Im August letzten Jahres deckte der österreichische Tierschutzverein RespekTiere unsägliche Missstände in einem Milchviehbetrieb im Innviertel an der deutsch-österreichischen Grenze auf: Angekettete und verwahrloste Tiere, die 24 Stunden am Tag in den eigenen Fäkalien dahinvegetierten, ohne jemals auf die Weide gelassen zu werden. Ein Wanderer aus Bayern hatte Alarm geschlagen, woraufhin RespekTiere aktiv wurde und Bilder der katastrophalen Zustände aus dem Stall veröffentlichte.

Es gab eine großes Medienecho, von der Kronen Zeitung bis zum ORF wurde berichtet und der Fall schaffte es unter dem Titel „Kot und Ketten – furchtbarer Fall von Tierquälerei“ sogar in den Microsoft Newsfeed. Der wahre Skandal dabei: Die Milch der betroffenen Kühe trug nicht nur das AMA-Gütesiegel, sondern wurde zudem vom „Premium-Anbieter“ Salzburg Milch weiterverarbeitet und verkauft, der mit hohen Tierwohlstandards wirbt und laut eigenen Aussagen den Verzicht auf Anbindehaltung seit Ende 2018 umgesetzt hat. Aber auch die zuständige staatliche Behörde war offensichtlich nicht eingeschritten – „ein Dreifach-Prüfsystem, das in jenem Fall allem Anschein nach nur eines tat – ziemlich zu versagen“, wie die Tierschützer passend kommentierten.

Doch dann geschah etwas Bemerkenswertes. Anstatt auf stur zu stellen, zeigte der Landwirt Reue und Gesprächsbereitschaft. Er meldetet sich bei den Tierschützern und trug ruhig und konzentriert seine Situation vor, ohne sich in Gegenanschuldigungen, Selbstmitleid oder gar Ausreden zu verlieren. „Keine Beschwichtigungsversuche, nein, er trat vom ersten Tag an den Weg nach vorne an“, so der Bericht vom Team von RespekTiere, das seinerseits Verständnis und Offenheit für die Probleme des Landwirts bewies.

Man verabredete sich zu einem Gespräch auf dem Hof, bei dem auch die Hintergründe klar wurden, wie es zu dieser Misere gekommen war. Der Landwirt, der eigentlich gar nicht in die Landwirtschaft wollte, hatte den Hof von den früh verstorbenen Eltern übernommen, war zunächst trotzdem hochmotiviert und musste aber im Laufe der Zeit erleben, dass er als kleiner Betrieb gegen Marktmechanismen und bürokratische Hürden nicht ankam. Es folgte eine Scheidung, als alleinerziehender Vater blieb wenig Zeit und Geld, um in Innovationen zu investieren, noch dazu, wenn die eigenen Kinder den Betrieb nicht übernehmen wollen.

Dass sich das jetzt geändert hat, weil einer der Söhne nun doch Interesse zeigt, war sicher die Basis dafür, wieder neue Kraft zu schöpfen und aus der Perspektivlosigkeit herauszukommen. Und die Veröffentlichung der Bilder aus dem „Skandalstall“ war dann wohl die Initialzündung. Jedenfalls hat sich seitdem einiges geändert, wie die Tierschützer erfreut feststellen konnten. So wurde für Sauberkeit gesorgt und Stroh eingestreut, die Kälber aus den engen Boxen befreit. Im Stall wurden Bürsten installiert, die die Kühe gerne zur Massage nutzen. Sie haben jetzt Zugang zum Melkroboter und zum neuen überdachten Freilaufbereich, der als mobiler Wind- und Wetterschutz bzw. Schatten- und Schlafbereich fungiert und mit dem Traktor verschoben werden kann. Alles in Eigenarbeit, teils mit wiederverwendeten Materialien und der Hilfe des Bruders, der mit anpackte.

Nun werden die angrenzenden Wiesen noch eingezäunt und im Frühjahr wird es dann soweit sein: Die Kühe können endlich auch auf die Weide, können Sonne auf der Haut und Gras unter den Hufen spüren. Eine unglaubliche Wandlung, die selbst die Tierschützer von RespekTiere stolz auf den Landwirt macht. Er ist über seinen Schatten gesprungen und hat die nötigen Veränderungen angepackt. Und ist so zu einem Vorbild geworden, das hoffentlich noch viele Nachahmer findet.

Wohlgemerkt hat er das aus eigenem Antrieb geschafft, von Staat und Industrie kam da wenig. Aber er hat moralische Unterstützung von seinen vermeintlichen „Gegnern“ erhalten. Eine zutiefst menschliche Erfolgsgeschichte, die zeigt, was möglich ist, wenn sich Fronten nicht verhärten, sondern ins Gespräch kommen und miteinander kooperieren. Wir wünschen dem Landwirt alles Gute und den Tierschützern weiterhin so viel Erfolg mit ihrer Arbeit wie bei dieser Geschichte, die für alle Beteiligten, allen voran den Tieren, ein glückliches Ende nahm.

Quellen mit Fotoreportagen und weiteren Infos:
Kuhskandal bei Franking – was sagt eigentlich der betroffene Landwirt dazu?
Wie wichtig Tierschutzarbeit ist – Frohe Weihnachten!