Die Vorstellung des Weißen Westens von Frieden wird weitgehend mit der Abwesenheit von Krieg in Verbindung gebracht. Auch die Ursprünge des Friedenssymbols gehen auf die Anti-Atombewegung zurück. Aber was meinen wir, wenn wir von Frieden sprechen?
Wenn dich jemand fragen würde: „Bist du heute mit dir selbst im Reinen?“ oder „Bist du mit deinen Nachbarn, deiner Familie, bei der Arbeit oder in deiner Gemeinde im Reinen?“ – wie würdest du antworten? Kennst du wirklich friedliche Menschen? Bist du schon mit Organisationen in Berührung gekommen, die einen Frieden verkörpern, der über den Widerstand gegen Krieg hinausgeht? Und wie viel Zeit verbringst du eigentlich damit, Frieden als solchen in deinem täglichen Leben zu kultivieren?
Unsere Gesellschaften haben klar definierte Konzepte für Religion, Wirtschaft, Politik und Kunst, alle bestückt mit Einrichtungen, die sich ihrer Erforschung und Bewahrung widmen. Dennoch fehlt uns ein grundlegendes, allgemein verstandenes Grundkonzept von Frieden. Sogar der Friedensnobelpreis wurde von dem Industriellen und Waffenproduzenten Alfred Nobel, ins Leben gerufen, was die ihr innewohnende Widersprüchlichkeit von unserer Darstellungsweise des Friedens verdeutlicht.
Vieles von dem, was wir unter Frieden verstehen, steht in einer Beziehung zum Krieg, fast so, als ob Frieden nur dessen Gegenteil wäre. Schlimmer noch, er wird oft als Ausdruck von Schuld angesehen, als eine Form von Entschädigung für zuvor begangene Fehler oder als strategisches Instrument zur Beschwichtigung, während die Ausbeutung weitergeht. Warum zum Beispiel finden sich die größten Friedensbewegungen in den westlichen Ländern – genau in den Nationen, die in der Vergangenheit Kriege geführt haben und die weiterhin vom globalen Waffenhandel profitieren?
Kannst du dir vorstellen, dass ein Politiker auf der Grundlage eines Programms gewählt wird, das den Frieden in den Mittelpunkt stellt – nicht als Form nationaler Sicherheit, sondern als soziales Wohlergehen und kollektive Harmonie? Anders als Geld kann der Friede nicht für sich selbst auf Kosten anderer gehortet werden. Frieden ist ein integrierter Schaltkreis, der vom Persönlichen zum Sozialen und wieder zurück fließt. Und doch, wie viele Menschen verharren in lieblosen Beziehungen, ertragen Jobs, die sie verachten, oder leben in Gemeinschaften voller unausgesprochener Spannungen? Wo ist da der Frieden?
Die meiste Zeit unseres Lebens leben wir unter einer Tyrannei der Angst – bei der Arbeit, in politischen und wirtschaftlichen Systemen, die unsere Zukunft diktieren, und in internationalen Beziehungen, die von Zwang und Dominanz geprägt sind. Wie können sich acht Milliarden Menschen einen Planeten teilen, ohne ein tieferes, kollektives Verständnis von Frieden? Wie können wir ein Leben aufbauen, das den Frieden aktiv ausweitet, wie Werkzeuge entwickeln, um ihn zu nähren, und wie das Wissen schaffen, das wir brauchen, um ihn zu erhalten?
In vielen asiatischen Traditionen ist Frieden mehr als nur die Abwesenheit von Krieg – es ist eine Lebensweise, die in innerer Harmonie, sozialem Gleichgewicht und Respekt vor der Natur verwurzelt ist. Verschiedene Kulturen haben einzigartige Perspektiven auf den Frieden entwickelt, die sowohl persönliche als auch gesellschaftliche Werte geprägt haben:
- Buddhismus: Frieden (Shanti) beginnt im Inneren. Die Lehren des Buddha betonen Ahimsa (Gewaltlosigkeit) und den Achtfachen Pfad, der den Einzelnen zu innerer Ruhe als Grundlage für eine harmonische Gesellschaft führt.
- Konfuzianismus: Frieden (hé, 和) wird durch ethische Beziehungen, Respekt und soziale Harmonie erreicht. Konfuzius lehrte, dass eine gerechte Gesellschaft von ren (Menschlichkeit) und li (ritueller Anstand) abhängt.
- Taoismus: Frieden ist ein Leben im Einklang mit der Natur (Dao). Das Konzept von Wu Wei (müheloses Handeln) legt nahe, dass das Erzwingen von Kontrolle zu Disharmonie führt, während Gleichgewicht und Einfachheit dauerhaften Frieden schaffen.
- Hinduismus: Frieden (Shanti) existiert auf mehreren Ebenen – persönlich, sozial und kosmisch. Ethisches Leben (Dharma) und Gewaltlosigkeit (Ahimsa) kultivieren Frieden, während spirituelle Praktiken Harmonie mit dem Universum suchen.
- Japanische Kultur: Das Konzept von wa (Harmonie) ist von zentraler Bedeutung für Beziehungen und Gesellschaft. Die Kunst des Kintsugi – zerbrochene Keramik mit Gold zu reparieren – symbolisiert, dass wahrer Frieden durch das Heilen und Umarmen von Unvollkommenheiten entsteht.
- Islamische und Sufi-Traditionen: Frieden (Salaam) ist die Unterwerfung unter den göttlichen Willen, was inneren Frieden und Gerechtigkeit fördert. Das Sufi-Ideal des sulh-i-kul (universeller Frieden) fördert Liebe und Einheit über Spaltungen hinweg.
- Indigene und volkstümliche Traditionen: Viele indigene Kulturen Asiens legen Wert auf gemeinschaftlichen Frieden. Das philippinische Konzept von Kapwa (geteilte Identität) und Bangladeschs Idee der sozialen Harmonie betonen das Zusammenleben und das kollektive Wohlbefinden.
Im Gegensatz zu westlichen Perspektiven, die Frieden oft nur als politisches oder rechtliches Abkommen betrachten, sehen viele asiatische Traditionen Frieden als einen kontinuierlichen Prozess an – eine Integration von innerer, sozialer und ökologischer Harmonie. Frieden ist nicht nur ein Ziel, sondern eine Lebensweise.
Wir besitzen alle Elemente, die wir brauchen, um ein sinnvolles Konzept des Friedens zu entwickeln. Die Herausforderung besteht nun nicht nur darin, sie zu verstehen, sondern sie in unseren Einrichtungen, Gemeinschaften und im täglichen Leben zu verankern.