Am 15. Juli 2014 starteten Aktivistinnen der Gruppe „Women in Exile“ in Nürnberg gemeinsam eine Aktionstour, um für die Rechte von Flüchtlingsfrauen in Deutschland zu kämpfen. Das Motto: „Flüchtlingsfrauen werden laut“. Pro Asyl hat mit Elisabeth Ngari über die Bewegung der Flüchtlingsfrauen in Deutschland gesprochen. Zum Originalinterview geht es hier.

Gemeinsam mit Liedermacher Heinz Ratz per Floß von Nürnberg nach Berlin, fast jeden Tag in einer anderen Stadt, in einem anderen Flüchtlingslager zu Besuch. Gestern seid Ihr gestartet. Was wollt ihr mit der Tour erreichen?

Wir möchten die Probleme der Frauen öffentlich machen. Frauen haben neben der Residenzpflicht, Arbeitsverboten oder anderen diskriminierenden Gesetzen viele andere Probleme. Aber die Probleme von Frauen in Flüchtlingsunterkünften – die fehlende Privatsphäre oder solche, die aus der Verantwortung für die Kinder dort entstehen, sind kaum bekannt. Viele Frauen haben Angst oder sind nicht so motiviert, ihre Schwierigkeiten öffentlich zu machen.

Was sind das für Schwierigkeiten?

Gestern waren wir zum Beispiel in einem Heim hier in Nürnberg. Viele Frauen hier möchten selbst kochen. Aber in den Essenspaketen sind Dinge, die sie nicht brauchen, dafür fehlen andere für sie wichtige Lebensmittel. Das ist ein großes Problem in Bayern. Auch Residenzpflicht ist ein Problem: Eine Frau, die die Tour mit uns machen will, hat gerade angerufen. Sie bekommt jetzt doch keine Erlaubnis, wegen der Residenzpflicht. Es gibt einen Brief von Heinz Ratz an alle Ausländerbehörden, in dem er, als Träger der Integrationsmedaille, darum bittet, den Frauen eine Erlaubnis zu geben. In Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalten hatten wir damit keine Probleme. Aber hier in Nürnberg wurde das schon abgelehnt.

An euren Stationen besucht ihr verschiedene Flüchtlingslager. Was ist dabei für Euch wichtig?

Unser Ziel ist es, viele Flüchtlingsfrauen zu erreichen. Wir wollen uns mit Flüchtlingsfrauen und Unterstützergruppen in verschiedenen Orten vernetzen, um gemeinsam aus unserer Perspektive von Frauen gegen die diskriminierenden Asylgesetze zu kämpfen. Deshalb wollen wir an jedem Ort einige Frauen mitnehmen. Wir brauchen diese Vernetzung, damit wir unsere Situation vergleichen und gemeinsam brainstormen können, was wir dagegen tun können. Wir leben alle in Deutschland, warum haben wir in Bayern andere Rechte als in Brandenburg?

Außerdem berichten wir in unserem Blog über unsere Erlebnisse. So wird eine Bestandsaufnahme der Situation von Flüchtlingsfrauen in Deutschland entstehen. Die Adresse: http://www.refugee-women-tour.net/

Abends steht Ihr bei Konzerten mit Heinz Ratz und seiner Band auf der Bühne…  

Gestern haben drei von unseren Frauen mitgemacht. Das ist gut für unsere Öffentlichkeitsarbeit, weil das zeigt: Frauen sind nicht nur in Deutschland, um zu essen und zu schlafen. Sie haben auch Talente und Fähigkeiten. Sie wollen arbeiten, sie möchten etwas im Leben erreichen, nicht nur an irgendeinem Ort bleiben, ohne Arbeit, ohne Bewegungsfreiheit.

Wie können die Menschen an Euren Stationen Euch unterstützen?

Vielleicht können sie bei den Ausländerbehörden gegen die Residenzpflicht protestieren und dort klar machen, dass Frauen mit anderen Flüchtlingsfrauen für die Abschaffung der Diskriminierung kämpfen müssen. An einigen Orten suchen wir immer noch Schlafplätze. Wir brauchen auch dringend Spenden. Das Projekt ist ja von Heinz Ratz, wir Flüchtlingsfrauen unterstützen es. Aber wir müssen selbst unsere Fahrtkosten tragen, das Auto bezahlen und das Essen.

Wir wissen nicht, ob wir die ganze Floßtour mitmachen können, unser Geld reicht für die ersten zwei Wochen. Danach werden wir sehen, wie viele Spenden wir bekommen haben und ob wir weiter dabei sein können.

Habt ihr an den Flößen mitgebaut?

Wir fahren mit, aber mit dem Floßbau haben wir nichts zu tun. Viele von uns Flüchtlingsfrauen haben keine Ahnung, wie man ein Floß baut. (lacht) Aber von unseren Unterstützerinnen, unseren „Friends“, hatten einige Spaß daran, sie und zwei Frauen haben ein Wochenende mitgeholfen.

Seit wann bist du bei Woman in Exile und wie kam es zu diesem Engagement?

Ich bin jetzt seit 2002 dabei, als wir die Gruppe gegründet haben. Damals habe ich in Prenzlau gewohnt, wo wir im Heim diese Diskriminierungen erlebt haben. Vorher haben wir in einer gemischten Gruppe gearbeitet, aber wir haben erlebt, dass die Probleme der Frauen dort nicht diskutiert, sondern ignoriert wurden. Letztendlich wurde dort nur über Gutscheine und solche Dinge geredet. Aber wir haben gesehen, dass es auch Gefahren im Heim gibt. Es gibt keinen Raum für Kinder, wenn sie nicht schlafen können, keine Privatsphäre, keine verschließbaren Duschen. Diese Probleme treffen Frauen mehr als Männer, darum haben wir beschlossen, die Diskriminierung durch die Asylgesetze aus Sicht der Frauen zu bekämpfen.

Das Interview führte Pro Asyl am 15.7.14.