Unternehmenschefs, Lobbyisten und Politiker aus aller Welt treffen sich in Berlin hinter verschlossenen Türen. Rund 750 aus mindestens 50 verschiedenen Ländern. In den Komfortäumen des teuersten Hotels dieser Stadt. Wer mitreden und Teil des profitablen Netzwerks werden oder bleiben will, muss mindestens einen Obolus in Höhe von 4.200 Euro berappen. Peanuts angesichts der horrenden Profite, die das Geschäft mit LNG jedem verheißt, der dabei mitmischen „darf“.
von Peter Vlatten
Im Kern geht es darum, den Energiehunger einer unendlichen kapitalistischen Wachstumsstory zu stillen. „Der Energieverbrauch allein durch den Gebrauch von Künstlicher Intelligenz ist enorm“, meint einer der Lobbyisten gegenüber dem RBB. Ob Windkraft oder Gas – am Ende sei es vor allem der Preis, für welche Energieform sich seine Kunden entscheiden. Die Auswirkungen auf das Klima und die Folgen für bald 10 Milliarden Menschen auf dieser Erde interessiert diesen Anbeter eines skrupellosen Big Business offenbar nicht die Spur.
LNG ist eine Klimabombe
Nur wenige Tage vor der Konferenz schlug Reclaim Finance mit einer Studie Alarm: „Die uneingeschränkte Finanzierung von LNG durch Banken und Investoren ist der Treibstoff für eine zukünftige Klimabombe!“ [1]
Die Studie warnt vor Methanlecks an den Anlagen, die bis Ende des Jahrzehnts schätzungsweise zehn Gigatonnen Treibhausgasemissionen verursachen könnten – fast so viel wie alle derzeit weltweit betriebenen Kohlekraftwerke zusammen. Justine Duclos-Gonda von Reclaim Finance betont: „Jedes geplante Projekt gefährdet das Pariser Abkommen.“
Auch die Internationale Energieagentur (IEA) warnte schon im Oktober vor einem beispiellosen Überangebot an Gas, das zu einem Temperaturanstieg von 2,4 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau führen könnte – weit über dem Ziel des Pariser Abkommens von maximal 1,5 Grad Celsius.
Die IEA prognostizierte einen Anstieg der weltweiten LNG-Kapazität um fast 50 Prozent bis 2030. Dies könnte fallende Preise für fossile Brennstoffe zur Folge haben und eine stärkere Abhängigkeit von billigem Gas fördern, was erneuerbare Energien benachteiligen würde. Die Preisentwicklung sieht einen Rückgang von einem Rekordhoch von über 70 US-Dollar pro Million britischer Wärmeeinheiten im Jahr 2022 auf etwa 6,50 Dollar bis Ende des Jahrzehnts voraus.
Für die Lobbyisten auf der Berliner Konferenz dürfte dies aber keine Warnung sein, sondern wie Musik in den Ohren klingen.
Aktion Greenwashing für den LNG Lobby Gipfel (Video Ende Gelände)
LNG Prestigeprojekt des „grünen“ Wirtschaftsministeriums
Mit auf dem LNG-Gipfel waren etliche Vertreter und Redner der Bundesregierung. Wirtschafts- und Umweltschutz-Staatssekretär Stefan Wenzel (Grüne) von Habecks Bundesministerium für Wirtschaft soll eine „Keynote“ gehalten haben.
LNG ist schon lange zum besonderen Prestigeprojekt der Ampel geworden. So wie bei der Friedensfrage haben sich gerade die „Grünen“ auch in der Umweltfrage gedreht.
In Deutschland können wir beobachten, wie die Politik eines „Grünen Kapitalismus“, vornehmlich vorangetrieben durch Wirtschaftsminister Habeck, sowohl soziale Ungerechtigkeiten verschärft als auch den Kampf gegen den Klimawandel in sein Gegenteil verkehrt und in ein profitgenerierendes und Imperialistisches Projekt verwandelt. Beispielhaft hierfür steht gerade der Aufbau und die rigorose Durchsetzung einer neuen fossilen LNG Infrastruktur. Dabei wird neben der Verstetigung von Klimakillern auch die massive Zerstörung wertvoller Küsten und Urlaubsgebiete wie Rügen in Kauf genommen.
