Tee, Kaffee, Kakao, Zucker aus Zuckerrohr, Bananen, um nur einige „gewöhnliche“ und dennoch exotische Produkte zu nennen, die wir nicht mehr aus unserem Alltag weg denken können, sind eigentlich Kostbarkeiten, die ein vielfaches kosten sollten.
Wenn sie aber teurer sind, verdienen meistens die Bauern nicht mehr daran, sondern irgendein Konzern stopft sich entlang der Lieferkette die Taschen voll. Und wir kaufen sie wiederum hier billig im Supermarkt ein, weil die Kosten in Übersee verlagert und nicht im Preis enthalten sind: Abholzung, Monokulturen, Ausbeutung, Kinderarbeit, Schwund der Biodiversität durch chemische sog. Pflanzenschutzmitteln, usw. usw. Das alles bleibt uns verborgen, solange wir uns nicht mit der Herkunft unserer Lebensmittel beschäftigen (wollen).
FairTrade ist gefragt
Das Label Fair Trade war und ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um zu versuchen Bauern und Bäuerinnen in Ländern des Südens vom gnadenlosen neoliberalen Wirtschaftsmodell, das auf einer Existenz vernichtenden Ausbeutung basiert, eine Zukunftsperspektive zu geben. Leider gab es auch Versuche, das Label zu missbrauchen, was dazu führte, dass z.B. die GEPA, neben El Puente eines der führenden deutschen Unternehmen in der Branche, ein Label „Fair Trade +“ eingeführt hat, um ihre Kriterien noch einmal zu verschärfen und die Kundschaft zu beruhigen, die langsam, aber sicher an den FairTrade-Produkten Geschmack findet.
Verantwortungsvoller Unternehmergeist schon 1985
Konzipiert als Projekt für Studierende, die ein „anderes“ ökonomisches Unternehmen zu gründen lernen sollten, hat die Darjeeling-Teekampagne aus Berlin auch einen wichtigen Beitrag in den Teeplantagen geleistet, indem sie die Zwischenhändler ausgeschaltet und von den Kunden verlangt hat, die Ernte im Voraus zu zahlen, sprich ihren Vorrat vor der Ernte zu bezahlen: Im Grunde das, was die SOLAWI (Netzwerk Solidarische Landwirtschaft) nun hier in der Landwirtschaft macht, um die Abhängigkeit von den Banken zu kappen.
Es verlangt zwar einiges von den Konsumenten ab, denn sie müssen sozusagen Vorauskasse leisten, ohne zu wissen, ob die Ernte überhaupt stattfinden oder die Menge ausreichend sein wird (Witterung!), und einen gerechteren, festen Preis zahlen – für die Qualität immer noch günstig –, der Unabhängigkeit von den Marktschwankungen garantiert. Auch ihren Jahresvorrat müssen sie planen, auf die Gefahr hin, zu viel oder zu wenig eingekauft zu haben. Im Vergleich zu den Missstände, die im Länder des Südens herrschen, eine richtige Lappalie. Auch wenn ihre Kooperation mit dem WWF einiges Kopfschütteln verursacht hat: Die Kampagne läuft gut, was es die unlautere Nachahmung – die oft zur Verwechslung geführt hat – beweist, und dies vom Anfang an (ab 1985, zuerst durch Mundpropaganda). Die Tees erfreuen sich Beliebtheit, sind Rückstände kontrolliert und inzwischen Bio zertifiziert, und auf Assam erweitert; inzwischen erfolgt Aufforstung in Darjeeling und verschiedene soziale und nachhaltige Projekte werden in Assam vor Ort finanziert.
Ausbaufähig?
In der Tat! Das lang ersehnte Lieferkettengesetz hat nicht alle Hoffnungen erfüllt, deshalb sind Stimmen laut geworden, die Nachbesserungen gefordert haben. Nun gibt es neue Ansätze, um direkte Handelsbeziehungen zu fördern und die Wertschöpfung der Produkte in den Herkunftsländern zu steigern: Anstatt die Rohstoffe bei uns zu verarbeiten, werden sie vor Ort behandelt. Dies bedeutet keine Kinderarbeit, mehr Arbeitsplätze – vor allem für Frauen, mehr Qualifikation und Expertise, stabile Löhne, mehr Verhandlungen auf Augenhöhe, sprich: Mehr Chancen, aber auch mehr Verantwortungen, vor allem in Zeiten von Krisen. Man könnte sagen: Von Menschen zu Menschen, vom Bauer zum Verbraucher, eine Kette der gelebten Solidarität für eine gerechtere Welt, anstatt einer Kette der Abhängigkeit, die einen starken, bitteren Nachgeschmack von Kolonialismus hat.
