euch gegeben hat…“
Ganz im Sinne Quicks, ist es sehr wichtig, die Offenbarung des Koran in die Zeit des Propheten (sas) zu versetzen und sie in diesem geschichtlichen Kontext auch zu verstehen. Der Wortlaut des Koran gilt als bahnbrechend und revolutionär, wenn man die damalige geschichtliche Lage der Welt, gekennzeichnet von einer allgemein verbreiteten Sklaverei, berücksichtigt. Der Koran fordert nicht nur die Herren auf, ihre Sklaven zu befreien, sondern ordnet ihnen auch klar an, ihnen eine Freilassungsurkunde auszustellen, wenn sie diese wünschen.
Der Kampf gegen die Sklaverei entspricht auch dem islamischen Pfeiler des Zakat, denn die Almosen im Islam sehen auch die Befreiung von Sklaven vor.
Hierzu heißt es in Koran 9:60: „Die Almosen sind nur für die Armen und Bedürftigen und für die mit ihrer Verwaltung Beauftragten und für die, deren Herzen versöhnt werden sollen, für die (Befreiung von) Sklaven und für die Schuldner, für die Sache Allahs und für den Wanderer: eine Vorschrift von Allah. Und Allah ist allwissend, allweise.“
Und in Koran 2:177 heißt es: „Nicht darin besteht Tugend, dass ihr euer Antlitz nach Osten oder nach Westen kehrt, sondern wahrhaft gerecht ist der, welcher an Allah glaubt und an den Jüngsten Tag und an die Engel und das Buch und die Propheten und aus Liebe zu Ihm Geld ausgibt für die Angehörigen und für die Waisen und Bedürftigen und für den Wanderer und die, die um eine milde Gabe bitten, und für (Loskauf der) Gefangenen, und der das Gebet verrichtet und die Zakat zahlt; sowie jene, die ihr Versprechen halten, wenn sie eins gegeben haben, und die in Armut und Krankheit und in Kriegszeit Standhaften; sie sind es, die sich als redlich bewährt haben, und sie sind die Gottesfürchtigen.“
Wenn sich die Muslime von Anfang an dieses koranische Gebot gehalten hätten, wäre die Sklaverei schon seit Jahrhunderten ausgemerzt. Alleine der Prophet (sas) und seine Gefährten befreiten 39.237 Sklaven. Zur Befreiung der Sklaven in Anlehnung an Koran 90:12-13 heißt es in den Regeln der Zakat:
„Unter dem qur’anischen Ausdruck „ar-riqab“ sind zwei Arten von Befreiungen aus den Mittel den Zakah zu verstehen: die Befreiung der Sklaven und der Loskauf der Kriegsgefangenen aus den Händen des Feindes. Nach dem Qu’ran hat jeder Sklave das Recht, seine Freilassung zu erkaufen, indem er seinen Wert an seinen Herrn zahlt. Er hat das Recht, seinen Herrn zu zwingen, dass er ihn notfalls anderwärts arbeiten lässt, um das nötige Geld zu verdienen. Die islamische Regierung ist dazu verpflichtet, jedes Jahr in ihre Staatskasse einen Betrag hineinzunehmen, um den Sklaven zu helfen, die ihre Freiheit erkaufen wollen…“
Somit übernimmt der islamische Staat die Aufgabe der systematischen Befreiung der Sklaven durch das Budget der Staatskasse. Genau das hätte der mauretanische Staat mit dem Erlass von 1981 machen sollen. Vor der definitiven Aufhebung der Sklaverei werden die Regeln der guten Behandlung des Sklaven durch den muslimischen Herrn zur Zeit des frühen Islam vorgeschrieben. Es geht nicht um die revolutionäre Aufhebung, sondern um die reformatorische Aufhebung der Sklaverei im Islam, Schritt für Schritt zwecks Einführung der Ex-Sklaven als gleichwertige Mitbürger in die islamische Gesellschaft. Der Islam verbietet außerdem die Verleumdung, Misshandlung und Erniedrigung des (Noch-)Sklaven, der dem Muslim ein Bruder ist.
