Am 26. November 2020 übergaben Aktivist*innen von FreeAssange.eu und Free Assange Committee Germany Abgeordneten des deutschen Bundestages eine Petition zum Schutz der Grund- und Menschrechte von Julian Assange.

Nach einigen Verzögerungen durch die äußerst strengen Einlass-Kontrollen am Bundestag – jede Tasche, jeder Button, jedes Flugblatt wurde zwei- und dreifach gecheckt – durfte das FreeAssange-Team endlich herein. Fast hätte noch die Petition selbst die Schleuse zum Bundestag nicht passieren dürfen, aber letztendlich wurde entschieden, dass die Petition zur Übergabe mit hineindarf.

Die eingeladenen Abgeordneten und Pressevertreter*innen warteten bereits mehr oder weniger ungeduldig. Die Gruppe startete daher direkt mit einem Statement an die Bundesregierung:

“Wir fragen: Warum schaut die deutsche Bundesregierung diesem eklatanten Bruch der Menschenrechte einfach nur stillschweigend zu? In anderen Fällen fordert die deutsche Bundesregierung die Regierungen anderer Staaten auf, sich zu erklären – so z.B. kürzlich im Fall Nawalny. Warum fordert die Bundeskanzlerin keine Erklärungen von der britischen Regierung wegen deren menschenverachtender Behandlung von Julian Assange? Warum glaubt Herr Maas trotz erdrückender Beweislage immer noch leichtfertig an die britische Rechtsstaatlichkeit und verweigert sich der Realität?”

Im Anschluss wurde die Petition an Obfrau Kerstin Kassner (Die Linke) übergeben. Sie bedankte sich für das Engagement und erklärte im Namen der Fraktion der Linken, dass es nicht hinnehmbar sei, dass jemand, der Verbrechen aufdeckt stärker bestraft wird als die Menschen, die für die Verbrechen verantwortlich sind. Bereits im November 2019 hatte die Fraktion den UN-Sonderberichterstatter über Folter, Prof. Melzer in den Bundestag eingeladen, ebenso wie Julian Assanges Vater John Shipton und seinen Bruder Gabriel Shipton.

Frau Kassner erläuterte, dass es im Petitions-Ausschuss Berichterstatter für die einzelnen Fraktionen geben werde.

Der Abgeordnete Karl-Heinz Brunner (SPD) sprach die Unschuldsvermutung an, die für jeden Menschen vor jedem Gericht zu gelten habe. Jeder Mensch hat das Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren. “Dieses Verfahren fordern wir ein”, so Brunner, “(…) nicht nur auf der Grundlage der Menschenrechtskonvention sondern auch unserer europäischen Grundlagen für Menschenrechte”

Margit Stumpp von der Bundestagsfraktion der Grünen berichtete, dass auch ihr – wie so vielen anderen – der Zugang zum Auslieferungs-Prozess verwehrt wurde. Die Pandemie-Situation sei keine hinlängliche Begründung für den Ausschluss von Prozessbeobachter*innen. Frau Stumpp äußerte sich sehr besorgt, dass die Öffentlichkeit das Verfahren nicht beobachten kann und keine Informationen erhält. Sie erklärte, die Fraktion der Grünen bemühe sich weiterhin, Öffentlichkeit herzustellen und Zugang zum Verfahren zu erhalten. Dabei unterstrich sie die gute Zusammenarbeit mit Reporter ohne Grenzen.

Die FDP-Fraktion wurde durch Alexander Kulitz vertreten. Er sagte: “Es kann keine Doppel-Standards geben.” Und weiter: “Insbesondere in Partnerländern müssen wir darauf hinwirken, dass die Rechtsstaatlichkeit eingehalten wird. (…) Wir können nicht immer mit dem Finger auf andere zeigen, China, Russland und viele andere Länder, in denen wir zu Recht die Menschenrechtslage kritisieren. Das ist nicht glaubhaft, wenn wir es nicht einmal schaffen, im eigenen Lager, in der westlichen Welt dafür zu sorgen, dass wir uns an unsere eigenen Standards halten.”

Von Außenminister Heiko Maas sei zumindest zu erwarten, so Kulitz, dass dieser sich über das Geschehen um Julian Assange informiere und das Gespräch mit seinen britischen Kollegen sucht.

Der fraktionslose Abgeordnete Marco Bülow sprach die Notwendigkeit für die deutsche Regierung an, jetzt aktiv zu werden. Er betonte: “Gerade wenn Menschen Vorgänge auf Staatsebene aufdecken, die nicht in Ordnung sind, müssen sie einen besonderen Schutz genießen. Ansonsten würden solche Sachen nie wieder aufgedeckt. Und hier passiert genau das Gegenteil.”

Herr Bülow forderte die Regierung auf, klar Stellung zu beziehen und sich für Assange einzusetzen. Den Bundestag forderte er auf, die Bildung einer überfraktionellen Gruppe voranzutreiben, die sich für Julian Assange einsetzt, und auch für andere politisch verfolgte Journalisten und Whistleblower.

“Welche Jurisdiktion haben die USA in Großbritannien?”

Im Gespräch mit den Abgeordneten warnten die Aktivist*innen vor der globalen Gefahr, die die Verfolgung des australischen Journalisten nach sich zieht. Die USA versuchen hier, einen Präzedenzfall zu schaffen und ihr rechtliches Hoheitsgebiet extraterritorial auszudehnen. Julian Assange ist Australier, der nie von den USA aus publiziert hat und der sich derzeit in Großbritannien aufhält. “Welche Jurisdiktion haben die USA in Großbritannien?”, ist hier die entscheidende Frage. Wenn dieser Präzedenzfall nicht gestoppt wird, wäre die Konsequenz, dass künftig alle Journalist*innen für ihren Journalismus von den USA – oder anderen Staaten – angeklagt werden könnten, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort oder ihrer Staatsangehörigkeit. Sollte ein deutscher Journalist Informationen veröffentlichen, die in den Augen der USA nicht an die Öffentlichkeit gehören, müsste er in Zukunft ebenfalls mit einer Anklage wegen Spionage und einer drohenden Auslieferung rechnen.

Daher stehen im Fall von Julian Assange nicht “nur” seine Menschenrechte und sein Leben auf dem Spiel sondern ebenso die Pressefreiheit und damit auch die Demokratie.

Die Petitions-Übergabe wurde von Mathias Tretschog von Campaigns4Whistleblowers dokumentiert:

RT Deutsch berichtete ebenfalls:

Auch die junge Welt war bei der Übergabe der Petition dabei: https://www.jungewelt.de/artikel/391349.solidarit%C3%A4t-mit-julian-assange-ein-neuer-versuch.html

Das FreeAssange-Team bedankt sich herzlich bei allen Beteiligten!

Der Originalartikel kann hier besucht werden