Es geht schon anders
Schon vor dem Lieferkettengesetz hat fairafric, eine Münchner Firma, deren Motto ist: „Ändern wir die Art und Weise, wie wir denken, sprechen, produzieren, essen, konsumieren“, Schokolade in Ghana produziert, denn: „70% des weltweiten Kakaos stammt aus Afrika; weniger als 1% der weltweiten Schokolade wird in Afrika produziert.“ Für Christiane Lüst, Leiterin des Öko&Fair Zentrums in Gauting in Bayern, ist es eine klare Sache: „Das ist wirklich mit die fairste Schokolade und revolutioniert den gesamten Fairen Handel, weil nicht mehr nur die Kakaobohnen aus den Ländern geholt werden, sondern der Kakao auch gleich vor Ort in Ghana weiterverarbeitet wird und dort Arbeitsplätze und Einnahmen generiert. Perfekt! Wir freuen uns, dass wir so ein sinnvolles Projekt unterstützen dürfen und hoffen auf große Resonanz. Denn wie so oft haben Konsumenten es in der Hand, ob Kinder in Afrika als Arbeitssklaven ausgebeutet werden oder zur Schule gehen können.“
Und Angelique’s Finest aus Rwanda ist eine Frauenkooperative, die von deutschen Partnern zu Fair Trade-Schritten in der Kaffeeproduktion unterstützt wurde und sich nun der Fair Chain-Technologie bedient:
„Während Fairtrade in aller Munde ist und sich in unseren Supermärkten immer mehr etabliert, ist Fair Chain als Weiterentwicklung noch weitestgehend unbekannt. Der Kern des Fairtrade-Modells ist die Zahlung von Minimumpreise, die in der Regel aber nicht über dem Weltmarktniveau liegen und den Bäuerinnen und Bauern ein stabiles und existenzsicherndes Einkommen verschaffen sollen. Fair Chain greift diesen Gedanken auf und entwickelt ihn weiter. Ziel ist das Aufbrechen von Handelsbeziehungen, die auf dem kolonialen Erbe beruhen und die Schaffung einer nachhaltigen Partnerschaft auf Augenhöhe. Der gesamte Produktionsprozess wird in die Anbauländer bzw. in die Verantwortung der Erzeuger*innen im Ursprungsland verlegt. Somit verbleibt ein größerer Anteil der Kontrolle, Verantwortung und des Gewinns bei den Produzent*innen. Fair Chain ist sozusagen das notwendige Upgrade von Fairtrade und durch das Auslassen von Zwischenhändler*innen können die hochwertigen Produkte dem Kunden zu einem günstigeren Preis angeboten werden.“
Ein Zusammenschluss unter der Fittiche vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Laut INA, die Initiative für nachhaltige Lieferketten, lebten „2019 rund 632 Millionen Menschen nach wie vor in extremer Armut (unter 1,90 USD pro Tag). Insbesondere betroffen sind Menschen in ländlichen Gebieten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, die in der Landwirtschaft arbeiten. Die Einkommen und Löhne aus der Landwirtschaft sind meist so gering, dass viele Kleinbauernfamilien und Arbeiter*innen trotz ihrer harten Arbeit auf dem Feld weder in ihre Betriebe noch in Bildung oder eine gesunde Ernährung investieren können. Ein Leben in Würde bleibt ihnen meist verwehrt.
Nur durch existenzsichernde Einkommen und Löhne können extreme Armut und daraus resultierende Kinderarbeit langfristig bekämpft werden. Höhere Einkommen steigern zudem die Attraktivität des Landwirtschaftssektors und sichern die zukünftige weltweite Rohstoffversorgung.“
Neben den fairen Löhnen engagiert sich die INA für entwaldungsfreie Lieferketten und eine Rohstoffexpertise. Sie wirkt in Indonesien, Äthiopien, Kolumbien, Mosambik, Westafrika, Rwanda, bei der ICO (International Coffee Organisation), fördert transparente und faire Lieferketten mit INATrace.
Involviert ist die INA auch in einer gemeinsamen Selbstverpflichtung, die von der „Arbeitsgruppe des deutschen Einzelhandels zu existenzsichernden Einkommen“ unterzeichnet wurde. Laut Bundesentwicklungsminister Gerd Müller:
„Sieben große deutsche Einzelhandelsunternehmen bekennen sich zu existenzsichernden Einkommen in ihren Lieferketten. Es ist gut, dass im Lebensmittelhandel Bewegung ist. Das hätte vor kurzem noch keiner für möglich gehalten. Das zeigt auch, dass der Druck der Konsumenten wirkt.“
Selbstverständlich, oder? Eigentlich schon! Wie soll der morgendliche Kaffee noch schmecken, wenn wir wissen, was dahinter steckt? Wie soll das Fest der Liebe mit Schokoladepralinen gefeiert werden, wenn die Schachtel vor kleinen, leidenden Kinderhänden nur so wimmelt?