Das einzige Konzept des Sklaven im Islam (in der islamischen Scharia) bezog sich auf die Kriegsgefangenen, die zu jener Zeit ein weltweit verbreitetes Phänomen waren, und auch diese sollten befreit werden und in die muslimische Ummah integriert werden. Somit geht es im Islam nicht um Sklaven, sondern um Kriegsgefangene, die in die islamische Gesellschaft kommen und die dann auch Schritt für Schritt befreit und integriert werden sollen. Quick sagt hierzu:
„Die Sklaverei war eine internationale Institution, sie war eine Beziehung, die Menschen in der gesamten Welt pflegten… und der Islam führte die Menschen aus dieser Institution heraus… es war in der damaligen Zeit nicht weise, … den Versuch zu unternehmen, diese Institution völlig aus der Welt zu schaffen, da die Beziehung zwischen dem Sklaven und seinem Herrn eine weltweit verbreitete Beziehung war“.
Das Ziel des Islam war es, diese Kriegsgefangenen gut zu behandeln und sobald als möglich aus dieser Situation zu befreien. Wesentlich ist hierzu die folgende Aussage: „Die Sklaverei galt nicht als Pfeiler des Islam… sie war keine notwendige Institution im islamischen Leben“.
„In vielen Teilen der Welt schwand die Sklaverei vollkommen. In einigen Teilen der Welt, in der die Menschen im Namen des Islam Vorteile aus anderen Menschen ziehen wollten, wurde die Sklaverei fortgesetzt …“
Diese Passage ist eine wesentliche, historische Wahrheit und erklärt, wie Muslime aus Habgier die Sklaverei fortgesetzt und institutionalisiert haben. Die Spuren dieser Sklaverei finden sich bis heute in Gesellschaften wie der mauretanischen, in der die Sklaverei faktisch noch vorhanden ist, obwohl sie gesetzlich verboten ist.
In diesem Zusammenhang zeigt sich wiederum, wie der Islam manipuliert wurde, um die Sklaverei zu rechtfertigen. Und dagegen müssen sich die Muslime wehren, um der Sklaverei in all ihren Formen ein Ende zu bereiten. Sklaverei gab es in der muslimischen Welt. Es gab den muslimischen Sklavenhandel. Aber Sklavenhandel ist nicht islamisch. Wir müssen zwischen Muslim und Islam unterscheiden, so Quick.
Der muslimische Sklavenhandel wurde nach der Zeit des Propheten (sas) institutionalisiert und in Afrika weit verbreitet. Quick zitiert hierzu ein wichtiges Dokument, die „Wathiqa“ von Ibn Fudi, in dem der Verfasser zum Aufstand gegen die Sklaverei aufrief.
Quick nennt viele Beispiele von schwarzen Muslimen in Amerika, die gegen die Sklaverei kämpften. Sie bekämpften die Sklaverei im Namen des Islam, von Generation zu Generation. Die Muslime gehörten zu den stärksten Gruppen, die in Amerika gegen die Sklaverei ankämpften. Derselbe Widerstand gegen die Unterdrückung findet sich bei Malcolm X. In einer Hadith des Propheten (sas) heißt es, wir sollen uns mit Taten, Worten und Gebeten jeglicher Ungerechtigkeit widersetzen, und so schreibt Quick: „Darin besteht das Wesen des Islam“.
Islam bedeutet Gerechtigkeit, Auflehnung gegen Tyrannei und Kampf gegen Sklaverei. Nach dem Kolonialismus kamen in den muslimischen Ländern noch schlimmere Führer als die Kolonialisten selbst. Islam besteht im Kampf gegen diese Tyrannei und Unterdrückung des Volkes. Er nennt das Beispiel des Sudan als antikolonialistisches, unabhängiges Land und als Zufluchtsort für Menschen aus ganz Afrika.
„Es gibt einen Unterschied zwischen dem Islam als Lebensweise und was gewisse Menschen im Namen des Islams getan haben…“
Die Ausführungen von Hakim Quick sind einfach wundervoll, weil er den egalitären Aspekt des Islam so überzeugend und dynamisch erklärt. Sklaverei ist nicht nur körperlich, sondern auch psychologisch und mental. Sie äußert sich auch im Rassismus und in der Diskriminierung von Menschen. Sie äußert sich im Neokolonialismus in der muslimischen Welt. Sie äußert sich auch in der wirtschaftlichen Sklaverei von heute. Wir sehen, wie viele Gesichter die Sklaverei auch in den muslimischen Gesellschaften hat.