Es ist lehrreich bei der Beurteilung komplizierter Lagen Geschichtsbücher zu studieren. Nach der Entdeckung der „Neuen Welt“ strebten die großen Herrscherhäuser Europas danach, möglichst große Landgebiete in ihren Besitz zu bringen, wie zuvor in Afrika und Asien.
Nach 1492 gerieten Süd- und Mittelamerika unter Kontrolle Spaniens und Portugals. Die englische Königin forderte die Landnahme des noch nicht vollständig aufgeteilten Nordens des Kontinents. Die Zielmarken aller europäischer Eroberer aber waren schon aus dem Logbuch von Christoph Kolumbus zu erkennen. 141-mal erwähnte er in dem kleinen Buch das Wort Gold („Schiffstagebuch“ von Kolumbus, Reclam, Nr. 840).
Die aktuelle Frage lautet: Wie nutzt die USA Regierung ihre wirtschaftliche, wissenschaftliche und militärische Stärke zur Lösung gegenwärtiger Probleme im globalen Umfeld? Für eine Politik des „America first?“ oder der Egalité? Fraternité? Liberté? Also zu Gunsten der Humanität.
Nach der militärisch geführten siegreichen Revolution gegen das englische Königshaus, schöpfte die 1776 gegründete Republik ihre gegenwärtige Stärke aus 3 Hauptquellen:
1.) Die Startbedingungen für die wirtschaftlichen und finanziellen Bereiche der jungen Regierung waren relativ günstig, wenn auch die politische Situation durch die Revolutionskämpfe und Bürgerkriege zwischen den Nord- und Südstaaten zunächst schlecht war. Eine dauerhafte solide Finanzausstattung des Staatshaushaltes war aus der Reprivatisierung der 9,7 Millionen Quadratkilometer großen Landflächen zum Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse, mit Holzreichtum zum Bau von Siedlungen, vor allem mit ihren Bodenschätzen an Erzen und Erdöl gegeben. Die Vergabe von Konzessionen an Privatunternehmen (Verkehrswege, Eisenbahn, Holzgewinnung u.ä.) brachten gesicherte Einnahmen für den Staatshaushalt. Steuern mussten nicht mehr nach London überwiesen werden. Eine größere Kreditverschuldung des Staatshaushaltes, unter der die Monarchien Europas litten, wurde so vermieden. Die früheren Besitzer des Landes, die indigenen Ureinwohner, erhielten kaum Entschädigungen. Die Landnahmen ohne Entschädigung über die 13 Kolonien hinaus nach Süden, Westen, Norden, sowie der Kauf Alaskas von Russland (für 7,2 Millionen USD) vergrößerten die Einnahmen um ein Vielfaches. Ein Krieg gegen Mexiko 1846/1848 erweiterte die Fläche der USA um die Bundesstaaten Arizona, Kalifornien, Texas und anderer Gebiete. Gegenwärtig sind die USA flächenmäßig das viert größte Land der Welt. Mit der Monroe-Doktrin erklärten die USA Süd- und Mittelamerika zu ihrer Einflusszone und versuchten Europa von einer Durchdringung abzuhalten.
Für die wirtschaftliche Entwicklung der USA waren eigene Rohstoffe vorhanden und ein umfangreicher Absatzmarkt mit der angewachsenen Größe stand zur Verfügung. Zusatzgewinne für die Wirtschaft brachte der Einsatz von Sklaven aus Afrika und der Indianer, sowie der Einwanderer aus Lateinamerika in der Landwirtschaft, im Bergbau und in anderen Bereichen.
Das größte Plus für die junge Republik war die Einführung der bürgerlichen Ordnung mit der Gewinnlogik, die der feudalen Kameralistik, mit ihren anderen Verteilungsprinzipien des Mehrwerts bedeutend überlegen war.
Die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung der USA, ihre aktiv betriebene Teilnahme am internationalen Handel, haben über die Jahre dazu geführt, dass der Welthandel überwiegend auf der Grundlage des US-Dollars und des US-Bankensystems abgewickelt wurde. Die Staats- und Kreditverschuldungen lateinamerikanischer und europäischer Länder entwickelten sich zu einem Geschäftsmodell für die USA Banken, hin zu einem Dollarmonopol.
