Seit Jahren schon wird massiv von vielen Seiten die menschenunwürdige Praxis der Jobcenter in Bezug auf rechtswidrige Leistungskürzungen, respektlose Behandlung und Verhängung sinnloser Zwangs-Maßnahmen kritisiert. Angesichts einer drohenden neuen Gesetzesvorlage zur „Rechtsvereinfachung“, welche zum Beispiel Widersprüche kostenpflichtig machen will, haben sich Erwerbsloseninitiativen und Gewerkschaftsverbände bei einer Tagung zusammengefunden und kündigen bundesweite Protestaktionen an.
Pressemitteilung der Erwerbsloseninitiative
Mit vielfältigen Aktionen wollen Erwerbslose auf bestehende Missstände in den Jobcentern aufmerksam machen und gegen das Vorenthalten von Leistungsansprüchen protestieren. Das ist das Ergebnis einer bundesweiten Tagung vom 11. bis 13. Juni, an der Aktive aus 60 Erwerbslosengruppen teilnahmen.
Die Erwerbslosengruppen kritisieren vor allem, dass vielfach Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, von den Jobcentern nicht gewährt werden. „Behörden sind an Recht und Gesetz gebunden. Es ist ein Skandal, dass dieser rechtstaatliche Grundsatz faktisch in den Jobcentern ausgesetzt ist und eine Art rechtsfreier Raum herrscht“, erläutert Evelyn Schuckhardt von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg. Selbst nach den Angaben der Bundesagentur für Arbeit sind 44 Prozent aller Klagen von Hartz-IV-Leistungsberechtigten erfolgreich. „In fast jedem zweiten Fall muss also ein Sozialgericht das Recht durchsetzen, dass die Jobcenter zuvor missachtet haben“, so Schuckhardt weiter.
Zudem sei die Arbeitsweise der Jobcenter „das Gegenteil von bürgerfreundlich“. Das Klima auf den Ämtern werde von vielen als „bedrückend und entwürdigend“ erlebt. „Wenn wir einen freundlichen Umgangston fordern, schnelle Hilfe in akuten Notlagen, Quittungen für eingereichte Unterlagen oder kurze Wartezeiten, dann sind das Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten“, erklärt Hinrich Garms von der Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen. „Dabei sehen wir die Jobcenter-Beschäftigten nicht als Gegner, da die Missstände strukturelle Ursachen haben und fordern auch mehr und besser ausgebildetes Personal“, ergänzt Martin Künkler von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen.
Mit den verabredeten Aktivitäten wollen die Erwerbsloseninitiativen konkrete Verbesserungen durchsetzen aber auch drohende Verschlechterungen abwehren. Denn unter dem Titel „Rechtsvereinfachung“ hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Änderungsvorschläge zum Hartz-IV-Gesetz vorgelegt, die nach der Sommerpause Gesetz werden sollen. So wird beispielsweise vorgeschlagen, die Leistungen für erwerbslose Alleinerziehende um bis zu 141 Euro zu kürzen. Auch das Recht, Bescheide der Jobcenter auf ihre Richtigkeit hin prüfen zu lassen, soll weiter eingeschränkt werden. „Diese Vorschläge dürfen nicht Gesetz werden, da sie die Rechte von Leistungsbeziehern abermals einschränken und die Schlechterstellung über Sonderregeln ausweiten anstatt diese abzuschaffen“, fordert Martin Behrsing vom Erwerbslosen Forum.
Die Erwerbsloseninitiativen wollen mit ersten Aktionen bereits in der Sommerpause beginnen. Für den Frühherbst ist ein Kampagnenhöhepunkt geplant. Die Kampagne wird unter anderem getragen von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg, der BAG Prekäre Lebenslagen, dem Erwerbslosen Forum Deutschland, der Koordinierungsstelle und dem Netzwerk der gewerkschaftlichen Erwerbsloseninitiativen sowie von Erwerbslosengruppen der Gewerkschaft ver.di.