Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Ukraine für ihr Versagen bei der Verhinderung und Aufarbeitung der schweren Ausschreitungen in Odessa am 2. Mai 2014 verurteilt. Das Gericht stellte fest, dass der ukrainische Staat gegen das Recht auf Leben verstoßen hat, indem er keine wirksamen Maßnahmen zur Verhinderung der Gewalt ergriff, die Sicherheit der Menschen nicht gewährleistete und die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen vernachlässigte.
Mangelnde Schutzmaßnahmen und unterlassene Rettungseinsätze
Laut Urteil des EGMR haben die zuständigen Behörden es versäumt, alle zumutbaren Schritte zu unternehmen, um die Eskalation der Gewalt zwischen proukrainischen und prorussischen Gruppen zu verhindern. Besonders kritisiert wurde das Verhalten der Sicherheitskräfte, die trotz ihrer Anwesenheit nicht eingegriffen haben, um die Ausschreitungen zu stoppen und Menschen aus dem brennenden Gewerkschaftshaus zu retten.
Infolge der Gewalt starben 48 Menschen, die meisten von ihnen in dem Feuer, das in dem Gebäude ausbrach. Hunderte weitere wurden verletzt. Berichte legen nahe, dass viele Opfer in unmittelbarer Nähe der Polizei gefangen waren, als sie vergeblich versuchten, dem Flammeninferno zu entkommen.
Fehlende strafrechtliche Konsequenzen
Das Gericht rügte zudem die unzureichende strafrechtliche Aufarbeitung des Vorfalls. Die ukrainischen Behörden hätten es versäumt, eine effektive Untersuchung der Vorfälle durchzuführen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Der EGMR betonte, dass die Untätigkeit der Justiz eine weitere Verletzung der Menschenrechte darstellt und das Vertrauen in den Rechtsstaat untergräbt.
Entschädigungen für die Opfer
Auf Grundlage der Klagen von 28 Überlebenden und Hinterbliebenen wurden Entschädigungen in unterschiedlicher Höhe für immateriellen Schaden sowie für Kosten und Auslagen zugesprochen. Der EGMR erklärte, dass die Ukraine die Pflicht habe, die Versäumnisse aufzuarbeiten und sicherzustellen, dass solche Ereignisse in Zukunft verhindert werden.
Politische Dimension
Das Gericht stellte fest, dass Desinformation und Propaganda aus verschiedenen Quellen zur Eskalation der Gewalt beigetragen haben. Dennoch wurde die Verantwortung der ukrainischen Regierung betont, die ihrer Schutzpflicht nicht nachgekommen sei.
Das Urteil des EGMR ist ein mahnendes Signal an die Ukraine, die Ereignisse von 2014 nicht weiter zu ignorieren und die dringend notwendige strafrechtliche Aufarbeitung voranzutreiben.