Trump wiederholt seine Drohung mit Zöllen. Während Kanada über harte Gegenmaßnahmen diskutiert, geben sich Deutschland und die EU kompromissbereit: Die deutsche Wirtschaft ist vom US-Geschäft abhängig. Berlin sitzt in der Falle.

Eigener Bericht) – US-Präsident Donald Trump hat in einer Videoansprache auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos seine Drohung bekräftigt, Zölle auf Einfuhren in die Vereinigten Staaten zu verhängen. Unternehmen aus anderen Ländern sollten in den USA investieren, erklärte Trump; wer sich dem verweigere und woanders hergestellte Produkte in die USA verkaufen wolle, müsse hohe Zölle zahlen. Während etwa in Kanada über heftige Gegenschläge bis hin zu einem Erdölembargo diskutiert wird, plädieren deutsche Politiker und Wirtschaftsvertreter sowie die EU bislang für Zugeständnisse an Washington. Ursache ist, dass die deutsche Industrie in hohem Maß vom Geschäft mit den USA abhängig ist. Die Hauptalternative – das Chinageschäft – hat aus politischen Gründen keine Zukunft mehr. Zölle fügten laut Berechnung mehrerer Wirtschaftsinstitute der deutschen Industrie gravierende Schäden zu; sie müssen deshalb vermieden werden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen plädiert dafür, Trump mit der verstärkten Einfuhr von US-Flüssiggas gnädig zu stimmen. Die neue US-Regierung will die Gasförderung massiv in die Höhe schrauben und strebt laut Außenminister Marco Rubio „Energiedominanz“ an.

Abhängig vom US-Geschäft

Die ökonomische Abhängigkeit der Bundesrepublik von den Vereinigten Staaten hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Die USA sind seit 2015 der größte Absatzmarkt der deutschen Exportindustrie; 2024 stiegen sie erstmals seit 2015 auch wieder zum größten Handelspartner Deutschlands vor der bisherigen Nummer eins, China, auf. Grund ist, dass das deutsche Chinageschäft schwächelt – eine Folge des US-Wirtschaftskriegs gegen die Volksrepublik, in den sich Deutschland und die EU zunehmend einbinden lassen. Während der Handel mit den Vereinigten Staaten 2024 auf ein Volumen von 255 Milliarden Euro stieg [1], ging der Handel mit China aufgrund der steigenden Spannungen mit Beijing und der damit verbundenen Risiken zum zweiten Mal in Folge zurück. Bei den deutschen Auslandsinvestitionen liegen die USA mit großem Abstand vorn; die Statistik der Deutschen Bundesbank weist für 2022 einen Bestand an unmittelbaren und mittelbaren deutschen Direktinvestitionen in den Vereinigten Staaten von 448 Milliarden Euro aus, während die deutschen Direktinvestitionen in China lediglich 122 Milliarden Euro erreichen. Dabei verdient die Bundesrepublik am Handel mit den USA mehr als am Handel mit allen anderen Ländern: Schon 2023 lag der Überschuss der deutschen Exporte gegenüber der Einfuhr im Fall der USA bei mehr als 63 Milliarden Euro.

Schädliche Zölle

Die hohe ökonomische Abhängigkeit vom Geschäft mit den USA führt dazu, dass etwaige neue US-Zölle die Bundesrepublik besonders stark träfen. Frankreich etwa stünde besser da; auf der Rangliste seiner Außenhandelspartner finden sich die Vereinigten Staaten lediglich auf Platz fünf hinter Deutschland, China, Italien und Spanien.[2] Bereits im Herbst legte das unternehmernahe Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) Berechnungen vor, denen zufolge eine Zollschlacht mit den USA die deutsche Wirtschaft bis 2028 alles in allem bis zu 180 Milliarden Euro kosten könnte; für 2027 und 2028 sei jeweils mit Verlusten in Höhe von 1,5 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts zu rechnen.[3] Beim Münchner ifo-Institut heißt es, die von US-Präsident Donald Trump angekündigten Zölle könnten die deutschen Exporte um bis zu 15 Prozent einbrechen lassen; für die in hohem Maße exportfixierte deutsche Wirtschaft wäre das eine schwere Katastrophe.[4] Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) wiederum weist darauf hin, etwaige US-Zölle könnten – je nach Szenario – in Deutschland zwischen 200.000 und 300.000 Arbeitsplätze kosten. Das liege daran, heißt es, dass von den gewaltigen deutschen Exporten in die Vereinigten Staaten gut 1,2 Millionen Arbeitsplätze abhingen. Verluste im US-Export wögen daher schwer.[5]

