Die Ausstellung „Prescriptions for Peace“ (Rezepte für Frieden) in der Countway Library beleuchtet die Rolle medizinischer Fachkräfte in der Anti-Atomkraft-Bewegung.
Im Jahr 1961, einer Zeit hoher Spannungen im Kalten Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion, begann eine Gruppe von Ärzt:innen und Medizinstudent:innen im Raum Boston über die sehr reale Gefahr eines Atomkriegs zu diskutieren. Ihre Treffen im Haus von Bernard Lown, Kardiologe und Professor an der Harvard T.H. Chan School of Public Health, führten zu bahnbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen über die weitreichenden Folgen einer nuklearen Explosion für die Zivilbevölkerung, und über die gesundheitlichen Auswirkungen langfristiger Strahlenbelastung. Ihre Bemühungen trugen dazu bei, eine internationale Ärztebewegung gegen einen Atomkrieg in Gang zu setzen, in der die mit Harvard verbundene Fakultät eine führende Rolle spielte.
Von Amy Roeder
Das Vermächtnis von Gruppen wie Physicians for Social Responsibility – PSR und Internationale Ärzt:innen für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) inspirierte Katie Blanton, die am Harvard College Medizingeschichte studierte und 2018 ihre Bachelorarbeit über den Anti-Atom-Aktivismus von innen schrieb.
Zu den zahlreichen mit Harvard verbundenen Ärzt:innen, die sich engagieren, zählen unter anderem Herb Abrams, Eric Chivian und James Muller – letzterer war gemeinsam mit Bernard Lown Mitbegründer der IPPNW – sowie Lachlan Forrow, Alexander Leaf, Jennifer Leaning und Victor Sidel.
„Mich interessierte die Rolle medizinischer Fachleute in sozialen Bewegungen und insbesondere, wie Ärzte ihre berufliche Stellung nutzen konnten, um politische Veränderung zu bewirken“, sagte Blanton, die im Mai ihren Doktortitel an der Harvard Medical School erwerben wird. „Sozialer Aktivismus war keine außerberufliche Aktivität, sondern ein zentraler Bestandteil ihrer Identität als Ärzte.“
Ärztlicher Aktivismus zur Schau gestellt
Im vergangenen Jahr trat das Zentrum für Medizingeschichte mit der Idee an Blanton heran, die Ergebnisse ihrer Abschlussarbeit mit Dokumenten und Objekten aus den Archiven der Bibliothek zu verbinden, um daraus eine Ausstellung zu gestalten. Die gemeinsame Arbeit mit dem Titel Prescriptions for Peace wurde im Januar in der Countway Library eröffnet und ist den ganzen Sommer über zu sehen.
Im ersten Stock der Bibliothek zeigt die Ausstellung politische Karikaturen gegen Atomkraft aus den 80er Jahren bis in die Gegenwart, die von IPPNW-Ärzten gesammelt wurden. Exponate auf der unteren Ebene verfolgen den Anti-Atom-Aktivismus der Gruppen anhand von Forschungsunterlagen, Kursmaterialien, Fotos und Erinnerungsstücken wie Poster und Buttons.
Zu den Highlights gehört eine Replika des Friedensnobelpreises, den Lown 1985 im Namen der IPPNW zusammen mit dem sowjetischen Kardiologen Jewgeni Tschasow entgegennahm. Videobildschirme zeigen verschiedene Aufnahmen, darunter eine Veranstaltung, die als „Moscow Telecast“ bekannt wurde, bei der Lown, Muller (Harvard Medical School) und John Pastore (Tufts University) zusammen mit drei hochrangigen sowjetischen Ärzten, darunter Tschasow, an einer Podiumsdiskussion über den Atomkrieg teilnahmen – eine einzigartige Gelegenheit, bei der die sowjetische Öffentlichkeit mit westlichen Anti-Atomkraft-Ansichten in Berührung kam. Dieses und andere Videos können in einer speziellen Kabine neben der Ausstellung eingesehen werden.
Mumford hat mehrere Führungen durch die Ausstellung geleitet und festgestellt, dass die Resonanz von Besuchern sehr positiv war. „Sie haben ihr Erstaunen darüber zum Ausdruck gebracht, wie groß diese Bewegung war und wie viele Ärzt:innen aus der Harvard-Gemeinschaft an diesem Aktivismus teilgenommen hatten“, sagte sie.
Die nukleare Bedrohung ist immer noch präsent
Mumford und Blanton hoffen, dass die Ausstellung als Erinnerung dient, dass die Gefahr eines Atomkriegs nicht nur ein Stück Geschichte ist. Blanton wies darauf hin, dass neun Länder Zugang zu den mehr als 13.000 Atomwaffen auf der Welt haben, und 22 Länder über Materialien verfügen, die zum Bau einer Atombombe verwendet werden könnten.
„Im Jahr 2025 ist die Anti-Atomkraft-Bewegung so wichtig wie eh und je“, sagte Blanton. PSR und IPPNW, die in den 1980er Jahren ihre Missionen auf die Befürwortung von Umweltgesundheit ausgeweitet hatten, sind nach wie vor aktiv. Sie „zeigen uns weiterhin, dass Länder sowohl mit wie ohne Atomwaffen sich verantwortlich zeigen müssen, zu verhindern, dass es weder zur totalen nuklearen Katastrophe kommt noch zu einer, wie Ärzt:innen es bezeichnen: ‚einer langsamen Vergiftung unserer Welt‘ ‚ durch Atomwaffentests und -produktion“, sagte Blanton.
Führungen durch die Ausstellung „Prescriptions for Peace“ können bei chm@hms.harvard.edu angefragt werden.
Am 16. April findet in Countway ein Zine-Workshop zum Thema Umweltrecht statt. Es wird auch die Möglichkeit geben, Anti-Atomkraft-Zines, Poster und Buttons unter Bezugnahme auf primäres Quellenmaterial aus der Ausstellung zu entwerfen.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Ursula Nollenberger vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!
Amy Roeder ist leitende Redakteurin beim Harvard Chan Magazine und leitende Autorin im Büro für Kommunikation.