Medienmitteilung NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz, 19. Juni 2020, Bern
Warnungen von Menschenrechtsorganisationen und internationalen Institutionen zum Trotz hat der Nationalrat hat diese Woche zwei hochproblematische Antiterror-Vorlagen verabschiedet. Beim Polizeigesetz gegen «Gefährder» sprach sich der Nationalrat am Freitag für Zwangsmassnahmen selbst gegen 12-jährige Kinder aus.
Das «Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus» (PMT) verbindet extrem vage Definitionen mit weitgehenden Kompetenzen für die Polizei, die einschneidende Massnahmen gegen potentiell gefährliche Personen verfügen könnte – ohne richterliche Prüfung und ohne ausreichenden Rechtsschutz. Abgelehnt hat der Nationalrat einzig die Einführung einer Präventivhaft, die im eklatanten Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskommission gestanden wäre.
«UNSERE KRITIK AN DEN GESETZEN WAR UNMISSVERSTÄNDLICH. UND SIE WURDE VON INTERNATIONALEN ORGANISATIONEN WIE DER UNO UND DEM EUROPARAT BESTÄTIGT: DIESE GESETZE BEDROHEN DIE GRUND- UND MENSCHENRECHTE.» Patrick Walder , Amnesty International
«Wir sind entsetzt darüber, wie sorglos die Mehrheit des Parlaments bei den Antiterror-Vorlagen die Menschenrechte missachtet», erklärt Patrick Walder von Amnesty International. «Unsere Kritik an den Gesetzen war unmissverständlich. Und sie wurde von internationalen Organisationen wie der Uno und dem Europarat bestätigt: Diese Gesetze bedrohen die Grund- und Menschenrechte.»
Bereits am Dienstag hatte der Nationalrat die Vorlage «Terrorismus und organisierte Kriminalität» angenommen und dabei nur eine Verbesserung für humanitäre Organisationen wie das IKRK gutgeheissen, damit diese nicht wegen Unterstützung von terroristischen Gruppen straf-rechtlich verfolgt werden können.
«Die Mehrheit des Parlaments foutiert sich offenbar um menschenrechtliche Standards. Die offizielle Schweiz schmückt sich gerne mit der humanitären Tradition und dem internationalen Genf. Die Schweiz pocht international auf den Schutz der Menschenrechte im Kampf gegen den Terrorismus. Bei Kritik aus dem Ausland in derselben Sache schaltet sie aber auf taub und blind», kommentiert Patrick Walder von Amnesty International. «Eine Terrorbekämpfung, die den Rechtsstaat und die Grundrechte unterwandert, beschädigt die Glaubwürdigkeit der Schweizer Aussenpolitik und gefährdet im Inland die Sicherheit, die sie eigentlich gewährleisten will.»
Die Differenzen zwischen dem National- und dem Ständerat müssen bei beiden Vorlagen noch bereinigt werden, bevor die Gesetze voraussichtlich in der Herbstsession verabschiedet werden sollen.
Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz ruft die ParlamentarierInnen dazu auf, die äusserst problematischen Vorlagen in der Schlussabstimmung abzulehnen. Die Menschenrechtsorganisationen werden die Anwendung der Gesetze kritisch verfolgen und die Rechte von betroffenen Personen auch juristisch verteidigen, notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).
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