„Fight Club“ ist brutal, schonungslos, besticht durch die düstere Atmosphäre und vor allem durch die – oft mit Sarkasmus gespickte – Geschichte über die Entstehung von Gewalt in den Zentren unserer Gesellschaft.

Roger Ebert ging – im Unterschied zu vielen anderen Filmkritikern – mit David Finchers „Fight Club“ hart ins Gericht: „’Fight Club‘ ist der unverhohlenste und vergnügteste faschistische Big-Star-Film seit ‚Death Wish‘, ein Fest der Gewalt, wo sich die Helden selbst eine Lizenz zum Trinken, Rauchen, Einbrechen und zum gegenseitigen Prügeln erteilen. […] ‚Fight Club‘ ist ein prickelnder Ritt, der sich als Philosophie tarnt – ein Ritt, auf dem einige Leute kotzen und andere es nicht abwarten können, wieder aufzusitzen.“ Dieses Urteil fällt umso härter aus, weil in „Ein Mann sieht rot“ („Death Wish“, Regie: David Winner, Hauptrolle: Charles Bronson) 1974 Selbstjustiz gefeiert wurde (während die Romanvorlage zu diesem Film eine eher kritische Sicht zu diesem Thema beinhaltete).Jack (Edward Norton) erzählt seine Geschichte. Jack ist ein so genannter durchschnittlicher Durchschnittsamerikaner einer durchschnittlichen amerikanischen Grossstadt, hat einen nicht schlecht bezahlten Job bei einer Autofirma, richtet seine Single-Wohnung mit den neuesten Errungenschaften der Fa. IKEA ein, ist einsam und glaubt trotzdem, ein „vollständiges“ „normales“ Leben zu führen. Bis auf einen Punkt.Jack leidet an Schlaflosigkeit. Als ihm ein Arzt angesichts seines Selbstmitleids entgegnet, Jack wisse nicht, was wirkliche Schmerzen, wirkliches Leid sei, er solle sich mal die Hodenkrebserkrankten in der Selbsthilfegruppe anschauen, nimmt Jack diesen Vorschlag ernst. Flugs ist er Mitglied aller möglichen Selbsthilfegruppen, obwohl ihm ausser Schlaflosigkeit nichts fehlt, und jeden Abend der Woche damit beschäftigt, sich an der Brust anderer auszuweinen, z.B. an der äusserst grossen des äusserst dicken Bob (Meat Loaf), der an Hodenkrebs erkrankt ist. Das ständige Weinen macht ihn endlich müde und Jack glaubt, seine Welt sei wieder in Ordnung.

Als dann jedoch die Simulantin Marla (Helena Bonham Carter) auftaucht, sieht Jack in ihr sein Spiegelbild des (Selbst-)Betrugs. Das Unwohlsein nimmt wieder zu. Die weiche Polsterung seiner empfindlichen Psyche scheint erneut in Gefahr. Zwar kann er mit Marla vereinbaren, sich die Abende in Selbsthilfegruppen aufzuteilen, so dass er sie nicht mehr zu sehen braucht. Aber eines Tages muss er feststellen, dass an einem anderen Punkt seines perfekten Lebens ein folgenschwerer Erdrutsch stattgefunden hat. Seine Top-Wohnung ist ausgebrannt. Die Polizei vermutet, dass das nicht abgestellte Gas durch einen Zündfunken des Kühlschranks die Katastrophe in Gang gesetzt hat.

Jack erinnert sich an einen Mann, den er kurz zuvor im Flugzeug kennen gelernt hat. Tyler Durden (Brad Pitt), der selbst hergestellte Seife an noble Warenhäuser verkauft, und äusserst eigenwillige Vorstellungen von Freiheit und selbstbewusstem Leben verkündet. Tyler nimmt Jack auf. Sein mysteriöses, eigenwilliges Verhalten und Denken zieht Jack in seinen Bann, erst recht, als Tyler ihn auffordert, ihn zu schlagen. Beide prügeln sich. Tyler hat mehr im Sinn. Nach und nach offenbart er Jack seine Pläne. Er gründet einen Fight Club, in dem sich unzufriedene Männer im Zweikampf messen. Irgendwann stösst auch Bob zu der Gruppe, die immer grösser wird. Insgeheim hat Tyler auch an anderen Orten solche Gruppen gegründet, in denen sich die Mitglieder einem scheinbar einfachen Kodex unterwerfen müssen:

1. Du sollst nicht über den Fight Club reden
2. Du sollst nicht über den Fight Club reden
3. Wenn jemand „Stop“ sagt oder schwächelt, ist der Kampf vorbei
4. Es dürfen immer nur zwei Männer kämpfen
5. Ein Kampf nach dem anderen
6. Kein Hemd, keine Schuhe
7. Die Kämpfe dauern so lange wie sie dauern müssen
8. Wenn heute deine erste Nacht im Fight Club ist, dann musst Du kämpfen.

