Das Permanent Peoples’ Tribunal (PPT), eine internationale zivilgesellschaftliche Instanz zur Untersuchung schwerer Menschenrechtsverletzungen, hat gestern sein Urteil über die Türkei veröffentlicht. In dem auf einer Pressekonferenz im Europäischen Parlament in Brüssel vorgestellten Abschlussbericht wird dem türkischen Staat eine Reihe schwerer Vergehen zur Last gelegt – darunter Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie völkerrechtswidrige Handlungen in Rojava.

Das Tribunal, das Anfang Februar an der Freien Universität Brüssel unter dem Titel „Permanent Peoples’ Tribunal on Rojava vs. Türkei“ stattfand, untersuchte Verbrechen der Türkei und ihrer Verbündeten seit der Besetzung der kurdischen Efrîn-Region im Jahr 2018. Das Tribunal steht in der Tradition der sogenannten Russell-Tribunale, die ungesühnte Verbrechen dokumentieren und anprangern.

Beweisführung und Urteil

Der 80-seitige Bericht stützt sich auf umfangreiches Beweismaterial, das unter anderem gezielte Angriffe auf zivile Infrastrukturen, Folter, Entführungen, willkürliche Inhaftierungen sowie Vertreibungen dokumentiert. Auch die Zerstörung kultureller und historischer Stätten der kurdischen und êzîdischen Gemeinschaften wird festgehalten.

Besonders schwerwiegend sind die Erkenntnisse über völkerrechtswidrige Militäroperationen der Türkei – darunter „Euphrat-Schild“ (2016), „Olivenzweig“ (2018) und „Friedensquelle“ (2019). Diese Operationen führten laut Bericht zu anhaltenden Besetzungen in Gebieten wie Efrîn, Girê Spî (Tall Abyad) und Serêkaniyê (Ras al-Ain) und verletzten die territoriale Souveränität Syriens.

Konkrete Vorwürfe: Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen

Das Tribunal stellt fest, dass türkische Streitkräfte sowie von der Türkei unterstützte Dschihadistenmilizen nachweislich Kriegsverbrechen im Sinne des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs begangen haben. Dazu zählen:

  • Bombardierungen von Krankenhäusern, Schulen und Wasserinfrastruktur
  • Einsatz von weißem Phosphor im Oktober 2019 in Girê Spî und Serêkaniyê
  • Willkürliche Exekutionen an Zivilist:innen durch verbündete Gruppen
  • Systematische Folter, Entführungen und Verschwindenlassen

Darüber hinaus wurden Verbrechen gegen die Menschlichkeit festgestellt, insbesondere durch sogenannte demografische Umstrukturierungen. Nach der Besetzung Efrîns seien über 200.000 Kurd:innen vertrieben, Enteignungen vorgenommen und kulturelle sowie religiöse Stätten zerstört worden.

Forderungen und Empfehlungen

Das Tribunal fordert angesichts der dokumentierten Vergehen:

  • Ein Ende der türkischen Besatzung in Rojava und internationalen Druck zum Rückzug
  • Strafverfolgung hochrangiger türkischer Entscheidungsträger, darunter Präsident Recep Tayyip Erdoğan sowie weitere politische und militärische Führungskräfte, vor dem Internationalen Strafgerichtshof
  • Wirtschaftliche und politische Sanktionen gegen die Türkei
  • Einrichtung einer unabhängigen UN- oder EU-Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtslage in Rojava

Ein Appell an das Völkerrecht

Das Tribunal sieht sein Urteil als moralisch-rechtlichen Appell an die internationale Gemeinschaft, die Prinzipien des Völkerrechts und die Rechte unterdrückter Völker ernsthaft zu verteidigen. „Die Handlungen der Türkei gefährden den Weltfrieden und die internationale Sicherheit“, so das abschließende Fazit der Kommission.

Pressemitteilung von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit

Der Originalartikel kann hier besucht werden