Durchwachsene Bilanz von vier Jahren Schwarz-Rot: Wichtige Aufgaben für nächste Koalition
Lobby- und Korruptionsskandale haben der Demokratie in dieser Legislaturperiode schweren Schaden zugefügt. Insbesondere die Maskenaffäre und die Aserbaidschan-Verstrickungen in der Union haben gezeigt, wie nötig schärfere Regeln für mehr Lobbytransparenz und Integrität in der Politik sind. Unter dem Druck der Skandale ist die Große Koalition immerhin wichtige Schritte in diese Richtung gegangen. Zu diesem Befund kommt der heute vorgestellte Lobbyreport 2021 von LobbyControl. Der Bericht bewertet die Politik in fünf Bereichen wie Parteienfinanzierung, Lobbytransparenz oder Abgeordnetenregeln. Das Resultat ist nach wie vor ausbaufähig: Nach der Einführung eines Lobbyregisters und deutlich strengeren Abgeordnetenregeln besteht der größte Handlungsbedarf bei der Transparenz über Lobbyeinflüsse auf die Gesetzgebung und der Parteienfinanzierung.
„Masken- und Aserbaidschan-Affäre, Wirecard, Amthor – Lobbyskandale wie in dieser Wahlperiode dürfen sich nicht wiederholen. Sie haben uns erneut vor Augen geführt, wie schädlich einseitige und intransparente Einflussnahme und Verflechtungen zwischen Politik und starken Unternehmensinteressen sein können. Es ist gut, dass wichtige und lang anstehende Reformen mit der Einführung des Lobbyregisters und strengeren Regeln für Abgeordnete erfolgt sind. Doch das reicht nicht aus: Insbesondere die Union hat weitere notwendige Schritte blockiert: Wir brauchen eine Lobby-Fußspur für Gesetze und eine grundlegende Reform der Parteienfinanzierung“, sagt Timo Lange von LobbyControl, Autor des Lobbyreports.
Regeln alleine reichen nicht
„Gute Lobby- und Transparenzregeln sind dringend nötig, aber das alleine reicht nicht. Wir brauchen eine lobbykritische statt eine lobbyhörige Politik. Die nächste Koalition muss auf Distanz zu den ohnehin Einflussreichen achten, Transparenz und Integrität groß schreiben und breite, ausgewogene Beteiligung sicherstellen. Nur so kann verlorengegangenes Vertrauen in eine gemeinwohlorientierte Politik zurückgewonnen werden und die großen Herausforderungen, etwa die Klimakrise, angegangen werden“, sagt Imke Dierßen, politische Geschäftsführerin von LobbyControl. „Das muss sich neben guten Regeln in einer politischen Kultur und klaren Haltung spiegeln, insbesondere bei den Unionsparteien sehen wir hier noch großen Nachholbedarf. So sitzt mit dem ‚Wirtschaftsrat der CDU‘ ein Lobbyverband dauerhaft mit im Parteivorstand, das geht so nicht.“
Die Klimakrise und die Bewältigung der Corona-Pandemie sind gesamtgesellschaftliche Herausforderungen von ungekannter Tragweite. Politik und Verwaltung werden an ihnen scheitern, wenn sie kein starkes Rückgrat gegenüber den Vertreter:innen privilegierter und oft kurzfristiger ökonomischer Interessen entwickeln, so LobbyControl. Transparenz, Unabhängigkeit und Beteiligung benachteiligter Interessen müssen als nützliche und wertvolle Ressourcen zur Krisenbewältigung begriffen werden, statt als Belastung.
Pflichtenheft für die nächste Koalition ist gefüllt
„Es ist sehr bedauerlich, dass die Einführung einer Lobby-Fußspur für Gesetze letztlich am Widerstand aus dem Kanzleramt gescheitert ist. Immerhin gilt das neue Lobbyregister nun auch für die Bundesregierung, aber sie und ihre Ministerien müssen dringend transparenter werden. Lobbytreffen von Regierungsmitgliedern müssen veröffentlicht werden, die EU-Kommission macht es vor, und Einflussnahme auf Gesetze muss dokumentiert werden“, fordert Timo Lange. „Wir erleben zudem in diesem Jahr einen Rekord an Großspenden im Wahlkampf. Die Union hat hier eine Reform verhindert, obwohl die Regelungslücken bei der Parteienfinanzierung seit Jahren bekannt sind. Ein Deckel für Parteispenden würde Einflusschancen gerechter verteilen. Das Parteisponsoring ist immer noch weitgehend ungeregelt.“