Greenwashing und faustdicke Täuschungen
- Täuschung 1. Sanktionen gegen russisches Gas seien eine „historische Chance zur beschleunigten Abkehr von fossilen Energien“. Tatsächlich fand das Umgekehrte statt. Es kam ein „beschleunigtes Verfahren“ für den Aufbau einer vollkommen neuen fossilen Infrastruktur zustande, die über Lieferketten weit bis in andere Länder reicht. Mit besonders energieintensiven Umwandlungsverfahren und Transportwegen. LNG ist deutlich (bis zu 30 bis 50 Prozent) klimaschädlicher als das bisher aus Russland bezogene Pipelinegas. Mit massiv umweltzerstörerischen Nebenwirkungen. In den USA blühte die dahinsiechende Frackinggas-Industrie zu nicht gekannter Größe auf. Fracking verseucht das Grundwasser in Louisiana und Texas, führt zu extrem hohen Krebsraten und Landnahme.
- Täuschung 2. Die Energiesicherheit Deutschlands sei hochgradig gefährdet und müsse gewährleistet werden. Das war auch treibendes Argument, um – ausgenommen den Militärhaushalt- keine Kosten zu scheuen, Verfahrens- und Umweltstandards im Stehgreif zu opfern. Aber man sehe und staune. Wer die geplante LNG-Infrastruktur wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zusammenrechnet, wird feststellen , dass damit ein doppelt so hoher Gasbedarf installiert werden soll als durch den Wegfall der russischen Lieferungen kompensiert werden müsste. Statt Energienotstand also eine vermeintlich gigantische Energieüberversorgung mit entsprechender CO2 Belastung!
- Täuschung 3. Es müsse „vorübergehend“ (die Russlandsanktionen würden eben dazu zwingen) eine Brückentechnologie und Kompensation für das weggebrochene Gas eingeführt werden. Tatsächlich ist es so, dass Qatar oder die USA ebenso wie alle anderen ihr Gas nur zu Mindestlaufzeiten von 20 Jahren anbieten. Und nur für einen solchen Zeitrahmen lassen sich auch die gigantischen Investitionen in die neue Infrastruktur rekapitalisieren. „Vorübergehend mehr fossil“ das täuscht zum einen über die tatsächlichen Laufzeiten hinweg, zum andern werden aber auch gefährliche Effekte ausgeblendet, wie dass das hier und jetzt in die Luft geblasene CO2 die Erde bis an den Rand von Kippingeffekte führt, die spätere CO2 Einsparungsanstrengungen konterkarieren werden. Zum Dritten, wer mag bei dieser Politik noch auf die Versprechungen auf „morgen“ bauen?
- Täuschung 3. Die Terminals könnten später auf „klimaneutrale Gase“ umgestellt werden. Dies ist aber laut DUH im Gesetzentwurf keineswegs verbindlich festgeschrieben: „§ 5 Abs. 3 LNGG sieht allein eine Nachweispflicht für eine theoretische Umrüstungsmöglichkeit auf einen Betrieb mit Ammoniak ab 2044 vor“. Was weder bedeutet, dass diese Umrüstung wirklich erfolgen, noch dass es sich dann um klimaneutral erzeugtes Ammoniak handeln wird. „Damit wäre nach Wortlaut des Gesetzes sogar eine Nachnutzung mit Ammoniak aus herkömmlicher Produktion aus Erdgas möglich„, urteilt die DUH.
- Täuschung 4. Man wolle nie wieder in eine solche Energieabhängigkeit geraten wie gegenüber Russland. Auch hier zeigen die Tatsachen wieder das genaue Gegenteil. Deutschland hängt aktuell mehr denn je am Tropf der USA und des internationalen Marktgeschehens und LNG ist deutlich aufwendiger und teurer. Ganz zu schweigen von der Abhängigkeit von China beim Ausbau erneuerbarer Energien. „Gute Freunde“ scheuen sich nicht, auf dem fossilen Sektor preislich rauszuholen, was der Markt hergibt. Frachter können abdrehen nach Asien, wenn der Preis nicht gezahlt wird. Bei einer Pipeline, die im Land endet, lässt sich die Energie nicht einfach zum Meistbietenden in die Gegenrichtung lenken.
- Täuschung 5, 6, 7 …. wir wollen hier nicht alle ausführen.
