Beim Justiz- und Innenminister*innenrat der EU wird heute darüber gesprochen, Menschen, die aus der Ukraine vertrieben wurden, den sogenannten „vorübergehenden Schutz“ zu gewähren. Dieser ist Teil der „Massenzustromsrichtlinie” von 2001 und wurde bislang noch nie angewendet. Die Menschenrechtsorganisation PRO ASYL plädiert dringend dafür, einen solchen vorrübergehenden Schutz zu gewähren, weist aber auch darauf hin, dass in dem Vorschlag der Europäischen Kommission eine Gruppe fehlt: Menschen, die sich schon vor dem russischen Angriff am 24. Februar 2022 in einem EU-Land aufhielten. Hier können die Mitgliedsstaaten aber eigenständig entscheiden, den Schutz auf diese Ukrainer*innen auszuweiten. Das sollte Deutschland dringend tun, fordert PRO ASYL.
Sehr besorgt ist PRO ASYL zudem über den Umgang mit Menschen aus anderen Staaten, die ebenso aus der Ukraine fliehen und dort zum Beispiel studiert oder gearbeitet haben. „Alle Menschen, die derzeit vor den russischen Angriffen in der Ukraine fliehen, brauchen schnell und unkomplizierten Schutz und Sicherheit, egal welchen Pass sie besitzen“, sagt Wiebke Judith, Rechtspolitische Referentin bei PRO ASYL. Der Schutz der Richtlinie soll aber nur zusätzlich für Menschen mit langfristigem Aufenthalt in der Ukraine gelten. Komplett ungeregelt wäre dann weiterhin die Situation für Personen mit kurzfristigem Aufenthalt in der Ukraine, die nun vor den Kampfhandlungen in EU-Länder wie Deutschland kommen.
Innenministerium muss Klarheit schaffen: Ausnahmevisa erteilen
Alle Menschen, die aus der Ukraine fliehen, machen in diesen Tagen Schreckliches durch. Zumindest aber können Ukrainer*innen visumsfrei einreisen. Es darf keine Kriminalisierung der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine geben – wie auch generell Flucht nie kriminalisiert werden sollte. Streng genommen ist die Einreise von Menschen mit anderer Staatsangehörigkeiten ohne Visum aber weiterhin rechtswidrig und die Unterstützung der Flucht nach Deutschland sogar strafbar. Hier sollte die Bundesinnenministerin Klarheit schaffen, dass es zu keiner Strafverfolgung kommen wird, und zudem die Bundespolizei anweisen, diesen Menschen Ausnahmevisa zu erteilen.
Denn für diejenigen ohne visumsfreie Einreise, die nicht unter den Schutz der Richtlinie fallen, muss es dringend eine Lösung geben. Sie müssen eine Verschnaufpause bekommen, in der sie sich ausruhen, neu orientieren und beraten lassen können. Solche Ausnahmevisa sind in Paragraf 14 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes vorgesehen.
Zum Hintergrund:
Der Vorschlag der Europäischen Kommission umfasst folgende Personengruppen:
• Ukrainische Staatsangehörige, die seit dem 24. Februar 2022 im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine vertrieben wurden.
• Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die ebenso seit dem 24. Februar 2022 aus der Ukraine fliehen mussten und die nicht in ihre Heimatländer zurück können. Hierzu können in der Ukraine als Flüchtlinge anerkannte Personen gehören und Personen, die zum Zeitpunkt des Angriffs in der Ukraine im Asylverfahren waren. Außerdem sollen auch Drittstaatsangehörige, die einen langfristigen Aufenthalt in der Ukraine hatten, von dem vorübergehenden Schutz umfasst werden.
• Familienmitglieder von Angehörigen dieser beiden Gruppen, wenn die Familie schon in der Ukraine bestand und unabhängig davon, ob die Angehörigen in ihre Heimatländer zurückkehren könnten. Zur Familie gehören Ehepartner*innen und unverheiratete Paare in langfristiger Beziehung, minderjährige Kinder sowie andere im Haushalt lebende Verwandte, die von der Hauptperson abhängig sind.
Die EU-Richtlinie ist in Deutschland in § 24 AufenthG umgesetzt. Der darin geregelte „vorübergehende Schutz“ eröffnet das Recht auf Arbeit, Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie das Recht auf Familiennachzug (im Laufe des Tages wird PRO ASYL weitere Informationen zum § 24 AufenthG auf der Homepage veröffentlichen).