Zur Weihnachtszeit fordert pax christi von der Bundesregierung, den von der israelischen Regierung unterstützten Hauszerstörungen und Vertreibungen Einhalt zu gebieten.

Im Schatten des Angriffs von Hamas und anderer radikaler Gruppen am 7.10.2023 auf Israel und dem darauffolgenden „Gaza-Krieg“ hat die inzwischen extrem rechtsgerichtete Regierung Israels ihre Anstrengungen verstärkt, im Heiligen Land den demographischen Charakter Ostjerusalems dauerhaft zu verändern. „Dabei kommt es laufend zu Hauszerstörungen und Vertreibungen von Palästinenser:innen. Hauszerstörung und Vertreibung stellen einen klaren Bruch der 4. Genfer Konvention dar“, weist der Sprecher der Nahost-Kommission der internationalen Friedensbewegung pax christi Deutsche Sektion, Marius Stark, hin und fordert die Bundesregierung auf, „den Druck auf die israelische Regierung zu erhöhen. Dazu gehören Waffenembargo und ein Einfrieren der Kooperation und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Ebenen, bis die israelische Regierung internationales Recht einhält.“

Besonderer Focus der Enteignung und Vertreibung liegt von israelischer Seite gegenwärtig auf den palästinensischen Nachbarschaften im Ostjerusalemer Stadtteil Silwan. Radikale Siedlerverbände wie die Organisation ELAT, die israelische Stadtverwaltung und die israelische Regierung mit ihren Sicherheitskräften arbeiten dabei Hand in Hand. (Viele Informationen finden sich bei der israelischen Nichtregierungsorganisation Ir Amim: www.ir-amim.org.il › en)

Seit Anfang 2024 wurden in der Silwaner Nachbarschaft Al Bustan zahlreiche Gebäude abgerissen,  weitere Gebäude stehen zum Abriss an. Die Abrissbescheide (Demolition Order) liegen den Hauseignern vor. Da in Al Bustan ein touristischer Archäologiepark entstehen soll, stehen alleine dort 115 Häusern mit 1500 palästinensischen Bewohner:innen zur Disposition.

Allein in den Monaten Oktober und November 2024, wurden nach Information der israelischen Nichtregierungsorganisation „Israeli Committee Against House Demolition-ICAHD“ (https:/www.icahdusa.org), in Ostjerusalem 38 Wohngebäude oder Erweiterungsbauten abgerissen, wodurch viele Menschen vertrieben worden sind. Durch den Abriss von Sozial- und Kulturzentren u.a. in Silwan waren insgesamt 563 Menschen direkt betroffen.  Alle Hauszerstörungen in diesem Zeitraum erfolgten wegen des Fehlens von Baugenehmigungen, die für die palästinensische Bevölkerung von den israelischen Behörden grundsätzlich nicht erteilt werden.

Marius Stark: „Obwohl die Jerusalemer Gesamtbevölkerung zu fast 40% aus Palästinensern besteht, weigert sich die israelische Stadtverwaltung seit 1967, den palästinensischen Landeignern die Möglichkeit zu geben, neuen Wohnraum zu schaffen. Nach dem „6-Tage-Krieg“ von 1967, der mit der Besetzung des Westjordanlandes, von Gaza, der Golanhöhen und von Ostjerusalem endete, hat Israel Ostjerusalem 1980 völkerrechtswidrig annektiert. Ostjerusalem war ab 1948 ein rein palästinensischer Stadtteil. Die in Ostjerusalem vor 1948 lebenden jüdischen Bevölkerungsteile wurden nach Westjerusalem umgesiedelt, häufig in Häuser, die bisher palästinensische Eigner hatten. Diese wurden ihrerseits in Ostjerusalem angesiedelt. Ich möchte noch zusätzlich darauf hinweisen, dass im Westjordanland tagtäglich Palästinenser:innen von israelischen Siedlern und der israelischen Armee bedroht und vertrieben werden. Auch dies muss endlich ein Ende haben! “

Hintergrund

Mit der Annexion (von Ostjerusalem begann 1980 der Prozess des demographischen Wandels. In einem ersten Schritt wurden rund ein Drittel des Territoriums von Ostjerusalem enteignet um entlang der östlichen Stadtgrenze zum Westjordanland hin einen jüdischer Siedlungsgürtel anzulegen und damit die palästinensischen Bewohner:innen in Ostjerusalem vom Westjordanland  abzuschneiden.

