Deutschland braucht einen Masterplan für die Zeit nach Corona, wozu auch bisher militärisch genutzte Flächen gehören. Ein Kommentar zu den Konsequenzen einer US-Truppenreduzierung in Deutschland.
Die wichtigste US-Militärbasis außerhalb der USA ist die Air Base Ramstein bei Kaiserslautern. Der Bürgermeister der dortigen Verbandsgemeinde Ramstein-Miesenbach ist kein Freund der Friedensbewegung, die dort seit mehr als fünf Jahren mit der Kampagne „Stopp Air Base Ramstein“ in Erscheinung tritt. Vielmehr sieht sich Ralf Hechler als guter Freund des US-Militärs. Doch bekanntlich beruht Freundschaft auf Gegenseitigkeit, was bei dem US-Militär jedoch keineswegs selbstverständlich ist. Das musste Ralf Hechler kürzlich leidvoll erfahren.
Mit einem Journalisten des Redaktionsnetzwerkes Deutschland als begleitenden Gast begehrte er Einlass auf die Air Base. Eigentlich für den Bürgermeister kein Problem, da die Air Base ja auch „mein Territorium“ ist, wie er dem Journalisten Thorsten Fuchs vorher noch erklärt hatte. An jenem Tag aber wurde der Eintritt mit Besucher abgewiesen, wegen aktuell erhöhter Sicherheitsstufe. Und deshalb gab es für den Bürgermeister keine Ausnahme, auch nicht nach einem anschließenden Telefonat mit höherer Stelle auf der Air Base. In seinem journalistischen Beitrag[1] schrieb Thorsten Fuchs dazu, dass diese Episode wohl bezeichnend für einseitige US-Entscheidungen sei, wie das auch für die angekündigte US-Truppenreduzierung gelte, die bei all denen Unsicherheiten ausgelöst hat, die bisher fest an eine Langzeitpräsenz der US-Amerikaner geglaubt haben. Zu diesen gehört auch Ralf Hechler, vor allem mit Blick auf das im Bau befindliche neue US-Militärkrankenhaus, das angrenzend an die Air Base für eine Milliarde Euro und einen nicht unerheblichen Anteil deutscher Steuergelder gerade im Bau ist. Allerdings räumt er am Ende des Gespräches mit dem Journalisten ein, dass er in seinem Büro einen Ordner mit Ideen zu einer zivilen Nachnutzung der Air Base stehen habe, wovon er nur andeutete, dass er an eine zivile Nutzung des Flughafens denke.
Konversion von Militärflächen: Chancen für Regionen und Kommunen
Dass eine direkte militärisch-zivile Umnutzung von Flugplätzen keineswegs nachhaltig ist, beweisen einige solcher Projekte aus den letzten Jahrzehnten. Pläne für eine zukunftsweisende Nutzung der Air Base Ramstein gibt es aber durchaus. So hat die Ramstein-Kampagne bereits vor zwei Jahren unter Federführung des früher für das Bundesland Brandenburg tätigen Konversionsexperten Roland Vogt ein entsprechendes Konzept vorgelegt. Die freiwerdenden Flächen könnten nach der notwendigen Schadstoffsanierung im Boden in dringend benötigte Gewerbeflächen (Stadtgebiet Kaiserslautern) sowie in einen Natur- und Freizeitpark umgewandelt werden. Mit dem Natur- und Erholungspark-Konzept, das eine gesamthafte touristische Erschließung des Pfälzerwaldes anstoßen könnte, steht die Ramstein-Kampagne nicht allein. In der Oberpfalz liegt der US-Truppenübungsplatz Hohenfels. Die dortige DFG-VK plädierte deshalb in einer kürzlichen Pressemitteilung dafür, offensiv die Chance zu dessen Konversion zum dritten bayerischen Nationalpark zu ergreifen. Die seit über 80 Jahren nicht durch landwirtschaftliche Nutzung gestörte Fauna und Flora, völlig umgeben von langjährigen sanften Tourismus des Oberpfälzer Jura, dränge sich geradezu auf, sich von militärischer Nutzung zu verabschieden.[2]
Ebenso betreffen freiwerdende Militärflächen kommunale Entwicklungen. In der Stadt Kaiserslautern werden zwar Bundesliegenschaften von der US Army genutzt, jedoch auch mehrere Alt-Liegenschaften durch die Bundesanstalt für Immobilien (BImA) nicht für die Kommune freigegeben. Bei dem US-Großmanöver Defender 2020 hat sich gezeigt, dass diese Altflächen für das Militär eine willkommene Reservefläche sind, um eine umfangreiche Manöverlogistik abzuwickeln. Damit wird die kommunale Entwicklung massiv behindert. Im Kreistag Kaiserslautern wurden zudem wiederholt die Umweltbelastungen durch den militärischen Fluglärm in der Großregion thematisiert. Blockierte Konversionsflächen sind auch seit Jahren ein Thema in Mannheim. Nach dem angekündigten Rückzug der US Army aus den Coleman Barracks im Jahr 2010 wurden zwar bereits über ein kommunales Konversionsbüro einige Entwicklungspläne diskutiert, jedoch nach dem vollzogenen US-Abzug 2015 wieder gestoppt. In diesem Fall wurden die Altflächen für die Instandsetzung von US-Panzern und weitere Logistikflächen reaktiviert, was vor allem bei dem Großmanöver DEFENDER 2020 relevant war.
