Kultur erweitert unsere Grenzen. Sie ist eine Revolution – und das in jedem Augenblick.
Kunst und intellektuelle Kultur, die sich gegenseitig ergänzen, bilden mit dem Sozialen, dem „Zusammenleben“ ein untrennbares Ganzes, das unsere Fantasie anspricht – unser Herz wie unseren Kopf. Sie stellt unsere Überzeugungen, unsere Ängste, unser Wissen, unsere Werte, unsere Zweifel, die Welt, in der wir leben, und den Menschen, der wir in dieser Gesellschaft sind, in Frage – sie kitzelt und reizt. Weit darüber hinaus trägt sie uns, drängt uns in die Zukunft. Sie schwingt in jedem von uns, um sich im Außen auszudrücken, und kommt zu uns zurück, angereichert mit Gefühlen, Entdeckungen, Begegnungen, einer gemeinsamen Erfahrung, gemeinsam und individuell. Sie wird erfunden und weitergegeben.
Sie gehört nicht den Finanziers, nicht dem Staat, nicht den Quoten, nicht den Intellektuellen, nicht denen, die zu wissen glauben. Sie ist nicht einer Elite vorbehalten, man muss nicht älter als zweiundfünfzig sein, um sie zu verstehen und sie zu fühlen. Sie ist nicht schwülstig, sie ist nicht traurig, kalt und begrifflich, sie kann uns sowohl zum Lachen als auch zum Weinen bringen, vor Rührung oder Traurigkeit, sie ist kein leeres Ding, sie ist keine einfache Ablenkung oder Muße.
Es ist gut, Spaß zu haben, ein Hobby zu haben, aber das sollte ganz einfach nicht mit Kultur verwechselt werden. Sie ist nicht für jeden da. Sie ist du, ich, wir – sie ist unsere Erfahrungen, die Straße, sie ist das Leben und das, was wir damit machen.
Kultur – künstlerisch-intellektuell-sozial, essenziell für den Entwicklungsprozess – ist keine Ware, schon gar nicht anekdotisch, festgelegt oder etwas Externes; sie ist der Atem der Zukunft, essenziell für jeden, um die Welt zu lieben, um uns zu lieben. Sie kommt, um in uns unsere Sensibilität, unsere Sanftheit, unsere Träume, unser Wohlwollen, unsere Sehnsucht nach Licht zu suchen, um ein persönliches oder soziales Verständnis zu ermöglichen, indem sie uns lehrt, auf das zu schauen, was in einem selbst und im anderen gut ist, aber auch auf das, was wir in uns und in unserer Welt nicht sehen möchten. Sie ist unserer Zeit eine Nanosekunde voraus, wenn das Sinn macht.
Kultur erweitert unsere Grenzen. Sie ist eine Revolution – und das in jedem Augenblick.
Das „Project Caravan“ mit seiner Arbeit, seiner Forschung, seiner Reise zu den anderen bringt genau diese Dimension zum Vorschein. Die Initiatoren teilen mit uns ihre Fragen, ihre Erfahrungen und den Sinn ihrer Arbeit.
Interview
Alexandra Saliba: Wir – „Project Caravan“ – sind ein Kollektiv von Filmwissenschaftlern und Künstlern. Wir haben uns 2011 auf eine Reise begeben, um über bisher unbekannte, menschliche Schicksale zu erzählen. Dabei sind wir mit einem Wohnwagen durch ganz Griechenland gereist. Vor allem durch Filme und Fotografien begannen wir, diese Begegnungen zu dokumentieren. Wir wollten diese inspirierenden und motivierenden Geschichten erhalten und verbreiten. Sie können einen anderen Blick auf unser Land in der Krise werfen.
Wir wollten Menschen finden, die ihre eigenen Werte haben, die versuchen, ihr Leben zu verändern, die versuchen, die Welt innerhalb ihrer Gemeinschaft zu verändern, Menschen, die noch wissen, wie man liebt, die aufrichtig sind und die irgendwie revolutionär sind. in Bezug auf die Kreativität, natürlich.
Ricardo Arias: Ist dieses Projekt eure Antwort auf die Krise?
Stratis Vogiatzis: Natürlich mussten wir einen Weg finden, um auf das zu reagieren, was in unserem Land passiert. Wir dachten, der beste Weg, das zu tun, ist, als Künstler und als Menschen, die sich dafür interessieren, was um sie herum passiert, da rauszugehen und Geschichten zu sammeln.
Wie Alexandra bereits erzählt hat, können Menschen durch ihr eigenes Leben und ihre Aktionen andere inspirieren und motivieren, in die Welt hinauszugehen, auszudrücken, was sie fühlen und in gewisser Weise selbst aktiv zu werden.