2.) Die USA waren von Anbeginn an ein Einwanderungsland. Die Besiedelung mit Einwanderern zunächst aus Europa erwies sich als eine zweite kräftige Wurzel zur Entwicklung des Landes. Es kamen willensstarke, von bürgerlichen libertären Auffassungen getragene, oft gut ausgebildete Menschen. Ein Teil mit politisch gegensätzlichen Haltungen zur feudal-klerikalen Monarchie ihrer Heimatländer. Ein weiterer Teil erhoffte sich neue Lebensgrundlagen zu schaffen und den schlechten Bedingungen in Europa zu entkommen (modern ausgedrückt: Wirtschaftsflüchtlinge). Das Wissen der Migranten ihr Ideenreichtum, ihre praktischen Erfahrungen wurden zu wertvollen Schätzen des jungen Landes.
In den Zeiten des Faschismus in Europa emigrierten verdienstvolle Wissenschaftler. Die Liste der Nobelpreisträger aller Disziplinen aus den USA mit ausländischem Hintergrund ist lang.
Der von den führenden Schichten selbst kultivierte Typ des Uncle Sam hat sich historisch mit ambivalenten Seiten herausgebildet. Der weiße Mann, der bis zur Gegenwart Schwierigkeiten hat, seinen Trieb zur Apartheid abzulegen, der die Ureinwohner in Reservate trieb und ihnen erst nach 233 Jahren mit dem Snyder-Gesetz 1924 den vollen Status eines Staatsbürgers einräumte („Indianer in den USA“, Steve Talbot). Aber auch einen weißen Mann, der die persönliche Freiheit vor der Freiheit Aller stellte. Der Männer und Frauen, wie Franklin Delano Roosevelt und seine Frau Eleanor Roosevelt hervorbrachte, die die Formierung der UNO nach dem 2. Weltkrieg vollbrachten und die die Regierungen der Welt überzeugten, eine Charta der universellen Menschenrechte zu unterzeichnen. Fähigkeiten, die 2022 zur Lösung des Ukrainekonfliktes dringend benötigt werden. Die grundsätzlichen Antriebe des Uncle Sam sind im Sezessionskrieg zwischen den südlichen und nördlichen Bundesstaaten (1861/1865) erkennbar („Länderbericht USA, Bundeszentrale für Politische Bildung, Band 357). Männer und Frauen der USA unterstützten die Werte des bürgerlichen gesellschaftlichen Fortschritts gegenüber der feudalen Ordnung. Die Bevölkerungsentwicklung der USA ist seit ihrer Gründung nur ungenau darstellbar. Die Ureinwohner wurden in den Statistiken nur vage erfasst. 1799 werden insgesamt 4 Millionen Einwohner ausgewiesen. 1814 etwa 8,5. 1956 schon 170. Die letzte Volkszählung ergab 331 Millionen Einwohner des Landes.
3.) Die militärische Kraft der USA hat sich mit den Gebietsvergrößerungen ständig erhöht und wurde zu einer tragenden Säule. Das Land beteiligte sich in Asien, dem pazifischen Raum an Landeroberungen. Die Staaten hielten sich aus der von England und Deutschland ausgehenden Neuaufteilung der Welt im großen Stil heraus, die zu den 1. und 2. Weltkriegen führte. Sie unterstützte erst nach einer Wartezeit die Allianzen zur Vernichtung der faschistischen Kräfte Deutschlands und Japans.
Zur eigenen weiteren Landnahme fremder Gebiete und zur Bekämpfung rebellierender Ureinwohner wurden vielfach Militärkräfte eingesetzt. Der Anthropologe Steve Talbot von der University of California, listet für das Territorium der USA 14 Völker der Ureinwohner auf. Seit 1851 hat die Regierung 12 militärische Strafexpeditionen ausgesandt, um Aufstände zu bekämpfen. Die Ureinwohner haben in ihrem Land nur noch einen unbedeutenden Platz.
