In Ghana demonstriert die Jugend gegen den illegalen Goldabbau. Anstatt Mineure, verhaftet die Polizei jedoch die Demonstranten.

Philippe Stalder für die Online-Zeitung INFOSperber

In den letzten Wochen kam es in der ghanaischen Hauptstadt Accra zu Protesten gegen Galamsey. Galamsey bedeutet so viel wie illegaler und handwerklicher Goldabbau. In den nicht-lizenzierten Galamsey-Betrieben arbeiten in der Regel ungeschulte Personen, die mit rudimentären Werkzeugen unkontrolliert den Boden und die Gewässer ausheben.

Abgesehen von der wahllosen Zerstörung von Land und Vegetation werden bei der Galamsey-Arbeit häufig gefährliche Chemikalien wie Quecksilber und Zyanid freigesetzt, die nicht nur in Grund- und Trinkwasserreservoire gelangen, sondern auch Flüsse und Seen verpesten. Bei vielen Anwohnern führte dies bereits zu neurologischen Störungen, Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Problemen oder angeborenen Missbildungen bei ihren Kindern. Im folgenden Interview spricht Glen Sam, visueller Künstler aus Accra, über die Hintergründe und Folgen der Proteste, an denen er selbst teilnahm und verhaftet wurde.

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Die negativen Auswirkungen von Galamsey sind schon seit mehreren Jahren bekannt, was hat die Proteste gerade jetzt ausgelöst?

Ausgelöst wurden die Proteste durch einen Bericht der Wasserbehörde, in dem auf die negativen Auswirkungen von Galamsey hingewiesen und die Situation als «katastrophal» bezeichnet wurde. Daraufhin hat sich in den Social Media unter dem Hashtag «Fixthecountry» (zu Deutsch: das Land reparieren) eine Bewegung gebildet, die zu einem dreitägigen Galamsey-Protest Anfang Oktober aufrief. Ziel war es, die Regierung durch den Protest zum Handeln zu zwingen.

Galamsey ist per Definition ja schon illegal, weil es sich nur auf den unbewilligten Goldabbau bezieht. Weshalb hat die Regierung denn bisher nichts dagegen unternommen?

Das ist genau der springende Punkt. Die Regierung hätte Galamsey schon viel länger einen Riegel schieben können. Da sie das bisher nicht gemacht hat, gehen viele davon aus, dass sie entweder selbst darin involviert ist oder aber schlicht ihre Verantwortung nicht wahrnimmt.

Wer steht denn hinter den Galamsey-Unternehmen?

Das können einzelne Kakao-Bauern sein, die mit dem Kakao-Preis unzufrieden sind und aus Verzweiflung ihre Bäume fällen und unter ihrem Land auf eigene Faust nach Gold suchen. Oder es können informelle Netzwerke von mehreren Dutzend Mitarbeitern sein, die im großen Stil und mit schwerem Gerät Landflächen umgraben. Oft sind es Chinesen, die die teuren Maschinen bereitstellen. Der Verdacht liegt natürlich nahe, dass die ausländischen Goldgräber den lokalen Polizeikommandanten bestechen, damit dieser sie ohne Abbau-Lizenz gewähren lässt.

Und die nationale Regierung schaut einfach zu?

Genau diesen Eindruck haben wir. Die Regierung hatte kürzlich Soldaten in einige Abbaugebiete entsandt, kurze Zeit später ging der Abbau dort aber wieder weiter. Die Regierungspartei NPP (New Patriotic Party) hatte zwar angekündigt, Galamsey zu regulieren und die Gewässer zu schützen, diesen Worten folgten bisher jedoch keine Taten.

Was geschieht denn mit dem informell gewonnenen Gold, nachdem es abgebaut wurde?

