Wien feiert dieses Jahr das Zehn-Jahres-Jubiläum als Menschenrechtsstadt.
Ein Gastkommentar von Ilse Kleinschuster
Die Tage vor Weihnachten sind gezählt, die Menschheit bereitet sich auf das Fest der Liebe und des Friedens vor, in diesem Trubel geht der Tag der Menschenrechte leicht unter. Gerade jetzt, wo wir es mehr als notwendig hätten, der kulturellen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts, der UN-Menschenrechtscharta, zu gedenken, fällt es vielen Verantwortungsträger*innen schwer, diesen Tag in würdiger Weise zu begehen.
Seit 1948 wird am 10. Dezember – ausgerufen von den Vereinten Nationen als Human Rights Day – der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gedacht. Die Menschenrechte sollten jedes menschliche Leben auf der Erde betreffen. Aufgrund der Tatsache, dass dieses Ziel noch nicht erreicht ist, nutzen viele Menschenrechtsorganisationen den Tag der Menschenrechte, um auf diesen Missstand hinzuweisen.
Das „größte Menschenrechts-Event der Welt“ ist seit 20 Jahren wohl der Briefmarathon von Amnesty International. Alljährlich im Dezember nehmen daran Hunderttausende teil. 2023 waren es über 5,8 Millionen Briefe, Appelle und Solidaritätsbekundungen, mit denen versucht wurde, Druck auf Entscheidungsträger*innen und Verantwortliche zu erzeugen. Vor allem aber möchten sie den von Menschenrechtsverletzungen Betroffenen das Gefühl geben, dass sie nicht allein gelassen werden.
Es handelt sich bei der UN-Menschenrechtscharta leider nicht um einen Vertrag, sondern nur um eine “Empfehlung”. In einer Zeit, in der globale Krisen (Pandemie, klimatische Kipppunkte, Artensterben und Diversitätsverlust) unsere sozialen, wirtschaftlichen und politische Systeme stark überfordern, werden diese Empfehlungen zunehmend missachtet. Das führte nicht zuletzt zu vernetzter globaler Ungleichgewichtung. Aber selbst, wenn es einen UN-Human-Rights-Vertrag gäbe, wer könnte schon für seine Einhaltung garantieren? Diktatorische Regime kümmert das wenig.
Wien feiert dieses Jahr das Zehn-Jahres-Jubiläum als Menschenrechtsstadt
Nachdem Ende 2014 die Deklaration „Wien – Stadt der Menschenrechte“ vom Gemeinderat verabschiedet worden war, konnte im September 2015 das Wiener Menschenrechtsbüro eröffnet werden. ExpertInnen des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Grund- und Menschenrechte helfen dem Menschenrechtsbüro bei der Ausarbeitung und Konkretisierung zahlreicher Maßnahmen. Auf einer Plattform für gesellschaftlichen Diskurs finden jährlich Veranstaltungen statt, bei denen der interessierten Öffentlichkeit hochkarätige Vortragende menschenrechtliche Herausforderungen präsentieren, sowie gesellschaftspolitische Strömungen differenziert und mit fachlicher Expertise analysieren. Wichtiger Bestandteil des Formats ist neben inhaltlichen Beiträgen die interaktive Publikumsdiskussion.
Wenn sich also bis jetzt in Wien allerhand Lobenswertes, leicht Zugängliches und Praktizierbares auf dem Gebiet der Vermittlung von Menschenrechten getan hat – wie z.B. auch auf dem Gebiet der Kunst (PEN-Club, Theodor Kramer Gesellschaft und an der Universität für Angewandte Kunst (Masters of Applied Human Rights), dann sollte dies mit Argwohn weiter beobachtet werden.
Wie ich einem Gespräch zwischen dem Schriftsteller W. M. Roth und dem Menschenrechtsexperten Manfred Nowak entnehme (nachzulesen im STANDARD-ALBUM vom 7. Dezember 2024), hat die derzeitige Rektorin der Kunst-Universität dieses international renommierte Projekt, den Lehrgang „Vienna Master of Arts in Applied Human Rights“ ohne jedes rechtsstaatliche Verfahren und ohne Begründung abgeschafft.
Tja, wie kann sie denn? Wenn das ein Zeichen für einen gewissen Trend ist, dann gnade uns Gott!