„Selbst die unwirtlichsten Orte der Erde sind im Vergleich zum Rest des Universums dem menschlichen Organismus ausgeprochen wohlgesonnen.“

Dr. Mildred Meadows Prolog begündet diese Behauptung sehr nachhaltig und überzeugend. Angesichts der in Aussicht gestellten Besiedlung des Mars ist das eine Tatsache die wir uns als Menschheit sehr deutlich machen sollten. Die Zeitgenossen Dr. Mildred Meadows haben diese Binse leider außer Acht gelassen. Die Erde ist unbewohnbar geworden. Dr. Meadows hat das Glück sich und ihrer Familie, dank ihrer wissenschaftlichen Fähigkeiten, einen Platz auf einer neuen Welt zu sichern. Getrennt von Mann und Kindern reist sie durchs All um alles für die Ankunft der neuen Siedler auf dem Mond Perm  vorzubereiten. Ihre Kinder Chester, Henry und die Jüngste Loy sind bereits begierig sie dort bei ihrer Ankunft wieder in die Arme schließen zu können. Die Landung ist etwas dramatisch doch die vier finden den Weg ins Biom Lyneham das ihne das Überleben in dieser völlig fremden Umwelt in der sie weder atmen noch irgendetwas essen können ermöglicht.

Lyneham war  für mich endlich wieder einmal ein mindblowing Science-Fiction Roman. Die Technik die die lange Reise ermöglicht, die Bewältigung der lebensfeindlichen Umgebung, es ist großartig wie Nils Westerboer davon und von dieser fremdartigen von Evolution  erzählt.  Welche Wesen und evolutionären Gegebenheiten er imaginiert um diese Welt zu bevölkern und dabei doch auch das menschliche Wesen in die Geschichte einfügt, mit all seinen Höhen und Tiefen, wie Neid, Gier, Profitstreben, Liebe.

Eine Nebenfigur wurde zu einer meiner liebsten Charaktere. Frau Strom, eine KI die einst Tunnelbohrer war,nun aber in Funktion als Lehrerin agiert. Ihre Aufgabe ist unter anderem der Unterricht der Kinder und deren Einführung in das gesellschaftliche System das das Überleben auf Perm sichern soll. „Henry, dein Körper besteht aus 6 mal 10 hoch 27 Atomen. Jedes von ihnen existiert seit Milliarden Jahren. Die Wasserteilchen aus denen du zu 68 Prozent besteht und die du hierher mitgebracht hast, sind älter als die Erde und sehr viel älter als Perm. … Der Kohlenstoff, der deine organische materie bildet, kommt aus explodierenden Sternen. Auch er ist Milliarden alt. Du bist nicht mehr als ein Wimpernschlag in der unfassbar langen Geschichte eines jeden Teilchens, das sich dazu erbarmt hat, vorübergehend ein Teil von dir zu werden.“

Es geht hier letztendlich um den Eigentumsbegriff und den hat noch niemand so wunderschön dargelegt wie der Autor dies Frau Storm in den metallenen Mund gelegt hat.

Die unterschiedlichen Erzähl- und Zeitstränge einerseits Dr. Meadows andereseits, sowie Henry, der mittlere Sohn treiben einen rasant durch den Roman. Die gesellschaftspolitischen, wissenschaftlichen und philosophischen Betrachtungen sind das Sahnehäubchen in diesem SciFi der zu meinem ersten Highlight des neuen Jahres wurde. Nils Westerboer wurde 2023 für seinen Roman „Athos 2643“ mit dem deutschen Science Fiction Preis ausgezeichnet. Das könnte sich mit „Lynham“ wiederholen, der sich mit Stanislaws Lem grandiosen Werken durchaus messen kann.

Zum Thriller wird der Roman, weil nichts so ist wie es scheint und sich herausstellt, dass diese fremde Welt die künstlich zu einer auf menschliche Bedürfnisse passenden Umgebung gemacht werden soll dies nicht einfach zulässt. Wie, das kann ich euch nur ans Herz legen selbst zu erlesen, es lohnt sich. Lyneham war mein diesjähriges SciFi Highlight und ich fürchte das ist bis zum Ende des Jahres nicht mehr zu toppen.Auch wegen des sachten Witzes der im Laufe der sprachlich schön erzählten Geschichte immer wieder durchblitzt. Große Sci Fi Literatur.

Lyneham von Nils Westerboer ist im März 2025 als Klappenbroschur bei Klett-Cotta erschienen. Weitere Informationen bei Klick auf das Cover und auf der Verlagsseite.

Rezension von 

Der Originalartikel kann hier besucht werden