Bundeswehr kündigt Aufstellung einer Heimatschutzdivision an. Sie soll in das Deutsche Heer integriert werden – neben den drei bestehenden Kampfdivisionen. Im Kriegsfall werden auch Zivilisten zur Unterstützung herangezogen.

Die Bundeswehr kündigt die Aufstellung einer Heimatschutzdivision und ihre Unterstellung unter das Deutsche Heer an. Wie ein Sprecher der Streitkräfte mitteilt, sollen in der neuen Heimatschutzdivision die bisherigen Heimatschutzkompanien und -regimenter zusammengefasst werden. Im Heer wird die Division gleichwertig neben den drei aktuell bestehenden Divisionen stehen, die im Kriegsfall an die Front – mutmaßlich im Osten – entsandt werden. Sie soll zentrale militärische Infrastruktur im Inland schützen sowie militärisch relevante Infrastruktur bewachen, darunter Bahngleise, Brücken oder auch digitale Infrastruktur. Die aktuell verfügbare Zahl an Truppen – ungefähr 6.000 – reiche dafür auch nicht annähernd aus, urteilen Militärplaner. Notwendig sei „mindestens eine hohe fünfstellige Zahl“. Grundsätzlich genügen dafür Reservisten, die schon heute die große Mehrheit in den Heimatschutzeinheiten stellen. Man könne recht problemlos „Ungediente“ zu Reservisten ausbilden, heißt es. Militärplaner setzen auf die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Darüber hinaus ist im Kriegsfall die Heranziehung von Zivilisten zur Unterstützung des Heimatschutzes fest eingeplant.

Die Heimatschutzregimenter

Erst im vergangenen Jahr hatte die Bundeswehr gleich zwei neue Heimatschutzregimenter geschaffen. Jedem Heimatschutzregiment sind vier bis zehn Heimatschutzkompanien unterstellt; insgesamt sind 42 Heimatschutzkompanien geplant.[1] Das Heimatschutzregiment 1 war bereits im August 2021 in Bayern aufgestellt worden, das Heimatschutzregiment 2 im Februar 2022 in Nordrhein-Westfalen und das Heimatschutzregiment 3 im Oktober 2023 in Niedersachsen. Im September 2024 wurde das Heimatschutzregiment 4 in Schwerin in Dienst gestellt. Ihm gehören drei Heimatschutzkompanien aus Neubrandenburg, aus Schwerin und aus Parow (Mecklenburg-Vorpommern) an, drei weitere aus Hamburg, wo in Kürze eine vierte in Dienst gestellt werden soll, und zwei Heimatschutzkompanien aus Husum und Eutin (Schleswig-Holstein). Geführt wird das Heimatschutzregiment 4 aus Alt Duvenstedt unweit Rendsburg (Schleswig-Holstein). Bereits im Oktober 2024 folgte schließlich die Aufstellung des Heimatschutzregiments 5. Es wird von Ohrdruf in Thüringen aus geführt; ihm sind Heimatschutzkompanien aus Nordhessen (Frankenberg/Eder), aus Mittelhessen wie auch aus Südhessen (Frankfurt/Main) unterstellt. Das Heimatschutzregiment 6 soll in diesem Jahr gegründet werden; es wird in Berlin angesiedelt sein.

Die Kernaufgabe

Im vergangenen Jahr wurden die neu aufgestellten Heimatschutztruppen zum ersten Mal in ein bundesweites, zudem in einen NATO-Rahmen (Steadfast Defender) integriertes Manöver (Quadriga, german-foreign-policy.com berichtete [2]) eingebunden. Hintergrundszenario war die Verlegung von NATO-Truppen an die Ostflanke des Bündnisses, wie sie im Falle eines möglichen Krieges mit Russland bevorsteht. Deutschland dient dann als Drehscheibe für den Transport von Truppen und Material in Richtung Osten. Um die kämpfenden Einheiten der Bundeswehr zu entlasten, müssen die diversen Heimatschutztruppen in Zukunft „Schutz und Sicherung verteidigungswichtiger Infrastruktur“ gewährleisten; das gilt offiziell als ihr „Kernauftrag“.[3] Konkret gehe es etwa darum, „Munitions- und Materiallager, Seehäfen, Verladebahnhöfe“ oder auch „Convoy Support Center“ – „Umschlagpunkte der Truppe bei großen Verlegungen“ – zu schützen, heißt es bei der Bundeswehr. Im Rahmen der Teilübung National Guardian hatten zum Beispiel Einheiten des erst im September offiziell aufgestellten Heimatschutzregiments 4 die Aufgabe, „die Verlegung und Verladung“ von 160 Panzern und militärischen Fahrzeugen abzusichern; das Kriegsgerät wurde – im Rahmen von Quadriga – im Hafen von Rostock mit Kurs auf Litauen eingeschifft.[4]

Verzahnung mit den Kampftruppen

Wie die Bundeswehr jetzt mitteilt, werden die unterschiedlichen Heimatschutzeinheiten zum 1. April in einer neuen Division zusammengefasst. Bislang waren sie, als Teil der territorialen Reserve, den Landeskommandos der Bundeswehr unterstellt. Die jetzige Maßnahme ist Teil der Umstrukturierung der deutschen Streitkräfte, die Verteidigungsminister Boris Pistorius im vergangenen Jahr angekündigt hatte. Die neue Heimatschutzdivision wird dabei direkt dem Deutschen Heer unterstellt. Dieses verfügt aktuell über drei Divisionen mit jeweils rund 20.000 Soldaten – die 1. und die 10. Panzerdivision, außerdem die Division Schnelle Kräfte (DSK) –, zu denen mit der Heimatschutzdivision nun eine vierte hinzukommt. Damit wird es im Kriegsfalle leichter möglich sein, die Kriegsführung im Osten mit den erforderlichen unterstützenden Aktivitäten im Inland unter einem einheitlichen, straffen Kommando zu vernetzen. „Die Verzahnung von Reserve und aktiver Truppe ist ein wichtiger Bestandteil in der Landes- und Bündnisverteidigung“, wird der Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für die Zukunft der Bundeswehr, Nils Gründer, zitiert.[5] Konkret soll die Aufstellung der neuen Division im März beginnen. Gründer spricht von einem „Schritt in die richtige Richtung“.

