Die USA verhängten kürzlich neue antirussische Sanktionen, um Moskaus Erdölexport mithilfe der Schattenflotte von Öltankern erheblich zu behindern. Diese Strafen sollen offenbar erste Wirkung zeigen.

Von Alex Männer

Im Rahmen ihres Sanktionskrieges gegen Russland haben die Vereinigten Staaten am 10. Januar neue antirussische Wirtschafts- und Handelsstrafen im Erdölsektor eingeführt, die unter anderem jene russische Öltanker betreffen, die gegen „internationale Auflagen“ zu Versicherungsschutz und der sogenannten „Preisobergrenze für Öltransporte“ verstoßen sollen.

Wie schon bei dem Ölpreisdeckel, den die westlichen Staaten vor mehr als zwei Jahren verhängt hatten und den Moskau bislang erfolgreich umgehen konnte, versuchen die Amerikaner es also mit einer weiteren „harten Maßnahme“, Russland am Export von Erdöl per Schiff zu hindern.

Zur Erinnerung: Um russische Einnahmen im Ölsektor zu verringern und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass das russische Öl weiterhin angeboten wird und die Preise auf den Weltmärkten nicht in die Höhe schießen, hatten die USA, Großbritannien, die EU-Länder, Kanada, Australien und Japan Ende 2022 das Verhängen einer Preisobergrenze für Öl aus Russland genehmigt, die einen Preis von maximal 60 US-Dollar pro Barrel vorsieht.

Als Reaktion darauf haben die Russen Hunderte von Öltankern auf dem Weltmarkt angeschafft, um ihren Bedarf an europäischen Schiffen zu minimieren und so die Sanktionen zu umgehen. Vor den Restriktionen wurde fast die Hälfte der russischen Öllieferungen nach Europa mit Tankern europäischer Unternehmen realisiert. Dieser Anteil hat sich bereits 2023 halbiert und danach noch weiter verringert. Inzwischen sind es meist die Tanker der sogenannten „russischen Schattenflotte”, die riesige Mengen an russischem Öl über die Weltmeere zu solchen Abnehmern wie China oder Indien transportieren. Außerdem sind viele dieser Schiffe unversichert, weil die Sanktionen den Versicherern verbieten, bestimmte Öltransporte zu versichern.

Washington hat das Problem „Schattenflotte“ bedacht und richtet seine Sanktionen deshalb nicht nur gegen die russischen Ölproduzenten „Gazprom Neft“ und „Surgutneftegaz“, sondern auch gegen 183 Öltanker. Daher drohen Häfen oder Unternehmen, die mit diesen Schiffen Geschäfte machen, hohe Strafen durch die USA.

Kommt die russische Schattenflotte jetzt zum Stillstand?

Diversen Medien zufolge haben diese Maßnahmen bereits erste Wirkung gezeigt. So berichtete die Agentur Reuters vergangene Woche unter Verweis auf Daten der Anbieter MarineTraffic und LSEG, dass 65 Öltanker, die zur russischen Schattenflotte gehören sollen, ihre Fahrt zu dem Zeitpunkt gestoppt haben und an verschiedenen Orten vor Anker gegangen sind. Zudem hatten einige Häfen schon zuvor Einlaufverbote für sanktionierte Schiffe ausgesprochen.

Auch die russische Expertin Alexandra Prokopenko, die früher als Beraterin der russischen Zentralbank tätig war und heute für den Thinktank Carnegie Russia Eurasia Center arbeitet, geht davon aus, dass die neuen Sanktionen der USA die russischen Exporteure durchaus in Bedrängnis bringen. Denn die Strafen betreffen derzeit etwa ein Drittel der russischen Schattenflotte, weshalb der Export von 1,3 Millionen Barrel Rohöl pro Tag dadurch unterbrochen werde. Kurzfristig dürfte dies „Auswirkungen auf den russischen Haushalt und die Wirtschaft“ haben. Langfristig drücken die westlichen Strafmaßnahmen Russlands Gewinnmarge, weil unter anderem höhere Kosten auf Moskau zukommen würden, so Prokopenko.

Demnach hat der Kreml zwei Optionen, um diese Restriktionen zu umgehen: „Erstens kann er die durch die Schattenflotte transportierten Exportmengen an Rohöl reduzieren und sein Öl für die von den G7-Staaten festgelegte Preisobergrenze von 60 US-Dollar pro Barrel verkaufen. Das ist aber höchst unwahrscheinlich. Die zweite Option ist die Mobilisierung alternativer Schiffe für eine neue Schattenflotte. Die Industrie, die daran hängt, muss sich dann erstmal anpassen. Sie braucht etwa eigene Versicherer und Briefkastenfirmen, um ein neues System aufzubauen. Diese Investitionen werden kurzfristig dafür sorgen, dass Russland weniger Gewinn macht. Aber ich gehe davon aus, dass Präsident Wladimir Putins Schattenflotte so nicht zu stoppen ist, da sie sich an die neuen Sanktionen anpassen wird. Die Frage ist, wie schnell und in welchem Umfang Moskau dazu in der Lage ist. Es wird aber voraussichtlich nicht Jahre dauern.“

Darüber hinaus sei es auch unwahrscheinlich, dass Russland sich an den Preisdeckel halten wird, meint die Expertin. Unter anderem deshalb, weil der Gewinnverlust für die russischen Exporteure geringer wäre, wenn sie einfach „alternative Schiffe für eine neue Schattenflotte“ finden. Sie würden dadurch auch mehr Zeit gewinnen, weil der Westen erst wieder herausfinden müsste, welche Öltanker dazu gehören. In dieser Zeit könnte Russland weiterhin sein Öl exportieren und daraus hohe Einnahmen verbuchen.

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