Kriege durchlaufen stets zwei Phasen: Eine längere, kalte zur Vorbereitung, sowie zur Einschätzung der Gewinnchancen, und danach kommt die Zeit der heißen und tödlichen Auseinandersetzungen.
Die Dauer der Kriege kann je nach Tiefe der Differenzen unterschiedlich sein. Gelegentlich stellt sich nachträglich humane Vernunft ein. Der zwischen England und Frankreich im Mittelalter geführte Krieg brauchte 116 Jahre, der zwischen den katholischen und lutheranischen Herrschern Europas 30 Jahre bis zur Unterzeichnung des westfälischen Friedensvertrags in Münster.
Die Vorbereitungsphase des dritten Weltkrieges zweier „Weltenlager“, begann im Jahr 1948/1949, mit der Verkündung der Truman Doktrin und der Bildung eines sozialistischen Lagers. Ziel der Doktrin: Den Sozialismus aufzuhalten und zurückzudrängen. Es ist eine Auseinandersetzung, um evolutionäre, humanistische, gesellschaftliche Veränderungen aufzuhalten. Das sozialistische Lager hat im Verlauf der Jahre bedeutende Bevölkerungsanteile der Welt erreicht (einige wieder verloren) und verwaltet gegenwärtig große Landflächen.
Die Kennzeichen der ersten Phase sind materielle Aufrüstungen der Streitkräfte, finanzielle Ausstattungen des Militäretats aus Haushaltsmitteln, interne Übungen der Streitkräfte, sowie Manöver bis an die Grenze des Gegners. Zur ersten Phase gehört auch die mentale Vorbereitung der eigenen Bevölkerung. Ein Feindbild wird aufgebaut, die mediale Diskreditierung des Gegners gehört dazu. Argumente zur Führung eines Krieges werden zusammengetragen und medial verbreitet.
Die gegenwärtige Welt befindet sich in der kalten Phase eines großen Krieges (und in mehreren lokalen heißen Stellvertreter-Kriegen). Beide Kontrahenten sind hochgerüstet. Der Kern der Differenzen ist der Besitzstand am produktiven Eigentum und er liegt in der Entscheidungshoheit, wozu es dienen soll. Die USA sehen als hauptsächliche Feindbilder China und Russland. Die amerikanischen Präsidenten, auch der neugewählte Joe Biden, glaubt an Marktgerechtigkeit privat geführter Unternehmen, ausgestattet mit allen Freiheiten des Handelns, mit freiem Zugriff auf Rohstoffe, sowie an die repräsentative Demokratie ihres Zuschnitts. Die Behebung der negativen Folgen der Handlungen der privaten Wirtschaft sei Aufgabe des Staates. Die Antipoden China und Russland betrachten die humane Sozialgerechtigkeit mit zentraler Planung/Steuerung der großen Wirtschaftsproportionen und Beachtung der sozial-ökologischen Folgen, sowie die partizipative Demokratie als ein evolutionäres Erfordernis der menschlichen Entwicklung. Die Wirtschaft wird von staatlich/kommunalen, genossenschaftlichen und privaten Unternehmen im Rahmen einheitlicher Gesetzesregeln organisiert.
Die alles bewegende Frage lautet? Wer bewahrt mit Vernunft den Frieden und trägt die humane Verantwortung?
Dem heutigen Wähler ist nicht bewusst, dass ein Krieg Gesetze außer Kraft setzt und das Parlament stilllegt. Notstandsgesetze sind schon vorbereitet. Bisherige Einschränkungen der Gesetzeslage zur Bekämpfung des CORONA-Virus gehört zu kleinen Übungen im Rahmen des Grundgesetzes.
Das Problem des konservativen Verteidigers, der sein System mit Sanktionen und mit militärischen Mitteln erhalten will, hat im 21. Jahrhundert eine geopolitische Zäsur bekommen: Seit Ende des zweiten Weltkrieges hat die Entwicklung der Atomwaffen auf beiden Seiten einen Stand erreicht, der ihre Anwendung die Welt mehrfach zerstören könnte; den Angreifer auch. Wer sie als erstes einsetzt, geht als zweiter unter. Ein Weltkrieg mit Atomwaffen ist nicht durchführbar. Die Pattsituation bestimmt die Geopolitik eines großen Krieges. Dazu kommt, dass das kommende 21. Jahrhundert alle Kräfte der Welt erfordert, um künftige Klimakatastrophen zu verhindern oder deren weltweiten Folgen einzudämmen. Mögliche weitere Epidemien schließen Wissenschaftler nicht aus.
Politikwissenschaftler suchten bisher Antworten zu Fragen Krieg oder Frieden im Hauptwerk des Aufklärers Hugo Grotius (1583/1645) „Vom Recht des Krieges und des Friedens“. Seit dieser Zeit wird ein akademischer Streit um die Sache geführt. Was oft übersehen wurde, war die humane Vernunft, die Grotius als wesentlichen Entscheidungspunkt darüber benannte, ob Kriege auch gerecht sein können.
