Im Rahmen eines WHO-Aktionsplans verpflichtete sich Deutschland, die Zahl der Selbstmorde bis zum Jahr 2020 um zehn Prozent zu reduzieren. Dieses Ziel hat die Bundesrepublik laut den kürzlich veröffentlichten Zahlen erreicht.
Jeder einzelne Suizid ist eine schreckliche Tragödie. Eine Schreckenstat, die Angehörige in Mark und Bein trifft und zumeist niemals überwinden. Einige Boulevardmedien romantisieren solche Geschehnisse gern und pressen sie mit Vorliebe in die Dramaturgie eines Repertoirestücks mit unausweichlichem Ende. Die Realität sieht anders aus: Neun von zehn Selbstmorden sind nichts anderes als die Folge seelischer Erkrankungen, zumeist einer Depression. Eine Folge, die durch eine rechtzeitige Behandlung hätte vermieden werden können. Die Betonung liegt dabei auf ‚rechtzeitig‘. Nur wenn es für Betroffene genügend Anlaufstellen gibt, die schnell und kompetent helfen können, lassen sich solche Verzweiflungstaten abwenden.
Wie wirkungsvoll der Ausbau solcher Angebote ist, sah man in der Zeit zwischen 1980ern und den frühen 2000er-Jahren. In den 80er-Jahren ereigneten sich im damals noch nicht wiedervereinigten Deutschland teilweise mehr als 18.000 Selbstmorde pro Jahr. Durch staatlich Projekte, beispielsweise dem ‚Kompetenznetz Depression, Suizidalität‘, aus der später die ‚Stiftung Deutsche Depressionshilfe‚ hervorging, und dem Ausbau der Telefonseelsorge besserte sich die Situation deutlich. Im Lauf der Nullerjahre pendelte sich die Zahl der Selbsttötungen schließlich bei rund 10.000 Fällen pro Jahr ein. Experten mahnten, dass die Zahlen langfristig wieder steigen werden, wenn nicht weiterhin in Präventionsmaßnahmen investiert wird. Doch in den folgenden Jahren unternahm der Staat nur wenig, um bestehende Angebote auszubauen oder zu erweitern.
Das sollte sich im Mai 2013 ändern, als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf ihrer Jahressitzung den Aktionsplan für psychische Gesundheit verabschiedete. Darin verpflichten sich die Mitgliedsstaaten, ihre Präventionsarbeit erheblich auszuweiten und Zahl der Selbstmorde deutlich zu reduzieren: Bis zum Jahr 2020 sollte die Suizidzahl um zehn Prozent gesenkt werden. Und dieser Verpflichtung ließ die Bundesrepublik auch große Taten folgen. In den folgenden Jahren investierte das Bundesministerium für Gesundheit mehrere Millionen in verschiedene Präventionsprogramme, darunter das Frankfurter Programm zur Prävention von Suiziden mittels evidenzbasierten Maßnahmen (FraPPE) und das Online-Programm 8Leben.
In seiner Pressemitteilung vom 8. Juli gab das Statistische Bundesamt nun die vorläufige Gesamtzahl der Suizide für das Zieljahr bekannt. Und die ist durchaus ermutigend. Nach Angabe der Wiesbadener Behörde ereigneten sich 2020 insgesamt 8.565 Selbstmorde, rund 500 weniger als im Vorjahr. Damit hat Deutschland seine Selbstverpflichtung nicht nur eingehalten, sondern weit übertroffen und einen neuen historischen Tiefstand erreicht. Das ist ohne Frage ein wichtiger Meilenstein in der Suizidprävention. Der Wert bedeutet jedoch auch, dass sich mehr als 23 Menschen pro Tag das Leben nahmen. Und das ist immer noch erschreckend viel.
Sollten Sie oder ein Mensch in Ihrem Umfeld Suizid-Gedanken haben, suchen Sie bitte sich so schnell wie möglich Hilfe. Schnelle und unkomplizierte Unterstützung erhalten Sie jederzeit kostenlos bei der TelefonSeelsorge, die unter folgenden Telefonnummern erreichbar ist:
Deutschland:
- Telefonseelsorge: 0800-1110111 (evangelisch) oder 0800-1110222 (katholisch)
- FraPPE Notfallhotline: 069 – 630 13 113
Liechtenstein:
- Die Dargebotene Hand: 143
Schweiz:
- Die Dargebotene Hand: 143
- Angst- und Panikhilfe: 0848 80 11 09
Österreich:
- Die Dargebotene Hand: 142