Für eine „Großraum Jerusalem“-Planung wurde Land ca. 28 Gemeinden des Westjordanlands in das Verwaltungsgebiet Jerusalem integriert, also de facto annektiert. D.h., Land, das vorher nicht zu Ostjerusalem gehörte (siehe die israelische Nichtregierungsorganisation B´Tselem: https://www.btselem.org/jerusalem)

Seit Ende der 80er Jahre wurden die Bemühungen verstärkt, auch innerhalb der palästinensischen Nachbarschaften mit dem Siedlungsbau zu beginnen und Flächen für archäologische Ausgrabungen, Tourismusprojekte, Nationalparks und öffentliche Einrichtungen zu enteignen.

Hinzu kommen die laufenden Prozesse auf Herausgabe ihrer Häuser wegen vermeintlichen Rechtsansprüchen jüdischer Kläger. Hiervon sind vor allem die Stadteile Silwan und Sheikh Jarrah betroffen. Auf der anderen Seite sind in Ostjerusalem insgesamt 12.000 neue Wohneinheiten für jüdische Einwohner:innen geplant, wodurch die bisherige Zahl von 230.000 Siedlern maßgeblich erhöht würde und somit über kurz oder lang die der 330.000 palästinensischen Bewohner:innen übersteigen würde.

Folgende Mechanismen und Maßnahmen von israelischer Seite kommen dabei zum Tragen:

  1. Das sogenannte „Absentees Property Law“, nach dem palästinensische Land- und Wohnungseigentümer:innen, die dauerhaft im Ausland leben, ihren Rechtsanspruch auf Grund und Boden verlieren. Das Eigentum geht in israelische Hände über, ohne Ansehen der Bewohner:innen des Hauses, auch Verwandte der Eigentümer:innen haben zu weichen.
  2. Mit dem Prozess der „Regelung von Landtiteln“ (Settlement of Land Titles –SOLT) werden Grundstücke, deren Eigentümerschaft nicht eindeutig nachweisbar ist, enteignet. Dies trifft zum einen Familien, die 1948 umgesiedelt worden sind, zum anderen Familien, die es versäumt haben, vor 1967 eindeutige Rechtstitel zu schaffen. Nach 1967 wurde die Registrierung von den neuen Entscheidern verweigert.
  3. Baumaßnahmen, die ohne Baugenehmigung erstellt worden sind, erhalten Abrissbescheide. Da die israelische Stadtverwaltung so gut wie keine Baugenehmigungen an palästinensische Grundstückseigner erteilt, sind diese seit 1967 gezwungen, illegal zu bauen oder an- und auszubauen.
  4. Hausbesetzungen durch radikale zionistische Siedler, die in Häuser eindringen und die palästinensischen Bewohner:innen vertreiben, die  sich wiederum auf einen nahezu aussichtslosen Klageweg begeben müssen, um zu versuchen, ihren Rechtsanspruch geltend zu machen.
  5. Häuser von Attentätern werden im Rahmen von Kollektivbestrafung zerstört.
  6. Palästinensischen Bewohner:innen mit absolut prüffesten Eigentumstiteln werden Unsummen, die bei Einfamilienhäusern in die Millionen Euro gehen können, angeboten, damit sie an israelische Siedlerorganisationen verkaufen; Summen, die ein palästinensischer Bedarfsträger nie aufbringen könnte.