Entwaldung und Trockenheit setzen dem Amazonasregenwald mehr zu als bisher gedacht, fand eine Studie.
Daniela Gschweng für die Online-Zeitung INFOsperber
Der Regenwald am Amazonas könnte zur Baumsavanne werden. Damit, dachte man bisher, sei frühestens in einigen Jahrzehnten zu rechnen. Eine neue Studie des «Stockholm Resilience Centre» fand, dass 40 Prozent des Waldes jetzt schon beginnen könnten, sich zu wandeln. Ein Prozess, der schwer bis gar nicht umkehrbar ist.
Die Forschenden, die ihre Ergebnisse im Oktober in «Nature Communications» publiziert haben, untersuchten die Amazonas-Region sowie Regenwälder im Kongo und in Australien mit einem hydrologischen Modell. Sie stellten fest, dass 40 Prozent des Amazonasregenwalds schon bald zu Savanne werden könnten, wenn extreme Klimaprognosen eintreffen.
Ein bisschen Regenwald geht nicht
Das liegt daran, dass grosse Regenwaldgebiete ihr eigenes Wetter machen. Das von der üppigen Vegetation verdunstete Wasser regnet wieder auf den Wald ab und erhält damit das sensible Ökosystem. Mit zunehmender Entwaldung schwächt sich dieser Kreislauf ab, bis sich der Regenwald nicht mehr selbst erhalten kann. Die Natur entscheidet sich in tropischen Gegenden für eine Art des Bewuchses, immergrüner Wald oder sommergrüne Savanne. Bei bestimmten Niederschlagsmustern sind beide Formen möglich. Einen Zwischenzustand gibt es langfristig nicht.
Baumsavanne in Burkina Faso (CC BY-SA 3.0, Marco Schmidt, Wikimedia Commons)
Normalerweise kann sich Regenwald von gelegentlichen Bränden erholen. Mit einer Umwandlung von Gebieten im Amazonas zur Savanne sei frühestens in mehreren Jahrzehnten zu rechnen, dachten Wissenschaftler deshalb. Infolge der Klimakrise wird es jedoch in vielen Gebieten trockener, was die Widerstandsfähigkeit des Ökosystems beeinträchtigt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Regenwald in eine Mischung aus Grasland und Wald verwandelt, steigt.
Die Gebiete in Südamerika, in denen sicher Regenwald wachsen kann (grün), werden sich bis Ende des Jahrhunderts drastisch verkleinert haben. Gebiete, in denen das Klima auch Savannen ermöglicht (braun), werden grösser. (Grafik: The Guardian, Daten: Staal et al, «Hysteresis of tropical forests in the 21st century»)
Neben Bewuchs und Klima ist der Umwandlungsprozess von vielen anderen Faktoren abhängig. Darunter von der Grösse des Waldgebietes, die ebenfalls abnimmt. Einige, wie die Anpassung der Vegetation an neue Verhältnisse, haben die Forschenden nicht einbezogen.
Für ihre Berechnungen nutzten sie sowohl lokale Daten zu Temperaturen und Niederschlagsmustern aus der jüngsten Vergangenheit wie auch das extremste Szenario der neuesten Klimaprognosen (CMIP6), das einen ungebremsten CO2-Anstieg in der Atmosphäre und in der Folge eine Klimaerwärmung um fünf Grad bis zum Jahr 2100 darstellt (SSP5-8.5).
Zwei Fünftel des Amazonas-Regenwalds wären jetzt schon verloren
Der Amazonasregenwald würde damit nicht auf einmal verschwinden. Die Verschiebung dauert Jahre bis Jahrzehnte. Das Gebiet, in dem Savannen und Regenwälder gleich wahrscheinlich sind, wächst. Im Moment umfasst es 40 Prozent des Amazonasgebietes.
Zuerst wachsen weniger Bäume nach, offene Flächen bleiben länger offen, Randgebiete bekommen weniger Regen. Bauern roden mehr, weil der ausbleibende Regen die Ernte schmälert.
Grasland wiederum ist anfälliger für Brände, die das Wachstum neuer Bäume behindern. Bei Trockenheit breiten sie sich schneller aus. Wenn dieser Prozess begonnen hat, ist er kaum noch umkehrbar. Wenn er einen gewissen Punkt erreicht hat, beschleunigt er sich stark.
Nicht überall ist die Gefahr gleich gross
Im schlimmsten Fall wären grosse Teile des südamerikanischen Urwalds unwiederbringlich verschwunden. Die Forschenden sprechen deshalb von einem neuen Kipppunkt. Dies ist nicht die erste Warnung, der brasilianische Forscher Carlos Afonso Nobre beispielsweise warnt schon seit fast 30 Jahren vor den Folgen der Brandrodung.
Immerhin trifft das Szenario nicht auf alle Gegenden zu. Der Regenwald im Kongo würde von den berechneten Verhältnissen eher profitieren, für die Wälder in Australien, Indonesien und Malaysia machten die Wissenschaftler keinen Unterschied aus.