Sri Lanka, Serendip im Altpersischen, das Juwel im Indischen Ozean, befindet sich in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise. 

Die Krise hat viele Wurzeln und wurde in den letzten zwei Jahren durch Covid, den Klimawandel, die Schuldenkrise, den Beitrag chemischer Düngemittel zur Verschuldung, Treibhausgasemissionen und Klimaanfälligkeit noch verschärft.

Von Dr. Vandana Shiva

Die Proteste, die wir erlebten, wurden durch eine Wirtschaft der Gier, die Schaffung einer Schuldenfalle und die Eintreibung von Mieten, steigende Lebenshaltungskosten und eine wirtschaftliche Überlebenskrise ausgelöst, der sich einfache Bürger gegenübersehen. Solche Proteste waren im Jahr 2019 vor Covid und dem Lockdown überall auf der Welt zu beobachten. Denken Sie an Beirut und Chile. Wenn die Lebenshaltungskosten untragbar werden, erheben sich die Menschen. Und überall auf der Welt sind Länder in der Schuldenfalle gefangen, um Milliarden für Milliardäre und Banken zu generieren.

Sri Lanka steht vor einer ernsten Schulden- und Devisenkrise. Sie ist eine direkte Folge der neoliberalen Politik der Unternehmensglobalisierung, die dazu führt, dass Länder immer mehr Kredite für eine Infrastruktur des Profits – Häfen, Kraftwerke, Autobahnen, Touristenresorts – aufnehmen müssen, in eine Schuldenfalle geraten und gezwungen sind, mehr für lebensnotwendige Güter zu bezahlen.

Die Auslandsschulden Sri Lankas belaufen sich auf 12,55 Milliarden Dollar, wobei die Asiatische Entwicklungsbank, Japan und China zu den wichtigsten Kreditgebern gehören.

Ich denke an Susan Georges Buch »Ein Schicksal schlimmer als Schulden«.

In den letzten zehn Jahren hat China Sri Lanka mehr als fünf Milliarden Dollar für den Bau von Autobahnen, Häfen, einem Flughafen und einem Kohlekraftwerk geliehen.

47 % der Auslandsschulden Sri Lankas sind den internationalen Kapitalmärkten geschuldet, 22 % werden von multilateralen Entwicklungsbanken gehalten, gefolgt von Japan mit 10 % der sri-lankischen Auslandsschulden.

30 % aller ausländischen Direktinvestitionen (ADI) in Großprojekte in Sri Lanka im Zeitraum von 2012 bis 2016 entfielen auf China.

Nach Angaben von Gateway House finanzieren chinesische Fremd- und Eigenkapitalbeteiligungen mehr als 50 Projekte im Wert von über 11 Milliarden Dollar. Bei den meisten handelt es sich um Straßen und Wasseraufbereitungsanlagen, aber die größten Projekte sind der Hafen von Hambantota, der Port City Colombo (ein ambitioniertes Projekt für eine durch künstliche Landanhäufung errichtete Sonderwirtschaftszone und internationales Finanzzentrum mit Offshore-Banken, Anm. d. Red.) und das Wärmekraftwerk Lakavijaya – alle drei werden von chinesischen Staatsbanken finanziert und von chinesischen Auftragnehmern gebaut.

Wie Amit Bhandari und Chandni Jindal von Gateway House schreiben:

»Im Jahr 2017 gab die Regierung Sri Lankas 83 % ihrer Einnahmen für die Rückzahlung von Schulden aus, ein Viertel davon für Auslandskredite. Die Rückzahlung der Auslandsschulden des Landes wird sich voraussichtlich von 2,1 Milliarden Dollar im Jahr 2017 auf 3,3 bis 4,2 Milliarden Dollar jährlich in den Jahren 2019-22 verdoppeln. Es überrascht nicht, dass Sri Lanka sich dafür entschieden hat, einen Teil dieser Schulden in Eigenkapital umzuwandeln und Hambantota im Jahr 2017 an die China Port Holding zu übergeben.«

Im Februar 2022 verfügte das Land nur über Devisenreserven in Höhe von 2,31 Milliarden Dollar, zu wenig, um seine Importkosten und Schuldentilgungsverpflichtungen in Höhe von 4 Milliarden Dollar zu decken.

Die Devisenkrise hat dazu geführt, dass die Regierung nicht mehr in der Lage ist, Importe lebenswichtiger Güter, einschließlich Treibstoff, zu bezahlen. Die Abhängigkeit von der Einfuhr fossiler Brennstoffe hat zu einer Wirtschaftskrise mit Stromausfällen von bis zu 13 Stunden und einer galoppierenden Inflation geführt, nachdem die Währung abgewertet wurde.