Vom Abstieg bedroht

Bereits US-Zölle auf Einfuhren aus Mexiko – Trump hat mit Zöllen in Höhe von 25 Prozent gedroht – wären mit gravierenden Konsequenzen für deutsche Unternehmen verbunden. Das liegt daran, dass viele deutsche Firmen sich das nordamerikanische Freihandelsabkommen USMCA (United States-Mexico-Canada Agreement) zunutze machen und in Mexiko zu niedrigen Löhnen Waren für den US-Markt fertigen lassen. In hohem Maß trifft das etwa auf deutsche Kfz-Konzerne zu. So werden annähernd 60 Prozent der Fahrzeuge, die Volkswagen in den Vereinigten Staaten verkauft, bei VW de México im mexikanischen Puebla produziert.[6] 29 Prozent der Audi-Fahrzeuge, die 2024 in den USA neu registriert wurden, wurden ebenfalls in Mexiko hergestellt.[7] Müßten an der mexikanisch-US-amerikanischen Grenze Zölle in Höhe von 25 Prozent gezahlt werden, würde der Profit zumindest drastisch geschmälert, womöglich sogar komplett entfallen. Prinzipiell könnten die Kfz-Konzerne aus Deutschland und der EU derlei Einbußen wohl irgendwie auffangen, urteilt ein Experte der Beratungsfirma S&P Global Ratings. Allerdings hätten die Einbrüche im Chinageschäft und die schwierige Marktlage in Europa sie schon jetzt erheblich geschwächt.[8] Sollte aber nach ihrem Chinageschäft auch noch ihr US-Geschäft einbrechen, dann drohe der deutschen Kfz-Branche, heißt es, der „Abstieg von globalen“ zu nur noch „europäischen Konzernen“.[9]

„Mit ausgestreckter Hand“

Die Tatsache, dass die exportfixierte deutsche Industrie, sollten die USA tatsächlich Zölle verhängen, mit herben Verlusten im Inland und auch an auswärtigen Standorten wie Mexiko zu rechnen hat, treibt deutsche Politiker und Wirtschaftsvertreter in die Defensive: Aufgrund der Struktur der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen scheint es unrealistisch, den Vereinigten Staaten mit Verlusten von vergleichbarer Härte durch Gegenzölle drohen zu können; dies wird, anders als in Deutschland, zur Zeit in Kanada diskutiert, wo als letztes Mittel sogar ein Stopp der Erdöllieferungen in die USA erwogen wird. Anders in der Bundesrepublik: Man solle zwar „nicht im Duckmäusertum ankriechen“, äußert etwa Wirtschaftsminister Robert Habeck; man müsse aber dennoch mit „einer ausgestreckten Hand agieren“.[10] Schon zu Jahresbeginn hatte CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz für eine „Positiv-Agenda“ plädiert, „die amerikanischen wie europäischen Konsumenten gleichermaßen zugute kommt“.[11] „Die EU sollte den USA Angebote zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit machen“, verlangte am gestrigen Donnerstag Wolfgang Niedermark, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).[12] Bereits zuvor hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gefordert, „gute Beziehungen zur neuen Regierung“ in Washington aufzubauen und eine „positive transatlantische Agenda“ zu gestalten; sie sprach sich dafür aus, in gesteigertem Maß US-amerikanisches Flüssiggas zu kaufen.[13]

Energiedominanz

Dies entspräche in der Tat US-Interessen. US-Präsident Trump hat bereits am Montag mit einigen seiner ersten Dekrete begonnen, die gesamte US-Energiewirtschaft zu deregulieren. Insbesondere hat er Beschränkungen der Öl- und Gasförderung vor der US-Küste sowie vor Alaska aufgehoben und derzeitige Limits für den Export von Flüssiggas annulliert. In der Branche ist bereits von einer Steigerung der Erdgasförderung auf das Doppelte der heutigen Menge oder sogar noch mehr die Rede. Dies wird dadurch erleichtert, dass Trump den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen eingeleitet hat und deshalb keine Rücksichten mehr auf Klimabelange nehmen muss. Für den Verkauf des – in der Regel gefrackten – Erdgases wäre es vorteilhaft, legten sich Deutschland und die EU verbindlich auf bestimmte Abnahmevolumina fest. Dabei zielt Washington mit seinen Maßnahmen nicht nur auf den individuellen Profit der Frackingbranche; es hat, wie Außenminister Marco Rubio am Dienstag in Erinnerung rief, explizit auch ein politisches Ziel im Blick – die Erlangung von „Energiedominanz“.[14] Die Abhängigkeit Deutschlands und der EU von den Vereinigten Staaten stiege damit noch mehr.

 

[1] USA überholen China als wichtigsten deutschen Handelspartner. handelsblatt.com 19.01.2025.

[2] La France et ses partenaires économiques, pays par pays. diplomatie.gouv.fr.

[3] S. dazu Die transatlantische Rivalität.

[4], [5] Trumps Zollpläne bedrohen deutsche Arbeitsplätze. tagesschau.de 15.01.2025.

[6] Alexander Demling: Wie sich Volkswagen, BMW und Mercedes gegen Trumps Zölle wappnen. spiegel.de 21.01.2025.

[7], [8] Jordyn Dahl: Trump’s US-Mexico tariffs threaten to hammer European carmakers. politico.eu 20.01.2025.

[9] Alexander Demling: Wie sich Volkswagen, BMW und Mercedes gegen Trumps Zölle wappnen. spiegel.de 21.01.2025.

[10] Leonidas Exuzidis, Silke Kersting, Martin Knobbe: „Wir müssen uns nicht rumschubsen lassen“. handelsblatt.com 21.01.2025.

[11] Merz verlangt neuen Anlauf zu Freihandel mit den USA. faz.net 02.01.2025.

[12] Klaus Weber: Wie sich Europas Wirtschaft behaupten kann. zdf.de 23.01.2025.

[13] Thomas Gutschker: Wie die EU beschwichtigt. Frankfurter Allgemeine Zeitung 21.01.2025.

[14] Edward Wong: Rubio Oversees Halt to Foreign Aid and Meets With Asian Diplomats on Day 1. nytimes.com 21.01.2025.

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