Also wollten wir diese Geschichten dokumentieren. Wir hielten das Teilen von Erfahrungen für eine revolutionäre Taktik. Und deshalb haben wir, nachdem wir einige Geschichten dokumentiert hatten, angefangen, sie Schulen, Universitäten und Gefängnissen zu zeigen und zu teilen. Und jedes Mal war es eine soziale Erfahrung, die dort stattfand. Denn die Menschen hatten das Bedürfnis, anderen nahe zu sein, zu träumen, kreativ Widerstand zu leisten, ihren eigenen Weg im Leben zu gehen.
Wir fühlten, dass es das Richtige war, in diesen turbulenten Zeiten.
Ricardo Arias: Was sind die Veränderungen, die all diese Aktionen bei euch hervorbringen?
S V: „Project Caravan“ ist nicht nur ein Projekt, es ist ein Lebensstil. Weißt Du, es ist eine Art, die Welt zu betrachten und dem Rhythmus, der um uns herum existiert, irgendwie nahe zu sein. Was wir da machen, ist nicht nur die Kamera mit dem Blick eines Beobachters zu führen. Da ist das Leben der Person, da ist das Leben der Gemeinschaft. Wir sind also ein Teil davon. Wir versuchen, ein Teil des Lebens der Person zu sein, die wir dokumentieren. Und dann machen wir einen Dokumentarfilm über ihn oder das Leben einer Gemeinschaft.
Ich denke also, das beeinflusst uns tief, beeinflusst die Dinge, die wir erleben und die Menschen, die wir getroffen haben. Und ich denke, sie werden nach unserer gemeinsamen Zeit Teil unserer großen Familie. Und natürlich sind wir nach der Erfahrung nicht mehr die Gleichen.
Unser Dokumentarfilm ist keine Reportage. Weißt Du, es ist sozusagen das Resultat einer Begegnung zwischen zwei Welten, die tief miteinander verstrickt sind. Diese Erfahrung hat auch uns als Menschen verändert.
A S: Ich denke, das ist ganz wichtig, vor allem in der zweiten Projektphase unserer Reise durch Griechenland und auch bzgl. uns. Wir haben uns vorgenommen, die Geschichten, die wir gesammelt haben, zu präsentieren, indem wir einen Raum schufen, mit zwei Zelten, und einen Monat lang in einer griechischen Stadt campten. Wir wollten damit Menschen einladen, zu kommen und die andere Welt kennenzulernen, über die wir in unseren Geschichten erzählen. Und ich denke, wir haben erkannt, dass dies ein sehr dynamisches Gefühl ist, das wir in die zweite Phase unserer Reise mitnehmen.
Wir haben die Macht von Geschichten gespürt, wir haben erkannt, dass Geschichten, diese Art von Geschichten, die wir in den Massenmedien, den Mainstream-Medien nicht hören, die Macht haben, die Seelen und Herzen der Menschen zu wecken. Und das ist sehr wichtig, denn wir haben erkannt, dass Geschichten als Katalysatoren für sozialen Wandel wirken können, vielleicht sogar zu sehr! Und das hört sich sehr groß an, aber das haben wir durch unsere Reise und durch unsere Interaktion mit den lokalen Gemeinschaften und Menschen erreicht.
GN: Hat diese Erfahrung vier Jahre lang mit Menschen zu leben, euren Blick auf die Zukunft verändert?
S V: Ich kann nicht für alle sprechen, nur für mich selbst. Die Menschen, die wir getroffen haben, und das, was in den letzten fünf Jahren im Wohnwagen passiert ist, hat das Gefühl, das ich vorher schon hatte, nur noch verstärkt: Weißt Du, man muss kämpfen, so auch wie auch das Leben ein Kampf ist.
Ich meine, für das, woran man glaubt, für das andere Ende eines Kampfes, um auch zu sich zu kommen, ich kämpfe mit … ist der falsche Ausdruck im Englischen. Aber egal, ein Kampf, für den man kämpft. Ich denke auch, dass unter den Menschen, die wir gefilmt haben, gesellschaftliche Aussteiger waren. Sie hatten nicht den Luxus, Nutznießer der Gesellschaft zu sein, weißt du.
Und wenn es ein inneres Band gibt, das uns mit ihnen verbindet, dann ist es unsere Pflicht, wegen der Schwierigkeiten, die sie umgeben, nicht loszulassen, sich ihrer Haltung nicht zu widersetzen, sich nicht zu beugen und nicht zu kapitulieren, egal wie die Umstände sind, die schwierigen Umstände, die sie umgeben.
Diese eine wertvolle Sache, die ich für das Wertvollste halte, worüber wir mit unserem Projekt aufmerksam machen wollen, ist Würde.
GN: In ein paar Worten, warum habt ihr euch mit uns getroffen?
S V: Weil wir glauben, das, was wir tun, kann für andere eine Bedeutung haben. Und weil wir irgendwie, wie Alexandra bereits sagte, die Bedeutung menschlicher Schicksale verbreiten wollen. Durch das, was wir tun, die Menschen und Sichtweisen, die wir dokumentiert haben, können andere inspiriert oder mobilisiert werden; und vielleicht können wir damit helfen.
Documentaire Interactif Grèce : ζω… Je vis !
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anita Köbler vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!