Die 22 Millionen Bürger Sri Lankas befinden sich in einer Überlebenskrise und haben sich aus Protest gegen die Regierung erhoben. Die Minister sind zurückgetreten. Der Ausnahmezustand wurde verhängt. Das Land lebt von Krediten.

Die Fähigkeit Sri Lankas, seine Kredite mit Zinsen zurückzuzahlen, wurde durch Covid stark beeinträchtigt. Covid hat die Krise verschärft. Der Tourismus und die Überweisungen ausländischer Arbeitnehmer waren eine der wichtigsten Deviseneinnahmen Sri Lankas. Die Pandemie ließ beides versiegen. Die Devisenreserven sanken innerhalb von zwei Jahren um fast 70 %.

Im Jahr 2019 betrug der Beitrag von Reisen und Tourismus zum BIP (in % des BIP) für Sri Lanka 12,6 %. Der Beitrag des Reise- und Tourismussektors zum BIP (in % des BIP) von Sri Lanka stieg von 6 % im Jahr 2000 auf 12,6 % im Jahr 2019 und wuchs mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 4,28 %.

Der Tourismus, der von 6 % im Jahr 2000 auf 12,9 % im Jahr 2019 gestiegen war, brach aufgrund von Covid um 70,8 % ein.

Die Ukraine-Krise hat die Krise durch den Anstieg der Öl- und Düngemittelpreise weiter verschärft. Sri Lanka hat sich an den IWF, Indien und China gewandt, um Kredite zu erhalten. Die Abwertung der sri-lankischen Währung war Teil der Umstrukturierungsforderung des IWF.

Im Februar hat Indien im Rahmen einer Kreditlinie in Höhe von 500 Millionen Dollar Diesellieferungen vorgenommen. Sri Lanka und Indien haben eine Kreditlinie in Höhe von zwei Milliarden Dollar für die Einfuhr von lebenswichtigen Gütern, darunter Lebensmittel und Medikamente, unterzeichnet.

China stellte der Zentralbank von Sri Lanka einen Swap in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar und einen Konsortialkredit in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar zur Verfügung. China erwägt, dem Inselstaat eine Kreditfazilität in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar und ein separates Darlehen in Höhe von bis zu einer Milliarde Dollar anzubieten.

Die Klimakatastrophe, von der Südasien am stärksten betroffen ist, hat auch die Nahrungsmittelkrise in Sri Lanka verschärft.

Südasien ist dank des Monsuns wirtschaftlich und ökologisch reich. Der Klimawandel hat schwerwiegende Auswirkungen auf den Monsun und damit auch auf die landwirtschaftliche Produktion. Dem jüngsten IPCC-Bericht zufolge werden intensive und extreme Ereignisse im Zusammenhang mit dem südasiatischen Monsun bei jedem Temperaturanstieg von 1 °C um 7 % zunehmen.

Seit 2009 habe ich in meinen Beiträgen für den Klimagipfel in Kopenhagen (z. B. Soil not Oil) gezeigt, dass ein rohstoffbasiertes, chemie- und kapitalintensives Landwirtschafts- und Lebensmittelsystem 50 % der Treibhausgasemissionen verursacht hat, die das Klima zerstören und die Landwirtschaft bedrohen

11-15 % aus der landwirtschaftlichen Produktion,

15-18 % aus der Entwaldung,

15-20 % aus der Verarbeitung und dem Langstreckentransport durch globale Lieferketten,

2-4 % aus Abfällen.

Quelle: grain.org

Wir können den Klimawandel und seine sehr realen Folgen nicht angehen, ohne die zentrale Rolle des industriellen und globalisierten Lebensmittelsystems anzuerkennen, das zu mehr als 50 % zu den Treibhausgasemissionen beiträgt und zwar durch die Abholzung von Wäldern, industrielle Massentierhaltung, Kunststoff- und Aluminiumverpackungen, Langstreckentransporte und Lebensmittelverschwendung.

»Die Auswirkungen von Lebensmitteln und Klima gehen in beide Richtungen. Der Klimawandel birgt erhebliche Risiken für das Lebensmittelsystem, da steigende Temperaturen und sich ändernde Wettermuster in den kommenden Jahrzehnten enorme Schäden bei Ernten, Versorgungsketten und Lebensgrundlagen verursachen können.« [1] [2]

Das unbeständige Wetter hat zur Krise in Sri Lanka beigetragen.

