Nicht, dass die Menschengemeinschaften keine Wegweiser und Werte für ihren Gang durch die Geschichte brauchen. Leitplanken werden benötigt. Die langen Zeitspannen einer Gesellschaftsordnung sind schwer zu überschauen.

Der Feudalismus musste als System ausgewechselt werden. Sein Absolutismus schränkte Überlebenskräfte der Gemeinschaft ein. Eine noch in den Anfängen befindliche Natur- und Wirtschaftswissenschaft vermochte Zusammenhänge nicht zu überblicken. Potenzen unfreier Bauern und Bürger schlummerten. 1789 wurden mit einer Revolution in Frankreich die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aller Mitglieder auf die Tagesordnung  gesetzt. Auch die Gründerväter der Vereinigten Staaten erkannten den Wert neuer Rechte, der Selbstbestimmung, der Freiheit als Stützpfeiler für kommende Zeiten. Der unbedachte Gebrauch der Freiheit darf jedoch nicht Dritten oder der Natur schaden. Eine erste Fehlerfalle.

Die weltweiten medialen Bemühungen richteten sich darauf, den nordamerikanischen  Weg, die amerikanische Lebensart als ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten weltweit als ein Nonplusultra zu preisen. Die wirtschaftliche Entwicklung der USA, ihr risikobereites Handeln und die Organisationstalente rufen auf den ersten Blick Hochachtung hervor, weniger das hegemoniale Bestreben der USA sowie ihr militärisches Engagement in vielen Teilen der Welt.

Der knapp 250-jährige geschichtliche Verlauf der Vereinigten Staaten Amerikas macht ständig wiederkehrende Ambivalenzen mit positiven und negativen Ereignissen sichtbar. Die Antwort auf die schwierige Eingangsfrage nach Konstruktionsfehlern könnte ein Spiegelbild zeigen, ob der Way of Life der USA eine dauerhafte Zukunftsalternative für die Länder der Welt sein könnte.

Der Spiegel zeigt Rebellionen mit Waffen gegen das englische Königshaus, auch wirtschaftliche Anfangsbedingungen mit der gewaltsamen Vertreibung der Ureinwohner und die Inbesitznahme des Bodens mit allen ihren Erz- und Erdölvorkommen ohne Bezahlung. Die Landwirtschaft und Bodenschätze wurden, wenn auch mühsam, doch kostengünstig zu volkswirtschaftlichen Kernfaktoren der USA. Das von Europa eingeführte Grundbuchrecht bahnte sich als Rechtsgrundlage seinen Weg, ohne die bisherigen indianischen Landbesitzer zu fragen. Zwangsumsiedlungen und das Leben in 264 Reservaten brachten Elend und Ungleichheit in das Land. Das System der Sklaverei in der beherrschenden Plantagenwirtschaft wurde beibehalten. Jegliche Selbstbestimmung wurde den Sklaven verweigert. Das führte zum Bürgerkrieg in den USA. Die freiheitlichen Ideen gingen in die Apartheit über. So sammelten sich weitere Fehler im amerikanischen Weg an.

Der Start der 13 englischen Kolonien an der Atlantikküste und ihre Umwandlung 1776/1783 in ein souveränes Land brachte die Loslösung vom feudalen System und eine wirtschaftliche Selbstbestimmung. Der gesellschaftliche Fortschritt in der Führung des Landes nahm seinen Lauf. Die Steuerabgaben mussten nicht mehr nach London transferiert werden. Der König bestimmte nicht mehr juristisch die Geschicke. Die republikanische Form mit getrennten Machtinstitutionen (Parlament, Regierung und Justiz) kam vor allem den weißen Einwanderern zugute. Die Wirtschaft erhielt positive Impulse durch eine ursprüngliche Akkumulation, die kostengünstig mit der gewaltsamen Übernahme des Landbesitzes der Ureinwohner organisiert wurde. Die Ureinwohner erhielten im neuen bürgerlichen Parlament keinen Sitz. Erst 1924 wurden sie mit den Snyder Gesetzen Staatsbürger der USA (Steve Talbot, Roots of Pression).

Die USA vergrößerten ihre Grundfläche durch die gewaltsame Eroberung weiterer Gebiete im Westen des Landes sowie durch die Zukäufe Floridas von Spanien und Alaskas von Russland. Ein Krieg gegen Mexiko 1846/1848 brachte annähernd die gegenwärtige Flächengröße. Kriegsgrund: Die Mexikaner hatten die Sklaverei verboten, die in der Plantagenwirtschaft der USA noch üblich war. Mexiko hatte die Bundesstaaten Kalifornien, Arkansas, Teile von New Mexiko und Texas an die USA dauerhaft abtreten müssen.