Die junge Republik sammelte umfangreiche militärstrategische Erfahrungen und den Nutzen der Militärbereiche, aber auch die Vorteile frühzeitiger Kenntnisse über die Absichten von potenziellen Gegnern. In Lateinamerika (Nikaragua, Guatemala, Chile u.a.) aber auch in Zeiten des Kalten Krieges spielten die Aktivitäten des CIA eine unrühmliche Rolle (Merkel: „Zwischen Freunden geht so etwas nicht“). Die Regierung war für alle Sicherheitsfragen sensibilisiert, wie die Verfassung und viele Gesetze erkennen lassen und die jahrelangen Aktionen von Joseph McCarthy belegen.
So ist auch der ständig hohe Verteidigungshaushalt zu erklären. Die Unternehmen des Flugzeugbaus, der Herstellung von Kriegsschiffen, die Waffenproduzenten werden vorrangig mit Fördermitteln und Käufen aus dem Staatshaushalt bedacht. Die Haltung der Nordamerikaner zur persönlichen Waffe und die Freiheit, sie zu besitzen, findet in anderen Ländern kein positives Echo.
Die 1917 erfolgte Gründung eines anderen gesellschaftlichen Systems in Russland wurde als ein Sicherheitsproblem für die USA eingestuft. Die im März 1947 verkündete Doktrin des Präsidenten Truman legte die Gegenstrategie fest: „Aufhalten und Zurückdrängen“ (Containment-Politik). Sie ist die Geburtsurkunde des Kalten Krieges. Geschichtliche Zeugen sind der Korea- und Vietnamkrieg. Gewaltaktionen zur Verhinderung der Ausbreitung des neuen Systems in kolonial befreite Entwicklungsländer gehören dazu. Im gleichen Kontenblatt stehen der Putsch in Chile, der Überfall auf Grenada, die ständigen Waffenlieferungen an Taiwan. Nicht zu vergessen die vielen Sanktionsmaßnahmen gegen sozialorientierte Länder (Kuba, Venezuela, Länder des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW)). Die Doktrin ist noch nicht außer Kraft gesetzt.
Die Folgejahre nach dem Kalten Krieg ließen 1990 die Hoffnung wachsen, dass globale Kriege durch Vernunft getragene Vereinbarungen vermieden werden können. Vereinbarungen, die nicht den Keim neuer Konflikte enthalten. Die Werte beider Systeme unterscheiden sich ohnehin nur in Einzelbereichen, die aus der natürlichen Evolution herrühren.
Die kriegerischen Aktionen 2014 und 24.2.2022 Russlands in der Ukraine kamen nicht wie Unwetter über die Ukraine. Sie sind zu verurteilen, weil sie durch den Stand der Waffentechnik die Gefahr eines 3. heißen Weltkrieges in sich bergen. Das gleiche Gefahrenpotential brachte die Gegenseiten in früheren Jahren dazu, Verbots- und Abrüstungsvereinbarungen auf diplomatischen Wegen abzuschließen.
Nicht gut zu heißen ist die Position der USA, mit Krediten und Waffenlieferungen die Spannungen in der Ukraine zu erhöhen, etwa weil der Kampf „Out-of-area“ passiert. Gleichfalls bedenklich sind Maßnahmen, die die EU-Länder betreiben. Sie werden von möglichen Verschärfungen selbst getroffen. Die EU befindet sich in einer Region, in der schon geschossen und getötet wird. Eile tut not!
Ziel des Ukrainekonflikts sollte nicht die Kür eines Siegers sein, sondern neue Verhältnisse einer friedlichen Koexistenz schaffen. Den entscheidenden Schritt unternimmt immer der Stärkste der kämpfenden Seiten mit den Attributen der Moral und Toleranz.
Der Ukraine-Konflikt berührt die Frage des Überlebens. Die jahrhundertalte Fähigkeit humaner Vernunft ist gefordert, die Flammen des Krieges zu löschen, wie es auch gelingen wird, die Klimaveränderung für den Menschen beherrschbar zu gestalten.