Ist die EU bereit für Deregulierung von NGT-Pflanzen?
Von TESTBIOTECH, 14. März 2025
Bei einem Treffen der ständigen Vertreter der EU-Mitgliedsländer in Brüssel hat die polnische Ratspräsidentschaft heute eine Mehrheit für ihren Kompromiss zur künftigen Deregulierung von Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT) bekommen. Demnach müsste die große Mehrzahl der NGT-Pflanzen weder auf Sicherheit geprüft noch durchgehend gekennzeichnet noch rückverfolgbar sein. Ihre Patentierbarkeit würde nicht eingeschränkt. Die Deregulierung würde auch für alle Wildpflanzen gelten. Neue Entwicklungen wie die Anwendung von künstlicher Intelligenz und neue Möglichkeiten zur risikobehafteten Veränderung pflanzlicher Merkmale würden nicht berücksichtigt.
Ob der Vorschlag in dieser Form durchkommt, ist allerdings zweifelhaft, da es nach wie vor viel Kritik von Seiten der Mitgliedsländer gibt. Unklar ist auch, wie es jetzt im sogenannten Trilog zu einer gemeinsamen Position von EU-Parlament auf der einen Seite und den Mitgliedsländern und der EU-Kommission auf der anderen Seite kommen soll. Die Vorschläge weichen in wichtigen Details deutlich voneinander ab. So fordert das Parlament eine durchgängige Kennzeichnung, ein Verbot der Patentierung und andere Bewertungskriterien für die Risikoeinstufung der Pflanzen.
Mehrere EU-Länder haben bereits angekündigt, dass sie keine Kompromisse eingehen wollen. Wenn das Ergebnis zu sehr von den ursprünglichen Positionen abweicht, könnte der Gesetzesvorschlag in den finalen Abstimmungen nach dem Trilog immer noch scheitern.
Testbiotech kritisiert den jetzt angenommen Vorschlag, weil er zu einem grob fahrlässigen Umgang mit NGT-Pflanzen führen würde. Er basiert nicht auf ausreichenden wissenschaftlichen Kriterien, missachtet das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit und würde zudem das Problem der Monopolisierung von Saatgut verschärfen. Er ist nicht zukunftsfähig und schon jetzt nicht ausreichend, um einen sicheren Umgang mit der Neuen Gentechnik zu gewährleisten.
Zudem gibt es ein ganz grundlegendes Problem im Umgang mit der Glaubwürdigkeit der EU. Alle ExpertInnen, die sich den Gesetzesvorschlag näher angesehen haben, sind sich bewusst darüber, dass die hier eingeführten Kriterien (wie einen Schwellenwert von 20 genetischen Veränderungen, unterhalb dessen keine Risikobewertung nötig wäre) nicht anderes als Pseudowissenschaft sind. Sie dienen politischen und wirtschaftlichen Zwecken, sind aber völlig ungeeignet, um die Sicherheit der Pflanzen zu beurteilen. Damit gefährdet die EU das wichtigste Gut in schwierigen Zeiten: die eigene Glaubwürdigkeit.
Als Hauptverantwortlichen für diese Entwicklung sieht Testbiotech die EU-Kommission, die weitgehend die Positionen der Industrie übernommen hat und weitreichende Schäden für die Allgemeinheit in Kauf zu nehmen scheint. Auch die Berichterstattung in wichtigen Medien hat wenig dazu beigetragen, eine informierte gesellschaftliche Diskussion zu fördern. Testbiotech wird sich für weiterhin eine bessere Lösung einsetzen, mit der sowohl die BefürworterInnen als auch die KritikerInnen leben können.
TESTBIOTECH e.V.
Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie
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