Das alles ist im Spiegel der Geschichte sichtbar und prägte Mentalitäten der Abgeordneten im Kongress und im Abgeordnetenhaus, aber auch in normalen Berufen.

Die englischen und europäischen Emigranten sind nicht als Krieger oder Räuber in die USA eingewandert. Gründe waren die wirtschaftlichen Miseren, die Unfreiheiten in ihren Heimatländern Irland, Schottland, England oder auch die Einengung der Glaubensausübung (Altkatholiken, Mormonen). Sie brachten Wissen und technologische Erfahrungen mit ihre neue Heimat. Antifeudale Freigeister mit den Ideen der Aufklärung, freisinnige Unternehmer und Politiker gehörten zur ersten Einwanderungswelle, wie im „Länderbericht USA“ der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 357 berichtet wird. Es waren Emigranten mit hoher Risikobereitschaft, die an erster Stelle an ihre eigenen Lebensgrundlagen dachten und die wenig Skrupel im Umgang mit den Indianergemeinschaften und den ehemaligen Sklaven Afrikas hatten (H. Forster, „Was ist ein Amerikaner“, Bibliothek des 18. Jahrhunderts).

Dank der vergrößerten Steuereinnahmen, der Nutzung des gewinnträchtigen weltweiten Kolonialsystems und der Monroe-Doktrin mit der Definition, dass Lateinamerika ihre Einflusssphäre sei, verfügten die USA über finanzielle Mittel für ihre Staatsaufgaben (Bildung, Gesundheit, Verkehrswege, Justizaufgaben, Sicherheit). Ein starker Militärbereich wurde aufgebaut, der wirkungsvoll zur Beendigung des 2. Weltkrieges in Europa und Asien beitrug. Das hegemoniale Bestreben der USA nahm seinen Anfang. Es wurde nach dem 2. Weltkrieg mit der Truman-Doktrin verstärkt, die die Ausbreitung des sozialistischen Systems aufhalten und zurückdrängen sollte. Vietnam, Korea, Guatemala und Kuba, sowie die sozialistischen Länder Europas wurden Aktionsgebiete im 40-jährigen Kalten Krieg. Die Doktrin gilt weiterhin. Die Veränderungen waren aber auch Ausdruck der Kompromissbereitschaft der russischen Regierung, zur Entspannung der Verhältnisse beizutragen. Belohnt wurde das von der USA nicht. Die Nato ist bis an die Grenzen Russlands vorgerückt.

Das Bild im Spiegel zeigt Eleonore Roosevelt und ihre Mitstreiter bei der Formulierung der Charta der Menschenrechte und der Formierung der UNO, die nach der Beendigung des Kolonialismus für die Eingliederung der Entwicklungsländer als gleichberechtigte Mitglieder der Weltgemeinschaft Großartiges geleistet hat. Die Aufgabe ist noch nicht beendet. Die US-Regierung empfand das als eine unnötige Last für den Staatshaushalt und hielt mehrmals die Zahlung ihrer Mitgliedsbeiträge an die UNO zurück. Kein Ruhmesblatt der USA-Regierung und des Way of Life war außerdem der Austritt aus dem Pariser Klimapakt.

Summa summarum: Die wirtschaftliche Stärke der USA resultiert aus der Nutzung günstiger innerer Faktoren, ohne Rücksicht auf Dritte. Nach ihrer eigenen Auffassung aus der Anwendung der unbeschränkten Freiheit zum Aufbau der Wirtschaftsmacht mit einem Dollarmonopol in der Weltwirtschaft. Die Ambivalenz der militärischen Stärke führte zum Sieg über den deutschen, italienischen und japanischen Faschismus in einer Allianz, der auch Russland mit einem alternativen Lebensweg angehörte. Sie führte aber auch zu zerstörerischen Kampfhandlungen in Vietnam, Korea, Irak und Libyen.

Da ist noch weiter die Frage der Demokratie und der Menschenrechte bei der Beurteilung des amerikanischen Way of Life zu bedenken. Bei einer groben Durchsicht des Verfassungstextes der USA von 17.9.1787 mit ihren VII Artikeln und den XXVII  Zusatzartikeln (Amendments) ist das Wort Demokratie nicht zu finden, übrigens auch kein Friedensgebot des Landes (R.H. Tenbrock, Außerdeutsche Verfassungen, Schöninghs). Bei der Verwirklichung der Menschenrechte sind Defizite bei ihrer Einführung in die USA oder der EU  festzustellen (Recht auf Leben, Recht auf Arbeit, Recht auf Selbstbestimmung).

