Neue SIPRI-Rangliste: Die größten deutschen Waffenschmieden wuchsen 2023 deutlich schneller als der globale Durchschnitt. Ein hohes Rüstungswachstum verzeichneten auch die asiatischen Verbündeten des Westens gegen China.
(Eigener Bericht) – Die größten deutschen Waffenschmieden haben im Jahr 2023 ein im globalen Vergleich deutlich überdurchschnittliches Wachstum erzielt. Das geht aus der aktuellen Rangliste der 100 weltgrößten Rüstungsunternehmen hervor, die das Stockholmer Forschungsinstitut SIPRI am gestrigen Montag veröffentlicht hat. Zwar finden sich auf dieser Rangliste aufgrund der stark mittelständischen Prägung der deutschen Rüstungsbranche nur vier deutsche Konzerne – Rheinmetall, ThyssenKrupp, Hensoldt, Diehl. Diese konnten allerdings ihren Umsatz im vergangenen Jahr um 7,5 Prozent steigern, während das globale Wachstum der Top 100-Rüstungsfirmen nur bei 4,2 Prozent lag. Vor allem Rheinmetall und Diehl verdankten ihr sattes Wachstum dabei in hohem Maße dem Ukraine-Krieg. Wie die SIPRI-Rangliste zeigt, liegen die größten Waffenschmieden der Vereinigten Staaten nach wie vor weit vorn und haben 2023 rund die Hälfte des Umsatzes der globalen Top 100 erzielt. Daneben zeichnen sich der Aufstieg der türkischen Rüstungsbranche und besonders auch das Rüstungswachstum der asiatischen Verbündeten des Westens ab – Südkorea, Japan –, deren Waffenschmieden neue Umsatzrekorde erzielten.
Die 100 größten Waffenschmieden
Wie der neue SIPRI-Bericht über die 100 größten Waffenschmieden der Welt bestätigt, ist deren Umsatz aus dem Verkauf von Rüstungsgütern und von Militärdienstleistungen im Jahr 2023 erneut gestiegen – und zwar um 4,2 Prozent auf insgesamt 632 Milliarden US-Dollar.[1] Den mit Abstand größten Anteil halten unverändert US-Konzerne, die insgesamt 41 der Top 100-Rüstungsunternehmen stellen, darunter die fünf größten überhaupt. Sie haben 2023 einen Umsatz von 317 Milliarden US-Dollar erzielt; das sind gut 50 Prozent des globalen Umsatzes der 100 größten Branchenfirmen. Einen Umsatzanteil von jeweils rund 21 Prozent halten die 27 zu den Top 100 gehörenden Rüstungsunternehmen aus Europa (133 Milliarden US-Dollar) wie auch die 23 Top 100-Firmen aus der Asien-Pazifik-Region (136 Milliarden US-Dollar). Ihnen gegenüber fallen die größten Waffenschmieden sowohl Russlands (25,5 Milliarden US-Dollar) als auch aus dem Nahen Osten (19,6 Milliarden US-Dollar) erheblich zurück. Das eindeutig stärkste Wachstum berechnet SIPRI, bedingt durch den Ukraine-Krieg, für Russland (40 Prozent), das zweitstärkste wiederum, bedingt durch den Gaza-Krieg, für den Nahen Osten (18 Prozent). Das geringste Wachstum diagnostiziert das Forschungsinstitut aus Stockholm den Rüstungsfirmen Europas (0,2 Prozent).
Deutschlands Rüstungsboom
Dabei weist SIPRI ausdrücklich darauf hin, dass das geringe Wachstum der europäischen Waffenschmieden im Jahr 2023 keinesfalls ein Hinweis auf irgendeine Zurückhaltung bei der Aufrüstung ist. Europas Rüstungsunternehmen seien 2023 stark damit beschäftigt gewesen, bestehende komplexe Aufträge abzuarbeiten, erläutert ein SIPRI-Experte. Deshalb spiegelten sich die in großer Zahl eingegangenen Neuaufträge noch nicht im aktuellen Umsatz wider.[2] Das ist demnach für die kommenden Jahre zu erwarten, wenn der Umsatz der europäischen Rüstungsfirmen unter den globalen Top 100 aller Voraussicht nach stark zunehmen wird. Nach oben geschnellt ist allerdings bereits 2023 – ganz entgegen dem erheblich langsameren gesamteuropäischen Trend – der Umsatz der vier deutschen Rüstungskonzerne unter den globalen Top 100, der um durchschnittlich 7,5 Prozent stieg. Spitzenreiter war dabei Diehl; das Unternehmen, Nummer 83 auf der Weltrangliste der Rüstungskonzerne, steigerte seine Verkäufe dank des gestiegenen Bedarfs an Munition und an Flugabwehrsystemen IRIS-T um 30 Prozent. Rheinmetall, größter deutscher Rüstungskonzern und auf Rang 26 aufgestiegen, verzeichnete ein Umsatzwachstum von zehn Prozent. Dass der Gesamtumsatz der deutschen Top 100-Firmen mit 10,7 Milliarden US-Dollar relativ gering ist, ist der mittelständischen Prägung der deutschen Branche geschuldet.
