(Port-au-Prince, Haiti) Aus Protest gegen die desolate Sicherheitslage und die zunehmende Bandenkriminalität haben die Gewerkschaften des Landes ab dem 1. Februar einen Generalstreik ausgerufen. Seit Mitte letzten Jahres wurden immer mehr Menschen entführt, während die Polizei angesichts der Häufung der Verbrechen offensichtlich machtlos ist. Menschenrechtsorganisationen gaben bekannt, dass im Jahr 2020 über 1.000 Fälle registriert wurden und erklärten, dass vermutlich erheblich mehr Menschen betroffen seien. Eine Woche vor Beginn der Protestaktion hatte Präsident Jovenel Moïse eingeräumt, dass die Entführungen zu den Hauptproblemen des Landes zählten, und sein Versprechen erneuert, gegen die Verbrechen vorzugehen. In einer im Internet übertragenen Rede erklärte er, es sei untragbar, dass Entführungen aus politischen Motiven oder zur Destabilisierung des Landes genutzt würden, und versprach eine angemessene strafrechtliche Verfolgung.
Demonstrant*innen fordern Rücktritt des Präsidenten
Auch am zweiten Tag des Streiks ging der Ruf an Verkehrsgewerkschaften, Schulen, Unternehmen und die Industrie, sich der Arbeitsniederlegung anzuschließen und von der Regierung Maßnahmen zur Wiederherstellung des gesellschaftlichen Friedens zu fordern. Am Tag zuvor war das Leben in vielen Städten weitestgehend lahmgelegt, in der Hauptstadt hatten nur wenige Geschäfte ihre Türen geöffnet. Der öffentliche Personenverkehr war unterbrochen, und auch zahlreiche informelle Händler*innen waren der Aufforderung der Gewerkschaften gefolgt. In Les Cayes im Süden des Landes gingen Dutzende von Demonstrant*innen auf die Straße. In Sprechchören forderten die Menschen Präsident Jovenel Moïse auf, am kommenden Sonntag sein Amt niederzulegen. Unter Berufung auf einen Artikel der Verfassung aus dem Jahr 1987 gehen Teile der regierungskritischen Fraktion davon aus, dass Moïses‘ verfassungsmäßiges Mandat am 7. Februar endet. Seine Nachfolge soll dann ein Richter des Obersten Gerichtshofs antreten.