So lange das Menschenrecht auf Leben und die Verfassungspflicht zum Erhalt des Friedens im praktischen Leben noch keine individuell einklagbarer Rechte geworden sind, sollte die Friedenspolitik wehrhaft bleiben.
In Deutschland wird die Friedenspolitik vor allen von der Partei der Linken entsprechend ihrem Programm betrieben. Sie lehnt Maßnahmen, die zum Krieg führen können, bereits für die Vorbereitungsphase ab. Die christlichen Parteien halten sich den Krieg als Option offen und richten ihre parlamentarischen Handlungen, wie Auslandseinsätze, Erhöhung des Verteidigungsetats, Bewaffnung von Drohnen darauf aus. Die Rituale der Feindbilder der USA werden unterstützt.
Mehr noch: Die Zahlen des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI und des Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung klagen Deutschland an, mit den Rüstungsexporten die Spannungen anzuheizen. Die Strategie der NATO wird als Reflex auf die chinesischen und russischen militärischen Entwicklungen erklärt (Berliner Zeitung 2.12.2020). Der Antrittsbesuch des neuen Außenministers Antony Blinken in Brüssel am 23. März 2020, zeitgleich mit Sanktionen der EU gegen China, brachte keine Signale zur Friedenssicherung. Auch nicht Blinkens Botschaft, zur Beibehaltung der Position zum Bau der Erdgasleitung Nord Stream 2. Die zeugt eher vom Marktradikalismus der westlichen Welt.
Die einseitig aufgestellten Feindbilder haben tiefere Ursachen als nur die von Russland und China praktizierte soziale Gerechtigkeit: Es geht um die Einschränkung der Freiheiten der Wirtschaft, um die Nutzung Absatzmärkte des Gegners nach eigenen Regeln und die Verwertung der Rohstoffe zum eigenen Vorteil. Es geht um die andere Verteilung der Ergebnisse der Wertschöpfung. Diese Differenzen sind Ursachen, die schon Anlässe des I. und II. Weltkrieges waren.
Dass die gesellschaftliche Evolution neue Formen des Zusammenlebens hervorbringt, die Art der Verteilung anders regelt und Wege selbstbestimmt gegangen werden, wird von den westlichen Industrieländern nicht akzeptiert. Die G7 haben wohl auch die Furcht, dass die neuen, ehemals kolonial abhängigen Länder Afrikas, Lateinamerikas und Asiens dem Beispiel Chinas und Russlands folgen könnten, was in einigen Fällen bereits geschehen ist. Versuche, ähnliche Entwicklungen wie Russland einzuschlagen, wurden nach Ende der Kolonialzeit oftmals mit gewaltsamen Mitteln unterbunden.
Die Politik der Verhinderung des Entstehens neuer sozial orientierter Länder oder mit dem Regime-Change existierender Länder gemäß der Truman-Doktrin, setzt neben Sanktionen zunehmend die Menschenrechte der Charta von 1948 als Instrument zur Diskreditierung ein. Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte der UNO von 1966 und des Fakultativprotokolls von 2008 werden ausgenommen.
Die Einhaltung der Menschenrechte beider Dokumente ist in beiden Lagern in Einzelpunkten kritikwürdig. Der Umgang mit den Nachkommen der Sklaven aus Afrika in den USA und mit den eigenen Ureinwohnern, den die Lebensgrundlagen an Grund und Boden geraubt und nicht zurückgegeben wurde, sind keine Glanzlichter der Menschenrechte. Das Vermögen, sie zu beachten, ist eher bei sozial-ökologisch orientierten Gesellschaftssystemen gegeben. Systeme, die marktgerecht und profitorientiert handeln, haben das historisch nicht vermocht.
Hoffnung geben die Verhandlungsergebnisse vieler Jahre. Ohne hartnäckige Gespräche wäre mehrfach ein Abkippen in die heiße Phase möglich gewesen. Dazu gehören beispielsweise die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die Zurücknahme der Kündigung des INF-Vertrages, die Entspannung in der Kubakrise. Schließlich war die Vereinigung der BRD und der DDR sowie die Rückführung der Krim ohne militärische Gewalt möglich. Im weltweiten Kontext der Friedensbemühungen sind die Vereinbarungen der 33 Länder des CELAC-Verbundes zur Schaffung einer Friedenszone in Latein- und Mittelamerika, sowie die Atomwaffenfreie Zone mit dem Vertrag von Tlatelolco, Mexiko nicht zu vergessen.
Wenn ein Lager im praktischen Leben militärisch unangreifbar sowie wirtschaftlich und wissenschaftlich autark geworden ist, könnte ein dauerhafter Frieden in der Welt einziehen.
Friede ist nicht nur die Zeit zwischen zwei Kriegen. Friede ist mehr. Er ist das Gesetz menschlichen Handels, lautet eine Lehre der Mohawk.
Der Autor beschreibt in seinem neuen Buch „Hat die Welt eine Zukunft?“ Verlag am Park, ISBN 978-3-947094-79-0, Alternativen der Planung, in einer humanen Welt.