Der Kapitalismus neoliberaler Prägung unterwirft jeden Bereich unseres Lebens der Logik des Profits und des Wettbewerbs und stellt unser Zusammenleben bzw. Gemeinschaftsleben und unsere Solidarität in Frage.
Natur wird als unerschöpfliche Ressource betrachtet und als solche zwecks Gewinnmaximierung von der kapitalistischen Wirtschaft instrumentalisiert. Das Erstarken der populistischen Rechten trägt nicht nur bedeutend zur Aufrechterhaltung dieser neoliberalen Ordnung bei, sondern auch zur Ausgrenzung und daraus resultierenden Vertiefung der Spaltung in der Gesellschaft.
Gibt es eine linke Antwort auf diesen neoliberalen und rechten (Dis-)Kurs? Ist ein Leben, das sich an den Bedürfnissen der Menschen statt an ihrer Verwertbarkeit orientiert, möglich? Können Linke mit ihrer Politik bzw. ihren Erzählungen überzeugen?Um auf diese Frage zu antworten, beschreibt Julia Fritzsche soziale Kämpfe und Bewegungen, u.a. den Streik der Pfleger*innen aus dem Berliner Rudolf-Virchow-Klinikum (Teil der Charité-Uniklinik), die ihre Kolleg*innen zum Mitmachen mobilisieren. Daneben stellt sie die Idee der „Care Revolution“ dar, die sich angesichts des Pflegenotstands mit der Ökonomisierung der Fürsorgearbeit auseinandersetzt, die als weibliche Tätigkeit abgewertet und nicht entsprechend entlohnt wird. Um die Idee des „Buen Vivir“ vorzustellen, beschreibt sie eine kolumbianische Dorfgemeinschaft, die sich gegen Kohleunternehmen organisiert, um gegen Land- und Gemeingüter-Privatisierung und die damit einhergehende Zerstörung von Natur und lokalen Gemeinschaften zu kämpfen.Sie begleitet Asylhelfer*innen, beschreibt eine Flüchtlingsinitiative in München bei der Organisation einer Grossdemo und stellt die zeitgemässe Idee der Solidarischen Städte und Kommunen vor. Zuletzt beschreibt die Autorin die Slut-Walk-Demonstration, an der sie selbst teilgenommen hat, um damit die Idee von Queerness zu illustrieren. Diese Projekte und Initiativen sind für die Suche nach einer neuen linken Erzählung bedeutend. Sie haben nämlich eine Idee gemeinsam: ein gutes (Zusammen-)Leben, das statt am Profit an den Bedürfnissen der Menschen orientiert ist.Die Beschreibung von konkreten sozialen Kämpfen und Bewegungen einerseits und theoretischen Ansätzen andererseits nutzt Julia Fritzsche für ihr Plädoyer zugunsten einer linken Politik, die „für eine andere ökonomische Ordnung“ (im Buchtitel: tiefrot) und für „vielfältige selbstgewählte kollektive Identitäten“ (im Buchtitel: radikal bunt) steht. So soll eine übergreifende Alternative zum neoliberalen und rechten (Dis-)Kurs entstehen.In diesem Kontext spricht die Autorin von einem „Entwurf von einem Leben, der bessere Bedingungen für möglichst viele von uns darstellt. Einen Entwurf, der die Idee von Konkurrenz und Ausgrenzung in Frage stellt und ihr eine eigene Idee vom Zusammenleben entgegenstellt.“ Dabei ist ihr klar, dass dies gar nicht so einfach ist bzw. wird.
Mithilfe zahlreicher Daten und interessanter Informationen erzählt Fritzsche mit journalistischer Verve und Engagement. Anschaulich und detailliert beschreibt sie ihre Begegnungen mit Akteur*innen, die schon solidarisch und kollektiv leben und praktizieren. In deren Praxis ist der Kampf um „ein richtigeres Leben“ oft mühsam und nicht selten gekennzeichnet von Resignation, Ohnmacht und Frust. Er erfordert gegenseitige Hilfe und Solidarität, bringt jedoch kleine Siege und gibt Hoffnung.
Die Begeisterung der Autorin für die im Buch vorgestellten Ideen ist zwar begrüssenswert, jedoch fehlt eine tiefergehende kritische Auseinandersetzung mit den konkreten Ansätzen. Das Buch ist eher eine Zusammenfassung der sozialen Ansätze, die bereits praktiziert werden, u.a. in (Basis-)Gewerkschaften, der Mieter*innen-Bewegung, (queer-) feministischen Gruppen, Umweltinitiativen usw. und unterschiedlichen Bündnissen und Netzwerken. Nichtdestrotz: Zum Einstieg ist das Buch ein motivierender Text und es regt an, sich mit der tiefrot und radikal bunten Gegenwirklichkeit näher zu beschäftigen.