Braucht es ein Buch, das uns zu einer Aufarbeitung des für viele Mitbürger in Politik und Gesellschaft inzwischen doch „lästigen Themas“ auffordert, nämlich der Corona-Zeit? Wollen die meisten von uns eigentlich gar nicht mehr an diese schlimme Zeit des Zerbrechens vieler Freundschaften, ja sogar von Zerwürfnissen in vielen Familien erinnert werden?

Ja, auch diese Gefühle des Verdrängens von gegensätzlichen Meinungen und damit verbundener Verletzungen zur Wiedergewinnung eines „normalen“ Miteinanders sind nicht selten. Und ja, in vielen Fällen ist es hinsichtlich Freundschaft und Familie sinnvoll, nicht im Stil von „Ich habe recht gehabt“ das Thema Corona aufarbeiten zu wollen.

Aber gilt dies auch für die Gesamtgesellschaft, die politisch Verantwortlichen sowie die journalistische Begleitung des Pandemie-Managements?

Nein, hier muss zum Schutz unserer offensichtlich sehr leicht verletzbaren Demokratie und vor allem für die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte in Krisen für jeden von uns eine umfassende Aufarbeitung der Corona-Zeit erfolgen. Es ist sicherlich nicht unangemessen, uns sowohl als Befürworter als auch als Gegner der Corona-Maßnahmen verpflichtet zu fühlen, an dieser Aufarbeitung im Sinne des Gemeinwohls, nicht der Rechthaberei, mitzuwirken.

Und deshalb ist dieses Buch von Christian Felber ein Geschenk für uns alle.

Wir müssen uns einfach darüber klar werden, wie es möglich war, dass über medial vermittelte Angstmache rund zwei Dutzend der Grundrechte problemlos außer Kraft gesetzt werden konnten. Ebenso notwendig ist ein Wieder-bewusst-Werden, dass die in der Pandemie praktizierte „eine Wahrheit“ keine Wissenschaft, sondern Dogmatismus ist. Unser Verständnis von Wissenschaft sollte wieder von der Tatsache beherrscht werden, dass es stets neue Erkenntnisse gibt und auch das Bekenntnis zu fehlerhaften Meinungen eine Grundhaltung der Wissenschaft sein muss. Wenn nur die Mehrheitsmeinung von Wissenschaftlern als richtig und wahr anerkannt wird, dann müsste es auch heute noch wissenschaftliche Wahrheit sein, dass sich die Sonne um die Erde dreht. Dies war lange Zeit Mehrheitsmeinung der Wissenschaftler. Umso wertvoller sind im Zusammenhang mit der beruflichen und gesellschaftlichen Zerstörung von Wissenschaftlern, Politikern, Medizinern sowie Verantwortungsträger in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, die eine abweichende Meinung zu den Mehrheitsmeinungen bzw. „staatlichen Experten“ wagten, die Ausführungen im Felber-Buch. Auch zu diesem Thema ist das Buch ein Geschenk auf dem Weg zur Rehabilitierung mutiger Mitbürger.

Darüber hinaus sind die für die Leser doch auch in Teilen sachlich und fachlich sehr anspruchsvollen Ausführungen in diesem Werk geradezu ein Lehrbuch für Demokratie und Anstoß für eine umfassende und systematische Aufarbeitung des Pandemie-Managements.

Gerade die Abschnitte „Warum Grundrechte“ und „Herzstillstand der Demokratie“ zeigen in aller Deutlichkeit die verfassten Grund- und Menschenrechte und die in Corona-Zeiten maßlos zu nennenden Einschränkungen der staatlichen Pandemiemaßnahmen auf. Eine Herausforderung für die Leser ist dabei sicherlich die in kleiner Schrift über mehrere Seiten aufgeführte Tabelle mit der Liste der eingeschränkten Grundrechte. Aber die Mühe lohnt sich, denn diese Liste machte es erfühl- und erlebbar, welche Rechtsverletzungen wir im Glauben an einen fürsorglichen und rechtstreuen Staat mehrheitlich akzeptierten.

Diese Akzeptanz wird nachvollziehbar, wenn man im Buchteil „Wie konnte das passieren“ die Rollen der Akteure des Pandemiemanagements nachlesen kann, und zwar mit einer Fülle von Quellenhinweisen, die man sogar umfassend (687 Fußnoten) unter www.westendverlag.de/felber_grundrechte abrufen kann.

Es ist geradezu schmerzhaft, wenn man in diesem Abschnitt die Rollen und Grundrechte verletzende Machtausübungen der politisch Verantwortlichen, der Militärs und sog. Philanthropen und leider auch der sog. „Vierten Gewalt“, also einer Mehrheit der Medien, zur Kenntnis nehmen muss. Die Rolle der sog. Faktenchecker zeigt ebenfalls den machtpolitischen Missbrauch von „wissenschaftlichen Wahrheiten“ klar und deutlich auf.

Und ja, auch die große Spaltung, die Polarisierung und unser offensichtlich doch gar nicht so stark ausgeprägtes kritisches Hinterfragen, also die Verführung zu einer autoritär gelenkten Solidarität, wird aufgearbeitet. Dies soll ganz bestimmt nicht eine beschämende Wirkung auf uns Leser ausüben. Es ist eine Mut machende, positive Aufforderung zu einer Verstärkung unserer grundsätzlich ja vorhandenen kritisch-hinterfragenden Distanz zu politischen Maßnahmen, vor allem in Krisenzeiten.

Und Felber zeigt auch noch im Abschnitt „Blick in die Zukunft“ unmissverständlich und entsprechend quellenbelegt auf, welche Krisen unsere Grund- und Menschenrechte wieder in Gefahr bringen könnten. Deshalb schließt sein Buch auch mit begründeten Vorschlägen zur Vorbereitung zum Schutz vor solchen Gefahren.

Fazit: „Lob der Grundrechte“ ist nicht nur eine gelungene Dokumentation zur umfassenden, aber wertschätzenden Aufarbeitung der Corona-Pandemie. Es ist tatsächlich ein Lehrbuch für Demokratie und ein Kompendium für die politische und gesellschaftliche Gestaltung einer gelingenden gemeinwohlorientierten Gesellschaft. Anspruchsvoll und einfach lesenswert!

Günter Grzega

Anmerkung des Autors: Aus Gründen der flüssigen Lesbarkeit wurde im gesamten Text grundsätzlich die maskuline Form angewandt. Alle Geschlechter sind jedoch gleichermaßen angesprochen.

 

Buchinfo

Christian Felber

Lob der Grundrechte
Wie wir in kommenden Krisen das Gemeinwohl schützen

Westend Verlag, Februar 2025
ISBN 9783864894909
224 Seiten, kartoniert

Link zum Buch

 

Redaktioneller Tipp:

Im YouTube-Interview „25 Grundrechte verloren! Die Wahrheit nach 5 Jahren Corona“ spricht Christian Felber über sein neues Buch und das Thema „Grundrechte sind Menschenrechte“.