Verfrüht sind sicherlich auch entsprechende Hoffnungen in Stuttgart. Rolf Gaßmann, der dortige Vorsitzende des Mietervereins, verwies darauf, dass neben den Standorten Eucom und Africom auch eine eigene Liegenschaft als Wohngebiet für US-Angehörige (Robinson Baracks) vorhanden ist[3]. Erweiterungen vorhandener und Entwicklung neuer Wohngebiete sind im Stuttgarter Talkessel ein besonderes Problem.
Freilich ist es unsicher, ob die US-Truppenreduzierung tatsächlich erfolgt, würde diese doch das Nervensystem der US-Militärlogistik in ganz Europa treffen, wie in Stuttgart das Eucom als Oberkommando der US-Truppen in Europa und das Africom als Kommandozentrale für die weitestgehend illegalen Militäraktionen in Afrika. Vor allem aber die Militärregion Kaiserslautern und Ramstein: Dort angesiedelt sind die Satelliten-Relaisstation für den illegalen US-Drohnenkrieg, die Kommandozentrale für das US-Raketenabwehrsystem in Osteuropa, das größte US-Munitionsdepot und das bereits jetzt vorhandene größte Militärkrankenhaus außerhalb der USA. Die Hoffnungen auf eine baldige Schließung der Air Base Ramstein sollten deshalb nicht zu hoch gehängt werden.
Auch die Bundeswehr hat sich in den letzten Jahrzehnten bedingt durch die personellen Reduzierungen von vielen Militärstandorten getrennt. Allerdings ist seit einigen Jahren hier eine Trendwende zu verzeichnen. Eine Pressemitteilung der Bundesregierung vom Januar 2019 hat den Titel: „Eine wachsende Bundeswehr braucht Platz – Rund 600 Dienstposten und geschätzte 200 Millionen Euro Investitionen für acht zusätzliche Munitions- und Materiallager“. Im Text heißt es: „Nach fast zweieinhalb Jahrzehnten des Schrumpfens wächst die Bundeswehr wieder. Die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen haben sich grundlegend geändert – darauf haben wir mit den Trendwenden Personal, Material und Finanzen reagiert. Mehr Personal und Material bedeuten auch mehr Bedarf an weiterer Infrastruktur. …. Das ist eine gute Nachricht vor allem für die betroffenen Regionen“[4]. Was hier als gute Nachricht dargestellt wird, bedeutet jedoch: Keine langfristige Planungssicherheit für die Kommunalpolitik, die selbst für die Gemeinde Ramstein-Miesenbach nicht gegeben ist.
Die Debatte zeigt jedoch, dass die Liegenschaftskonversion für die Friedensbewegung wieder stärker auf die Agenda gesetzt werden muss. Ein Abzug von fast 10.000 Soldaten hätte gravierende wirtschaftliche Folgen für die betroffenen Regionen. Allein in Rheinland-Pfalz werden mehr als 7000 deutsche Ortskräfte von den US-Streitkräften beschäftigt, in ganz Deutschland sollen es 12.000 sein. Daneben hängen viele Tausende weitere Arbeitskräfte vor allem in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern an den US-Truppen. Deshalb regt sich auch bei der Gewerkschaft ver.di der Widerstand. Leider vermisst man aber bei bisherigen Stellungnahmen dazu eine klare Ansage, wie sie z.B. in einer Pressemitteilung im Jahr 2004 erfolgte, als man bei dem seinerzeit anstehenden Teilabzug der US-Army den Verlust der Hälfte von insgesamt 15.000 zivilen deutschen Arbeitsplätzen fürchtete. Der ver.di-Bundesvorstand forderte damals „Bund, Länder und Kommunen daher auf, sofort mit der Erarbeitung von Konversionskonzepten zu beginnen: Jetzt müssen alle an einen Tisch.“
Unabhängig von den weiteren Entwicklungen versucht man bei der Ramstein-Kampagne deshalb genau das: Einen runden Tisch für regionale Konversionskonzepte zu (re-)aktivieren. Zudem geht es heute um einiges mehr als um einzelne Konversionsprojekte: Die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise erfordern eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, dass es in vielen Bereichen kein „Weiter so“ geben darf, vor allem für das Militär und die Rüstungsausgaben.
Und für die Aktivitäten der gesamten Friedensbewegung gilt: Der künftige Protest gegen US- und NATO-Großmanöver muss sich auch gegen die Nutzung militärischer Liegenschaften richten, mit denen die Entwicklung regionaler Naturschutz- und Erholungsgebiete verhindert wird. Gerade in diesem Jahr zeigt sich (Corona-bedingt), dass Urlaubsangebote innerhalb Deutschlands als zukunftsfähig und nachhaltig anzusehen sind. Deshalb noch ein Urlaubstipp für diesen Sommer: Die frühere innerdeutsche Grenze mit einem breiten militärischen Sperrgebiet wurde seit 1990 als Konversionsfläche zum Naturschutz- und Erholungsgebiet entwickelt und bietet sich unter dem Markenzeichen „Grünes Band“ hervorragend für Wanderungen an.
Von Karl-Heinz Peil
[1] Redaktionsnetzwerk Deutschland vom 14.6.2020: „Ramstein und der Abzug der Amerikaner: ‚Dann wäre das hier totes Land‘”
[2] Pressemitteilung der DFG-VK Oberpfalz, 16. Juni 2020: „Nicht zaudern, sondern anpacken – US-Truppenabzug birgt großartige Chancen!“
[3] Wochenzeitung KONTEXT: www.kontextwochenzeitung.de(link is external) in ihrer Ausgabe vom 17.6.
[4] BMVg-Pressemitteilung Nr. 1/2019 vom vom 15. Jan. 2019