Aktivisten protestieren gegen den LNG Lobby Gipfel (Video Veranstalter)
Internationaler Protest gegen den Klimakiller-Gipfel
Rund 300 Aktivist:innen zogen am frühen Morgen mit Partyhüten vor das Luxushotel Adlon um „der Lobby die Party zu vermiesen“. „Ende Gelände“-Pressesprecherin Fran Leitner hatte am Tag zuvor angekündigt: „Wir gehen an Orte der Zerstörung, aber auch an Orte, wo Entscheidungen über Zerstörungen getroffen werden.“
Aktivist:innen der „Letzten Generation“ schafften es, die Polizeiabsperrung zu überrumpeln und – als Symbolik für das „Greenwashing“- grüne Farbe im Eingangsbereich des Hotels zu versprühen und sich festzukleben. Endlich eine Aktion der „Letzten Generation, die sich gezielt gegen die richtigen Adressaten und Verursacher künftiger Klimakatastrophen wendet und von der breiten Bevölkerung verstanden werden kann.
Aber die Berliner Polizei kannte – ganz Staatsräson erprobt – kein Erbarmen, auch wenn die AktivistInnen rein symbolisch agierten. Laut Zeugenaussagen wurden mehrere hundert Menschen stundenlang eingekesselt, zum Teil niedergerungen und mit Pfefferspray attackiert. Der Polizeibericht bestätigt etwa 200 Festnahmen, dabei 150 Strafanzeigen wegen Landfriedensbruchs, 36 wegen Nötigung und vier wegen Sachbeschädigung. Zwei der Festgeklebten wurden so brutal ausgelöst, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten.
Inzwischen wächst die Zahl der Protestierenden auf weit über 600. Etliche Vertreter aus Übersee klagen die deutsche Regierung an, einen neuen Boom der schädlichen Frackinggasgewinnung mit ausgelöst zu haben. Aber auch Begeisterung über die Aktion: „Für mich geht ein Wunsch in Erfüllung, den ich schon seit Jahren habe, nämlich, dass verschiedene Gruppen der Klimagerechtigkeitsbewegung zusammenkommen, um gegen die Gas-Lobby zu protestieren!“ „Omas gegen Rechts“ und „Omas for Future“ sind empört, denn sie können das Polizeiverhalten kaum fassen!
Das ist eben Deutschland 2024
„Der Bau der LNG-Terminals ist ein Klimaverbrechen. Diese Infrastruktur soll fossile Energien für weitere Jahrzehnte festschreiben“, heißt es seitens der Demonstranten. Für Gas werden aber auch Kriege geführt und ganze Länder zerstört, siehe aktuell Syrien.
Während der Proteste können die Gas Lobbyisten ungestört unter Ausschluss der Öffentlichkeit wohlgeschützt von der Polizei darüber beraten, wie sie diese „Klimaverbrechen“, sprich ihre Gasgeschäfte global fortsetzen und noch steigern können.
Wider besseren Wissens. Denn auch Ihnen müssen die aktuellen Einschätzungen von Reclaim Finance und der Internationalen Energieagentur (IEA) vorliegen, wonach allein ihre Tätigkeit dazu beiträgt -neben Aufrüstung und Krieg – die Klimaziele maßgeblich zu verfehlen. Mit verheerenden Folgen für die gesamte Menschheit. Die Überflutungen im Ahrtal und in Valencia waren nur harmlose Vorboten. In Valencia haben die Leute gelernt, wie rechte Klimaleugner sie ins Verderben führen können. Sie protestierten zu hunderttausenden gegen ihre rechte Provinzregierung.
Ein Klimaaktivist meinte: „Die wahren Täter mit „krimineller Energie“ sitzen da drinnen im Hotel. Die Polizei müsste eigentlich das Hotel stürmen und sie alle in die Minna stecken, statt die Demonstranten mit brutaler unverhältnismäßiger Härte zu attackieren!“ Diese Hoffnung wird nicht eintreten. Schon gar nicht im Deutschland 2024 und 2025. Die Proteste aus Valencia müssen Schule machen. Daran müssen wir arbeiten. Die Umweltaktivisten müssen die Verbindung zur breiten Bevölkerung suchen. Außerdem muss sich die Umweltbewegung mit den Bewegungen gegen soziale Ungerechtigkeit, gegen Kriege und neokoloniale Unterdrückung zusammenschliessen! Dann geht es wieder voran. Ganz sicher!