Eine im Magazin Nature veröffentlichte Studie mit dem Titel »Climate change and food security in Sri Lanka: towards food sovereignty« (Klimawandel und Ernährungssicherheit in Sri Lanka: auf dem Weg zur Ernährungssouveränität) argumentiert, dass die Förderung der Ernährungssouveränität der Schlüssel zur Linderung der Auswirkungen des Klimawandels sein könnte.

Chemisch-synthetische Düngemittel stoßen Lachgas aus, das 300-mal klimaschädlicher ist als CO2. Die Einfuhren synthetischer Düngemittel haben auch die knappen Devisenreserven Sri Lankas stark belastet.

Der Krieg in der Ukraine verschlimmert die Situation noch weiter. Die Preise für Düngemittel, Treibstoff und Lebensmittel steigen überall. Das Giftkartell, das vom Verkauf teurer Düngemittel profitiert, nutzt die Krise, um alle Schritte zunichtezumachen, die die Länder unternommen haben, um eine Landwirtschaftspolitik zu schaffen, die frei von fossilen Brennstoffen und Chemikalien auf Basis fossiler Brennstoffe ist und dem Klimawandel standhält, zu dem das industrielle, globalisierte Lebensmittelsystem, das wiederum selbst anfällig für den Klimawandel ist, zu 50 % beiträgt.

In Europa versucht die chemische Industrie, die »Farm to Fork«-Politik rückgängig zu machen.

Sie stellt die Krise in Sri Lanka so dar, als stünde sie im Zusammenhang mit einem mehrmonatigen Importstopp für chemische Düngemittel im April 2021. Das Verbot war aber auf die Schuldenkrise Sri Lankas zurückzuführen. Ein Importstopp führt nicht automatisch zu einer Politik der Ernährungssouveränität. Ernährungssouveränität erfordert den Übergang zu einer ökologischen Landwirtschaft und zwar in der Praxis, in der Forschung und in der Politik. Kuba hat die durch den Zusammenbruch der Sowjetunion ausgelöste Treibstoff- und Düngemittelkrise durch einen von Politik und Forschung unterstützten Übergang zur ökologischen Landwirtschaft bewältigt.

Covid, Klima und Chemikalien haben in Sri Lanka einen perfekten Sturm ausgelöst. Dieser Sturm könnte jedes Land treffen, das durch eine Schuldenfalle rekolonisiert wird. Die Rückgewinnung der wirtschaftlichen Souveränität, beginnend mit der Ernährungssouveränität, ist die Lösung für Pandemien, Klimaresistenz sowie Freiheit von Schulden, fossilen Brennstoffen und Chemikalien.

Die Krise in Sri Lanka macht die hohen Kosten von Covid deutlich, die von den Bürgern getragen werden, während die Milliardäre jetzt um 1,5 Billionen Dollar reicher sind.

Sri Lanka macht die hohen Kosten der Klimaungerechtigkeit deutlich.

Es macht auch die hohen Kosten der Abhängigkeit von ausländischen Investitionen und Krediten für den Aufbau kostspieliger Infrastruktur deutlich, die einigen wenigen zugutekommt, während die meisten Bürger einen sehr hohen Preis durch die Zerstörung der Infrastruktur des Lebens zahlen – sowohl der ökologischen Infrastruktur eines stabilen Klimas als auch der wirtschaftlichen Infrastruktur, die die Grundversorgung garantiert.

Lokalisierung anstelle von Unternehmensglobalisierung, ökologische Nachhaltigkeit und Souveränität anstelle von fossilen Brennstoffen und kapital- und schuldenintensivem Wirtschaften sind der Weg zu Frieden und Freiheit, Widerstandsfähigkeit und Eigenständigkeit – für Einzelpersonen, Gemeinschaften, Länder und den Planeten.

 

Quellenangaben:

[1] C. Mbow et al. “Food Security”, in Climate Change and Land (IPCC, 2019), https://www.ipcc.ch/srccl/chapter/chapter-5/.

[2] Sandalow D. et al., Food and Climate Change InfoGuide, Columbia SIPA – Center on Global Energy Policy, Mai 2021, https://www.energypolicy.columbia.edu/research/article/food-and-climate-change-infoguide

Titelbild:

Die Skyline von Colombo im Januar 2022, Sicht von der Galerie des Colombo Port City Projekts von XKillSwitchXxx via Wikimedia Commons, lizenziert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International Lizenz.

 

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Alina Kulik vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!

Weitere Infos zur Autorin gibt es unter www.vandana-shiva.de

 

Der Originalartikel kann hier besucht werden