Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte | Bild: cherryx@wikipedia.de

Zum ersten Mal wurde ein Mitgliedstaat der Europäischen Union für schuldig befunden, bei der Überstellung, Folter und illegalen Inhaftierung von mutmasslichen Terroristen durch die USA mitgewirkt zu haben. Amnesty International begrüsst die zwei bahnbrechenden Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Polen.

Das Gericht in Strassburg befand am 24. Juli 2014, dass die polnische Regierung mit der CIA konspirierte, um ein Geheimgefängnis in Stare Kiejkuty, 180 Kilometer nördlich von Warschau, einzurichten. Dort wurden zwischen 2002 und 2005 mutmassliche Terroristen von der CIA illegal inhaftiert und gefoltert.

«Mit diesem historischen Urteil kommt Licht in eine dunkle Periode von Polens jüngster Geschichte, nämlich seiner Beteiligung am geheimen CIA-Programm», kommentiert Julia Hall, Expertin für Terrorbekämpfung und Menschenrechte bei Amnesty International, den Entscheid. «Es ist ein Meilenstein im Kampf gegen die Straflosigkeit bei Folter und anderen Menschenrechtsverbrechen im Rahmen der Terrorbekämpfung.»

Laut dem Gericht hat Polen mehrere Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt. Insbesondere haben die polnischen Behörden die Vorwürfe von zwei Gefangenen, sie seien in Polen illegal inhaftiert und gefoltert worden, nicht untersucht. Das Gericht bestätigt zudem das Recht der Gefangenen – und der Öffentlichkeit –, die Wahrheit über diese Ereignisse zu erfahren.

Noch immer in Guantanamo

Die beiden Gefangenen hatten ihre Klagen beim Europäischen Gericht für Menschenrechte 2011 und 2013 eingereicht. Der saudische Staatsbürger Abd al-Rahim al-Nashiri und der Palästinenser Zayn al-Abidin Muhammad Husay, bekannt als Abu Zubaydah, sind beide im Gefangenenlager von Guantanamo inhaftiert. Bis heute ist keiner von ihnen für eine Straftat verurteilt worden.

Beide Gefangene gaben an, sie seien in Geheimhaft in Polen mit ‚verschärften Verhörtechniken‘ wie Scheinerschiessungen misshandelt sowie extremen Schmerzen und psychischem Leiden ausgesetzt worden.

In den USA wurde bis heute niemand für die schweren Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des CIA-Programms zur Rechenschaft gezogen.

«Polen konspirierte mit der CIA, um diese Verdächtigen verschwinden und foltern zu lassen. Die polnischen Behörden müssen nun endlich eine wirksame Untersuchung eröffnen, die sie so lange blockiert und verhindert haben», fordert Julia Hall von Amnesty International. «Doch Polen ist nicht allein. Viele andere Regierungen in der EU haben sich ebenfalls am geheimen CIA-Programm beteiligt und müssen diese dunkle Kapitel ihrer jüngsten Geschichte endlich aufklären.»

Amnesty International fordert seit Jahren Untersuchungen über Menschenrechtsverletzungen bei der Terrorbekämpfung in europäischen Ländern wie Italien, Litauen, Rumänien, Schweden und England.

Vorbringen von Amnesty International

Amnesty International und die Internationale Juristenkommission hatten in beiden Fällen, die jetzt vom EGMR beurteilt wurden, interveniert. Links zu den Vorbringen:

Abu Zubaydah v Poland
Al-Nashiri v Poland
Al-Nashiri supplementary submission