Die Verfassung der USA befasst sich intensiv mit dem Wahlprocedere, der Machtbalancen im Dreieck zwischen dem Präsidenten, den gesonderten Rechten des Kongresses und des Abgeordnetenhauses.

2021/2022 wird die Weltgemeinschaft von Uncle Sams Enkeln in hoher Spannung gehalten.

Die Präsidentenwahl in den USA führte bei der Übergabe der Macht an den neuen Präsidenten zur Erstürmung des Kapitols durch neokonservative Kräfte Trumps. Die juristische Aufarbeitung ist noch nicht beendet. Die Erkenntnis, dass die Demokratie mit militärischen Mitteln nicht von außen verpflanzt werden kann, führte zum Abzug der NATO-Einheiten aus Afghanistan.

Die Oberschicht der USA muss ihr bisheriges Konzept eines „America first“ überdenken. Die Lage im wirtschaftlichen Wettbewerb hatte sich gegenüber der EU und der Volksrepublik China verschlechtert. Sanktionen verstärkt einzusetzen, wird von der Weltgemeinschaft kritisch gesehen. Die Konfrontationspolitik von Präsident Biden, Russland und die Volksrepublik China zu Hauptfeinden zu erklären, erhöhen die internationalen Spannungen. In das Problempaket ist die interne Staatsverschuldung der USA von aktuell 29,6 Billionen US-Dollar eingebunden. Diese hängt ursächlich mit dem militärisch-industriellen Komplex der USA zusammen, dem jährlich 4-5 % der Mittel des Staatshaushaltes zufließen.

Historische Betrachtungen dienen sinnvollerweise der öffentlichen Aufklärung und Meinungsbildung. Wirkungsvoller für das praktische Leben sind dagegen Alternativen, in der Form verbindlicher internationaler Vereinbarungen, um Differenzen zu verringern, wie sie Präsident Putin jüngst vorgeschlagen hat. Präsident Putin und sein Homologe Biden hatten nach ihrem Treffen am 16. Juni 2021 in Genf vereinbart, einen sachlichen Dialog über konkrete Punkte der strategischen Stabilität aufzunehmen.

Die Probleme: Putin drängt auf schriftliche Sicherheiten. Die Ergebnisse der 2+4 Gespräche 1990 in Moskau zur Einheit Deutschlands scheinen nicht klar genug dokumentiert zu sein. Nachfolgende verbale Verhandlungen, führten zur selbstbestimmten Auflösung der UdSSR, des Warschauer Paktes und des Rates der Gegenseitigen Wirtschaftshilfe. Russische Kompromissbereitschaft ist gegeben. Internationale Verhandlungen leiden unter Strategien des Pokers, ohne Fixierung der Punkte (wie Gorbatschow nachträglich das Vorrücken der NATO beklagte), unter Differenzen in den Bemessungsmethoden sowie unter nicht ausreichender Beachtung der Wirkungen von Vereinbarungen in den Folgezeiten (Handbuch der internationalen Politik, UTB Verlag).

Die öffentlichen Aussagen Präsident Bidens im 2. Halbjahr 2021 auf dem G7-Gipfel in Cromwell sowie die Folgetreffen der NATO und der EU in Brüssel bekräftigten dagegen die Haltung der USA, ihre Rolle als Hegemon der Weltgemeinschaft beizubehalten. Die UNO spielt in Bidens Gedanken kaum eine Rolle für die Lösung von Weltproblemen.

In einem Telefongespräch am 30.12. 2021 haben beide Präsidenten nochmals den Verhandlungsweg bekräftigt (M. Maier, BLZ 3. 1. 2022). In der ersten Januarwoche begannen auch erste Gespräche per Telefon zwischen Biden und dem ukrainischen Präsidenten, sowie in Moskau mit einer deutsch/französischen Teilnahme.

Bedauerlich ist, dass im internationalen Kanon der Werte die Humanität, die Moral und die Toleranz  im Ranking nicht eine höhere Stelle einnehmen.


Der Autor Günter Buhlke, ehem. Mitarbeiter der Staatlichen Plankommission und ehem. Leiter des Schweizer Instituts für Betriebsökonomie, beschreibt in seinem neuen Buch „Hat die Welt eine Zukunft?“, erschienen beim Verlag am Park, ISBN 978-3-947094-79-0, Alternativen der Planung in einer humanen Welt.

Es wird im Schwerpunkt digital von Amazon, Thalia u.a. als E-Buch angeboten und kann zum Erwerb in jeder Buchhandlung unter dem Titel oder ISBN 978-3-947094-79-0 bestellt werden.

Hat die Welt eine Zukunft?