Die Wahlen am vergangenen Wochenende waren ein harter Schlag für die Traditionsparteien in Chile. Das regierende Rechtsbündnis Vamos por Chile erreichte weniger als das für ein Vetorecht notwendige Drittel der Sitze im neuen Verfassungskonvent. Auch bei den zeitgleich abgehaltenen Kommunal- und Gouverneurswahlen erlitt die Rechte harte Niederlagen und verlor wichtige Kommunen wie Santiago und Viña del Mar.
Chiles Präsident Sebastián Piñera bezeichnete die Ergebnisse als „klare und lautstarke Botschaft an die Regierung und alle traditionellen politischen Kräfte“. Man sei nicht ausreichend auf die Forderungen und Wünsche der Bürger*innen eingegangen, räumte er nach der Wahl ein. Es sei nun Aufgabe der Regierung, „mit Demut und Aufmerksamkeit die Stimme der Menschen zu hören“, Bedürfnisse zu erkennen und besser darauf einzugehen. Die Koalition habe eine Reihe von Fehlern begangen, die die Wahl beeinflusst hätten, sagte auch Mario Desbordes, der Ende des Jahres als Präsidentschaftskandidat für Piñeras Partei Renovación Nacional antritt. Er kündigte eine weitere Untersuchung der Ursachen für die Niederlage an.
Linksbündnis Apruebo Dignidad wird zweitstärkste Kraft
Wie die chilenische Wahlbehörde nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen mitteilte, erhielt das Rechtsbündnis Vamos por Chile 37 von 155 Mandaten, das Linksbündnis Apruebo Dignidad wurde entgegen der Prognosen mit 28 Mandaten zweitstärkste Kraft. Das ehemalige Mitte-Links-Regierungsbündnis Concertación, das unter dem Namen Lista del Apruebo angetreten war, erhielt 25 Mandate, während unabhängige Kandidat*innen mit 65 Mandaten mehr als ein Drittel der Sitze gewannen.
Das Bündnis Apruebo Dignidad habe gezeigt, dass es das Vertrauen der Bevölkerung habe, um zu regieren, sagte Giorgio Jackson, Abgeordneter der Partei Revolución Democrática. Auch der Vorsitzende der kommunistischen Partei, Guillermo Teillier, lobte den Erfolg des Bündnisses, das nun „zweitgrößter Block in Chile“ wäre.
Mit Irací Hassler setzte sich bei den Kommunalwahlen in der Hauptstadt Santiago außerdem eine Kommunistin gegen Felipe Alessandri von der rechten Renovación Nacional durch. Sie hoffe, die Ergebnisse in Santiago seien ein Vorgeschmack auf die politische Entwicklung im ganzen Land, sagte Hassler, „damit nie wieder die Rechten gegen unsere Nachbar*innen regieren“.
Erfolge für unabhängige Kandidat*innen
Auch bei den Kommunalwahlen schlug sich der Erfolg der unabhängigen Kandidat*innen nieder: In mindestens 106 Kommunen gewannen Personen, die nicht zu den traditionellen Parteien gehören, unter anderem in den Städten Antofagasta und Coquimbo im Norden des Landes und in San Miguel in der Metropolregion Santiago.
Der nun gewählte Verfassungskonvent soll die Verfassung aus dem Jahr 1980, die während der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet ausgearbeitet worden war, durch eine neue ersetzen. Mit 78 Männern und 77 Frauen ist der Verfassungskonvent paritätisch besetzt, 17 Sitze stehen außerdem Vertreter*innen der Indigenen zu.
An den Wahlen nahmen nach Angaben der chilenischen Wahlbehörde nur 43,3 Prozent der Bevölkerung teil. Seit 2012, als die Wahlpflicht abgeschafft wurde, stimmten nur bei einer einzigen Wahl knapp mehr als 50 Prozent der Chilen*innen ab – bei dem Plebiszit im Oktober 2020, als für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung gestimmt wurde.