Kriege in Gaza und Syrien
Geht der Anstieg der Rüstungsumsätze in Russland und in Teilen Europas, insbesondere in Deutschland, auf den Ukraine-Krieg zurück, so spiegelt sich der Gaza-Krieg in einem starken Anstieg des Umsatzes der drei israelischen Rüstungskonzerne unter den globalen Top 100 wider. Laut SIPRI stieg der Umsatz von Elbit Systems (Rang 27), Israel Aerospace Industries (Rang 34) und Rafael (Rang 42) um 15 Prozent auf 13,6 Milliarden US-Dollar – mehr denn je zuvor. Bemerkenswert ist daneben vor allem das Wachstum türkischer Waffenschmieden. War die Türkei noch in der SIPRI-Top 100-Liste für das Jahr 2020 lediglich mit einem einzigen Konzern vertreten – mit Aselsan –, so finden sich auf der Rangliste für 2023 bereits drei – neben Aselsan (Rang 54) noch der Drohnenspezialist Baykar (Rang 69) sowie Turkish Aerospace Industries (TAI, Rang 78). In ihrem Wachstum um 24 Prozent gegenüber 2022 spiegele sich das langfristige Ziel der Türkei, in der Rüstungsproduktion unabhängig von der Außenwelt zu werden, konstatiert SIPRI. Dies wiederum entspricht Ankaras Streben nach strategischer Eigenständigkeit vor allem auch gegenüber dem Westen, das der Türkei eine starke Stellung als Regionalmacht sichert. Aktuell nutzt Ankara diese Stärke unter anderem für Überfälle auf Syrien.[3]
Rüsten gegen China
Nicht zuletzt spiegelt die SIPRI-Statistik die rasante Aufrüstung der wichtigsten Verbündeten des Westens in der Asien-Pazifik-Region wider, die sich vor allem gegen China richtet. Der Umsatz der neun chinesischen Top 100-Konzerne stieg nur leicht um 0,7 Prozent auf 103 Milliarden US-Dollar. Das Umsatzwachstum der asiatisch-pazifischen Rüstungsunternehmen von 5,7 Prozent resultiert vor allem aus dem Wachstum der vier südkoreanischen Konzerne unter den Top 100, das 39 Prozent erreichte, und aus dem Wachstum der fünf japanischen Unternehmen auf der SIPRI-Rangliste, das bei 35 Prozent lag. War das japanische Wachstum vor allem auf die einheimische Aufrüstung zurückzuführen – Tokio hat vor zwei Jahren das größte Rüstungsprogramm in der gesamten japanischen Nachkriegsgeschichte gestartet –, so war das koreanische Wachstum auch stark exportgetrieben, nicht zuletzt durch den Export nach Europa und besonders nach Polen, wo südkoreanische Waffenschmieden mit deutschen Rüstungsunternehmen zu rivalisieren beginnen.[4] Auch Indiens drei Rüstungskonzerne auf der SIPRI-Rangliste konnten ihren Umsatz klar um 5,8 Prozent steigern. Taiwans einziger Top 100-Rüstungskonzern NCSIST (Rang 47) gewann durch Aufträge für Raketen, Drohnen und Radaranlagen 27 Prozent beim Umsatz hinzu.
[1] Lorenzo Scarazzato, Nan Tian, Diego Lopes da Silva, Xiao Liang, Katarina Djokic: The SIPRI Top 100 Arms-Producing and Military Services Companies, 2023. Solna, December 2024.
[2] World’s top arms producers see revenues rise on the back of wars and regional tensions. sipri.org 02.12.2024.
[3] S. dazu Das Schwinden des eurozentrierten Blicks und Erdoğan in Berlin.
[4] S. dazu Blockbildung in Ostasien (II).