Dazu ist in der ghanaischen Öffentlichkeit relativ wenig bekannt. Wir gehen davon aus, dass es mit lizenziert abgebautem Gold vermischt und über etablierte Lieferketten ins Ausland verkauft wird. Der größte Abnehmer ghanaischen Goldes sind mit rund 4,7 Milliarden US-Dollar jährlich die Vereinigten Arabischen Emirate. An zweiter Stelle kommen die Schweizer Raffinerien mit rund 3,3 Milliarden.

Betroffen von den schädlichen Auswirkungen ist vor allem die Landbevölkerung, demonstriert haben jedoch Städter. Weshalb haben sie sich mit den Anliegen der Landbevölkerung solidarisiert?

Wir alle sind Ghanaer und dies ist ein nationales Problem. Wir haben Glück, in der Stadt leben zu können. Deshalb ist es unsere Pflicht, uns für die Anliegen der Landbevölkerung einzusetzen. Außerdem kommen unsere Nahrungsmittel vom Land, wenn die Gewässer dort verschmutzt sind, vergiftet das auch unsere Nahrungskette.

Wie liefen die Proteste ab?

Auf X (ehemals Twitter) gibt es eine Gruppe von Aktivisten, die bereits in der Vergangenheit Umweltproteste organisiert hatte. Sie nennt sich «Democracy Hub».

 

Die Aktivisten hatten Ende September bei den Behörden einen dreitägigen Protest angemeldet und eine Bewilligung erhalten. Am ersten Tag hatten einige Aktivisten jedoch Flaggen der Regierungspartei verbrannt, weshalb die Polizei am zweiten Tag anfing, wahllos Demonstranten zu verhaften. Insgesamt wurden an der bewilligten Demonstration 63 Leute verhaftet, unter anderem auch ich.

Wie lief Ihre Verhaftung ab?

Ich würde es eher als Kidnapping denn als Verhaftung beschreiben, da mir niemand erklärt hatte, weshalb ich überhaupt verhaftet werde. Ich wartete nach dem Protest an der Elwak-Haltestelle auf meinen Bus, als plötzlich ein Polizist von hinten auf meine Schultern klopfte. Ich drehte mich um und wurde sofort von seinen Kollegen überwältigt, die mich an Armen und Beinen tragend in ihren Einsatzwagen schleppten. Ich saß zwei Wochen in Untersuchungshaft, danach wurde ich gegen Kaution freigelassen. Nun warte ich auf meine Gerichtsverhandlung nächste Woche.

Was wird Ihnen denn vorgeworfen?

Wir wurden in sechs Punkten angeklagt, unter anderem der Versammlung mit dem Vorsatz, eine Straftat zu begehen, Unruhe zu stiften sowie Anschlagbretter und Flaggen politischer Parteien zu beschädigen. Es wurden mir jedoch keine Beweise vorgelegt, die zeigen, dass ich diese Straftaten tatsächlich auch begangen habe. Anstatt, dass die Leute verhaftet werden, die illegal Gold abbauen und die Umwelt verschmutzen, werden diejenigen verhaftet, die dagegen demonstrieren. Willkommen in Ghana.

Wie sieht ein ghanaisches Gefängnis von innen aus?

Besser, du erfährst das nie. In den ersten zwei Nächten war ich mit 27 Personen, darunter auch Mörder, in einer Zelle, ich musste die ganze Zeit stehen, da es keinen Platz gab. Danach wurde ich zum Glück in eine andere Zelle verlegt, wo wir zu siebzehnt waren. Diese Zelle war grösser, wir konnten uns nachts hinlegen.

Wie wurden die Proteste in der ghanaischen Öffentlichkeit diskutiert?

Die Proteste stießen auf viel Resonanz, vor allem im Internet, wo der Hashtag StopGalamseyNow viral ging. Übrigens auch im Ausland, insbesondere in der afroamerikanischen Gemeinschaft, aus der viele im Dezember nach Ghana kommen, um Ferien zu machen. Ich denke, unser Protest hat Galamsey international bekannt gemacht, worauf ich stolz bin.

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