„Eine hohe fünfstellige Zahl“

Die neue Heimatschutzdivision wird im Spannungs- und im Kriegsfall, wie das Deutsche Heer betont, etwa auch Brücken, Bahnanlagen, Verkehrsknoten und Pipelines schützen. Für die weitgespannten Aufgaben reicht laut Einschätzung von Militärs und Militärpolitikern die aktuelle Stärke der Heimatschutzkräfte bei weitem nicht aus. Die bislang zur Verfügung stehenden „rund 6.000 Männer und Frauen“ seien „viel zu wenig für die Aufgabe“, die kritische Infrastruktur auf dem gesamten Territorium der Bundesrepublik zu schützen, heißt es. „Militärplaner“ hielten dazu „mindestens eine hohe fünfstellige Zahl an Heimatschützern für nötig“. Sie setzten deshalb klar auf die von Verteidigungsminister Pistorius angestoßene „Wiedereinführung eines Wehrdiensts“.[6] Ähnlich äußert sich der CDU-Militärpolitiker Henning Otte. Pistorius schaffe „hohle Strukturen“, erklärt Otte; erforderlich sei jetzt, neben der Aufstockung des Militärhaushalts, „die Umsetzung eines Kontingent-Wehrdienstes“.[7] Der FDP-Militärpolitiker Gründer verlangt ebenfalls, Berlin müsse nun alles tun, „damit dieser Verband nicht leer dasteht“: „Zusätzlich muss endlich die Ausbildungskapazität für Ungediente in der Reserve erhöht werden.“[8]

Die Wirtschaft im Krieg

Ohnehin wird die Heimatschutzdivision im Spannungs- und Kriegsfalle auch zivile Kräfte zur Unterstützung der militärischen Aktivitäten heranziehen. Bereits im Rahmen der Übung National Guardian kooperierten die Heimatschutzkräfte mit dem Technischen Hilfswerk, dem Deutschen Roten Kreuz und Hafenbetreibern.[9] Längst werden auch Privatunternehmen in die Vorbereitungen auf einen möglichen Krieg eingebunden. So riet etwa Oberstleutnant Jörn Plischke, Kommandeur des Bundeswehr-Landeskommandos Hamburg, im November einer Versammlung von Unternehmern, einzelne Beschäftigte für den Heimatschutz abzustellen: „Das zu unterstützen kostet Sie im Jahr wenige Tage“; „in der Krise“ habe man dann jedoch „einen direkten Link zu den Leuten, die Hamburg schützen werden“.[10] Außerdem empfahl er, „auf hundert Mitarbeiter mindestens fünf zusätzliche Lkw-Fahrer“ auszubilden: In der Bundesrepublik seien 70 Prozent aller Lkw-Fahrer Osteuropäer, die im Kriegsfalle in ihren Heimatstaaten eingezogen würden. Plischke plädierte zudem, sich Antworten auf Fragen wie diese zurechtzulegen: „Was tun, wenn verbündete Truppen durch unsere Stadt müssen? Was tun, wenn die Elbe gesperrt ist, das Schienennetz angegriffen wird? Was tun, wenn Rewe und Aldi wegen Strommangel nicht öffnen können, die Straßen von Militärkolonnen genutzt werden und Wasser nicht mehr aus dem Hahn fließt?“

Kriegswirtschaft

Experten weisen darauf hin, dass im Kriegsfall jederzeit auch ein direkter staatlicher Zugriff auf Privatunternehmen möglich ist. „Wenn es zur Abwendung schwerwiegender Gefahren unerlässlich sein sollte“ [11], konstatiert der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), „würden die Regelungen sogar eine Umstellung der gesamten Wirtschaft auf Planwirtschaft durch den Staat erlauben“ – auf eine direkte Kriegswirtschaft.

 

[1] Heimatschutzregiment 4. bundeswehr.de.

[2] S. dazu Die künftige Ostfront und Ein halbes Jahr Aufmarschmanöver.

[3] National Guardian. bundeswehr.de.

[4] Heimatschutzregiment 4. bundeswehr.de.

[5] Bundeswehr stellt Division für Heimatschutz auf. tagesschau.de 11.01.2025.

[6] Bundeswehr stellt Division für Heimatschutz auf. faz.de 11.01.2025.

[7] Bundeswehr stellt Heimatschutz-Division auf. rp-online.de 11.01.2025.

[8] Bundeswehr stellt Division für Heimatschutz auf. tagesschau.de 11.01.2025.

[9] S. dazu Ein halbes Jahr Aufmarschmanöver.

[10], [11] Susanne Preuß: Bundeswehr bereitet Unternehmen auf den Kriegsfall vor. faz.net 21.11.2024.

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