Abwegige Meinungen dieser Art häufen sich aktuell in den Hauptmedien Westeuropas im Kontext mit den wohl zu Ende gehenden Kampfhandlungen in der Ukraine.

In der Neuen Zürcher Zeitung vom 21.12.2024 schrieb Andreas Umland in einem Gastkommentar, warnend vor dem russischen Expansionsdrang und eines Siegfriedens. Er ist Historiker und Analyst beim Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien.

Eine Replik auf Herrn Umlands Meinung: Er lässt die lang- und kurzfristigen historischen Erfahrungen Europas mit Russland und die Politik-Ergebnisse Russlands in ihren Wesenszügen außer Acht.

Der Zar verkaufte einst für lächerliche 7,2 Millionen Dollar Kanada an die USA. Die russischen Zaren beteiligten sich nicht an den westeuropäischen kolonialen Eroberungen in Lateinamerika, Afrika und Asien. Russland gab die Insel Spitzbergen, wo die Russen über Jahre Steinkohle gefördert hatten, an Norwegen zurück. Die Inselgruppe ist knapp doppelt so groß wie Taiwan. Die Rückgabe erfolgte im Gegensatz zu den öffentlichen Ankündigungen des wiedergewählten Präsidenten Trump, der Ambitionen an Grönland und Panama angemeldet hat.

Geopolitisch bedeutsamer für den Spannungsabbau in der Welt und zur Vermeidung eines dritten Weltkrieges, waren drei große reale Veränderungen, die die russische Regierung in der jüngeren Zeit unternommen hatte: 1991 erfolgte der freiwillige Umbau der UdSSR zur Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) mit einer territorialen Verkleinerung Russlands, die Auflösung des Warschauer Paktes als militärischer Arm und die freiwillige Auflösung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe. Russland, der Partner der Antihitlerkoalition, hatte 1989/1990 der Wiedervereinigung Deutschlands zugestimmt.

Eine russische Gene zur Hegemonie und Expansion ist en toto nicht erkennbar.

Friedensverträge, die Konfliktstoff für die Zukunft enthielten, gab es in der historischen Vergangenheit reichlich. Sieger ohne humanen Gemeinsinn bestimmten stets die Bedingungen. In den Kolonialzeiten, 1871 nach dem deutsch/französischen Krieg, besonders 1918 nach dem 1. Weltkrieg im Vertrag von Versailles, der nicht nur für die Wirtschaft Deutschlands eine fatale Entwicklung nach sich zog, er hatte böse Folgen auch für den Nahen Osten bis zur Gegenwart (Israel/Palästinakonflikt, Syrien, Türkei). Die Landkarten dieser Region sahen vor 1918 anders aus.

Nach dem 2. Weltkrieg gab es keinen Friedensvertrag zwischen der Antihitlerkoalition und Deutschland. Es galten und gelten die Interessen Washingtons, Londons und Moskaus auch für den Ausgleich erlittener Verluste. Die Festlegungen der Konferenzen der Siegermächte in Jalta und Potsdam galten weiter. Jede Besatzungsmacht bediente sich aus seiner besetzten Zone. Russland demontierte noch brauchbare Teile des Schienennetzes und Maschinen aus nicht zerstörten Fabriken der ex DDR. Die Goldreserven Deutschlands in Milliarden Größen, beschlagnahmten die westlichen Siegermächte. Per 31.12.2016 lagern noch 1.230 Tonnen deutsches Gold bei der US-Notenbank, 432 Tonnen bei der Bank of England und 91 Tonnen bei der Banque de France (Wikipedia). Das Gold diente auch als Kreditsicherung im Rahmen des Marshallplanes.

Das aktuelle Problem: Der Historiker Andreas Umland tendiert zur Weiterführung der Kämpfe in der Ukraine mit unvermeidlichen Toten und Zerstörungen von Wohnungen, Arbeitsplätzen, Versorgungsnetzen, Kulturgütern. Er alimentiert die Kriegsbegeisterten und die Vertreter der Rüstungsbetriebe. Ein Frieden ist dienlicher für die ukrainische Bevölkerung und für das Land. Auch für den Nachbar Russland.

Was konkret im Friedensvertrag eines Siegfriedens im Ukrainekonflikts geregelt wird, ist ungewiss.

Ein künftiger Friedenserhalt muss in all seinen Facetten enthalten sein. Dazu gehören die Elemente, künftiger Sicherheiten beider Seiten, die Interessen Russlands, dass nicht Juniorpartner der USA und der NATO sein will, des Vertrauens zwischen den am Kampf Beteiligten. Der Besiegte muss in Menschenwürde überlebensfähig bleiben.

Die These, dass sich der Waffenkonflikt in der Ukraine um einen reinen Verteidigungskrieg handelt, befindet sich auf sehr dünnem Eis. Die Wurzeln des Ukrainekonflikts gehen bis auf die Truman-Doktrin von 1947 zurück. Wörtlich zitiert: „Den Sozialismus aufzuhalten und zurückzudrängen“. Die Doktrin des Präsidenten der USA leitete den 40-jährigen Kalten Krieg ein, dessen Ende 1990 zu früh ausgerufen wurde. Die Bevölkerung bewertete den Geist der Konferenz von Helsinki für Sicherheit und Zusammenarbeit zu hoch ein. Die NATO, an vorderer Stelle Deutschland, hat Kampfpotential bis an die russische Grenze positioniert und liefert an die Ukraine Waffen und Kampflogistik. In der Ukraine geht es um eine Auseinandersetzung zweier historischer Systeme.

Die gegenwärtige EINE WELT hat mit der Klimawende enorme Zukunfts-Aufgaben zu bewältigen. Kriege hindern mit ihren Wirkungen, die Gewährleistung eines erträglichen Klimas, sie beschränken die realen finanziellen Mittel für diese Ziele und sind konträr zur evolutionären Aufgabe des Erhalts der Menschheit.

Der Mensch hat ja nur sein Denk- und Arbeitsvermögen, wussten schon Platon, Albert Einstein und der Zivilisationstheoretiker Norbert Elias. Noch bestehen starre Fronten zwischen Kapital und Arbeit, Wirtschaft und Natur. Der Wirtschaftstheoretiker Karl Polanyi sieht die westliche Renditeordnung in einer großen historischen Transformation. Enthalten ist die in der Vergangenheit politisch gewollten Verselbstständigung der Wirtschaft im Rahmen der demokratischen Parteienstaaten.