Frauenrechte sind keine Selbstverständlichkeit. Wir können sie jederzeit verlieren. Das zeigen aktuell die USA. Deswegen müssen wir sie laufend verteidigen.
von Helena Brandtweiner für moment.at
Das Frauenwahlrecht mag uns heute selbstverständlich erscheinen, doch historisch gesehen ist es eine relativ junge Errungenschaft – und wie jedes hart erkämpfte Recht ist es nicht unumkehrbar. Fortschritt ist kein Selbstläufer, sondern das Ergebnis gesellschaftlicher Kämpfe. Und was errungen wurde, kann auch wieder verloren gehen.
Es gibt wohl kaum ein besseres Beispiel dafür, als die aktuelle Situation in den USA. Klimaschutzmaßnahmen werden abgebaut, Bücher werden verboten, Entwicklungshilfen eingestellt und die Rechte von Minderheiten werden eingeschränkt. Wir erleben gerade in Echtzeit, wie Errungenschaften, die vor Monaten noch als selbstverständlich gegolten haben, zunichte gemacht werden. Nun gibt es auch Bemühungen darum, das Wahlrecht in den USA einzuschränken – betroffen wären vor allem POCs, Jungwähler:innen, Trans-Personen und Frauen.
Die USA schränkt das Wahlrecht ein
Unter dem Vorwand, Wahlen vor nicht-amerikanischen Wähler:innen “zu schützen”, werden mit einem neuen Gesetzesvorschlag zur Wählerregistrierung, dem “SAVE Act“, die Wahlrechte vieler Amerikaner:innen in Gefahr gebracht. Es würde dafür sorgen, dass alle potenziellen Wähler:innen persönlich einen Staatsbürgerschaftsnachweis wie einen Reisepass oder eine Geburtsurkunde vorlegen müssen, wenn sie sich für die Wahl registrieren möchten. Mit diesem Schritt werden viele der beliebtesten Möglichkeiten, sich für eine Wahl zu registrieren, unmöglich gemacht – wie die Online Registrierung oder Registrierungen über die Post.
Dadurch würden viele Menschen von Wahlen ausgeschlossen werden. Denn nicht alle Menschen haben Zugriff auf ihre Geburtsurkunde, nur ungefähr die Hälfte aller Amerikaner:innen hat überhaupt einen Pass und viele können nicht für die Registrierung zum Amt, weil sie beispielsweise nicht mobil sind oder im Ausland arbeiten. Betroffen sind auch verheiratete Frauen, die den Nachnamen ihres Partners angenommen haben. Sollten sie ihren Namen am Pass nicht aktualisiert haben oder die 130 Dollar für die Aktualisierung nicht bezahlen können, dürfen sie nicht mehr wählen. Das würde rund 69 Millionen Amerikanerinnen ihres Wahlrechts berauben.
Im aktuellen politischen Klima dürfen wir derartige vermeintliche “Nebeneffekte” nicht einfach als solche abtun. Schon seit Jahren gibt es Stimmen in den USA, die das Konzept von “Haushaltswahlen” befürworten. Dabei würde “das Familienoberhaupt”, also in der Regel der Mann, eine Stimme für den gesamten Haushalt abgeben. Dies war ein häufiges Argument gegen das Frauenwahlrecht, bevor es eingeführt wurde.
Die Pläne im „Project 2025“ verdeutlichen, dass diese patriarchale Familienstruktur nicht nur akzeptiert, sondern aktiv gefördert und institutionalisiert werden soll. Zwischen Abtreibungsverboten und dem Unsichtbarmachen von Frauen in der Forschung ist der SAVE-Act nur einer von vielen Angriffen auf die Freiheit und Selbstbestimmungsrechte von Amerikanerinnen.
Minderheitenrechte sind auch in Europa und Österreich gefährdet
Derartige Entwicklungen dürfen uns auch hierzulande nicht egal sein. Rechtsideologische Themen aus den USA beeinflussen zunehmend feministische Debatten in Europa und auch in Österreich. Die Freiheit, die Frauenrechtsaktivistin:innen für uns über das letzte Jahrhundert erkämpft haben, ist nicht vollkommen und steht in einer patriarchal geprägten Welt immer auf wackeligen Beinen – auch wenn man das gerne vergessen möchte.
In den letzten Jahren erstarkten in vielen europäischen Ländern rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien, die konservative, traditionelle Geschlechterrollen propagieren und feministische Errungenschaften infragestellen. Und diese Parteien haben ein Interesse daran, Frauen und insbesondere jungen Frauen, ihre politische Mitsprache zu verunmöglichen. Denn weltweit sehen wir, dass ihr Wahlverhalten tendenziell progressiver ist. Wäre es bei der Bundestagswahl in Deutschland nach jungen Frauen in Städten gegangen, so hätten die Linke und die Grünen gemeinsam eine absolute Mehrheit.
Frauen stehen nicht unbedingt für Frauenrechte
Gleichzeitig übernehmen viele Frauen, wie Giorgia Meloni in Italien, Marine Le Pen in Frankreich oder Alice Weidel in Deutschland Führungspositionen in rechtsextremen Parteien. Diese Entwicklung verleiht rechtspopulistischen Parteien ein „weibliches Gesicht“ und trägt dazu bei, ihre Ideologien für ein breiteres Publikum attraktiver zu machen, antifeministische Positionen zu normalisieren und traditionelle Geschlechterrollen zu festigen – es bedeutet nicht, dass in diesen Parteien Frauenrechte oder Gleichstellungspolitik unterstützt werden. Ein Blick in ihre Programme zeigt: Das Gegenteil ist der Fall.
Es wird genauso schlimm, wie angekündigt
Dennoch: 45 Prozent der Wählerinnen unterstützen Donald Trump 2024 – trotz seiner offenen misogynen Aussagen und seiner Verurteilung als Sexualstraftäter. Dafür gibt es viele mögliche Erklärungen. Eine davon: Der Glaube daran, dass man selbst nicht von der Politik betroffen wäre oder es “schon nicht so schlimm” wird.
Die ins Extrem getriebenen und teilweise an Absurdität grenzenden Entwicklungen in den USA zeigen, in welche Gewässer uns derartige Strömungen ziehen können – wenn man sie nicht ernst nimmt. Denn die Frauenfeindlichkeit und der Wunsch nach alten Machtgefällen und Abhängigkeitsverhältnissen machen auch und besonders vor der eigenen Haustüre nicht halt.
Was gerade in den USA passiert, ist eine Warnung – es liegt an uns, frühzeitig gegenzusteuern, und zwar bevor wir die Gefahr geraten, ähnliche Rückschritte zu erleben. Frauenrechte wurden erkämpft, nicht geschenkt – dementsprechend müssen sie jeden Tag aufs Neue verteidigt werden.