Auch Marla taucht plötzlich in dem abbruchrufen Haus auf, in dem sich Jack und Tyler eingenistet haben. Sie verbringt wilde Stunden mit Tyler. Und Jack passt das gar nicht. Was aber viel schlimmer ist: Tyler hat offensichtlich mehr im Sinn, als private Männer-Clubs zu gründen. Er bastelt Bomben, stellt Nitroglyzerin her und will die Fight Clubs für das „Projekt Chaos“ benutzen, die Übel der Welt in die Luft sprengen: die Banken und andere Prestige-Objekte …

Finchers „Fight Club“ ist zunächst einmal ein Musterbeispiel für Manipulation, auch und gerade für die Manipulation des Kinopublikums im Angesicht dessen, was ihm vorgesetzt wird. Jack erzählt seine Geschichte ruhig, ja gelassen, nüchtern, ohne Pathos, logisch stringent. Und Fincher erreicht allein schon dadurch und mittels der Bilder, die der Erzählung angepasst sind, einen Grad an Manipulation, an Betrug und Selbstbetrug, der deutlich vor Augen führt – allerdings erst gegen Ende des Films –, welchen Mechanismen der Täuschung und Selbsttäuschung wir mit relativ einfachen Mitteln unterliegen können. Die Regeln des Fight Clubs zum Beispiel scheinen simpel, durchschaubar, kontrollierbar.

Die Mitglieder glauben das auch – und geben sich einer zum Schluss hemmungslosen, durch Tyler kontrollierten Zerstörung hin, von deren Richtigkeit sie völlig überzeugt sind. Subversive Gedanken und Selbsthilfemechanismen verwandeln sich fast unscheinbar zu Elementen einer autoritären Revolte der Arroganz eines Führers, der alles andere als ein faschistischer oder gar nationalsozialistischer Führer klassischer, historischer Art ist. Tyler benötigt keinen Rassismus oder Antisemitismus. Die moderne Autoritätshörigkeit, die moderne Ideologie der einsamen, reaktionären und repressiven Revolte benötigt lediglich den Glauben an das, wogegen sie sich selbst zu richten scheint: die „Geborgenheit“ in der Gruppe „Gleichgesinnter“, verzweifelter, unfähiger Männer (nicht Frauen), die in einer Realität aufgegangen sind wie die Hefe im Kuchen. Sie können über den Tellerrand ihrer fast totalen Eingebundenheit, Abhängigkeit, Verlorenheit nicht mehr hinausschauen. Das hat natürlich Verwandtschaft mit dem klassischen Faschismus, erschöpft sich jedoch nicht darin.

Tyler ist ein intelligenter Zyniker. Er benutzt die Rückstände abgesaugten Fetts aus „Schönheitskliniken“ zur Herstellung seiner Seife. Aus den Waren und Abfällen der Konsumgesellschaft baut er Bomben. Er nutzt die Unzufriedenheit und vor allem das Selbstmitleid einer „versingleten“, „unweiblichen“, d.h. ihrer weiblichen Charakterzügen verlustig gegangenen, Männergesellschaft, für seine Pläne der Destruktion, nicht des Aufbaus. Tyler ist wie sie, sie sind ein bisschen wie er. Nicht das „Cogito ergo sum“ der Aufklärung, sondern das „Ich boxe, also bin ich“ gerät zum Wahrzeichen einer verschweissten Männerbündelei, deren Mitglieder nicht merken, dass sie gerade in dieser Selbstaufgabe noch einsamer geworden sind als vorher. Konsequent.

Konsequent ist es auch, wenn Fincher uns, das Publikum, durch diesen Wahnsinnritt vorführt. Ich folgte der Logik der Erzählung und der Bilder, gespannt auf den nächsten Schritt, und wieder den nächsten. Die Eiseskälte und die Geschwindigkeit, mit der Jack seine verdammte Geschichte erzählt und mit der Cronenweth sie bebildert, reizt nicht zum Wegschauen, sondern zum Dabeibleiben – Manipulation und Voyeurismus en gros. Es ist die Lust an Zerstörung, die Lust an der Angst, die Lust auch an der Selbstzerstörung, die Lust an sadistischem und masochistischem Treiben, die nicht zuletzt dadurch bewirkt wird, dass einem Jack als sympathischer, wenn auch neurotischer Durchschnittstyp präsentiert wird.

Tyler drängt auf die Reinheit der Existenz, ohne Gnade, Skrupel, aber in einer Logik, die unser eigenes Denken zuweilen desavouiert. Er will ganz Amerika in einen „naturähnlichen“ Zustand der Unschuld bomben und benutzt dafür die armseligen Kreaturen von Männern, die in der Kultur des Trostes, der Psychologie, der psychischen Reparatur aufgegangen zu sein scheinen. Dieser avisierte Zustand basiert nicht auf irgendeiner romantizistischen Vorstellung eines „Zurück zur Natur“. Es ist der Zustand des permanenten Kampfs, des dauernden Kriegs und damit des Todes. Tyler demonstriert Jack dies, als beide etwa im Auto fahren und Tyler die Hände vom Steuer nimmt. Er riskiert beider Leben. Es kommt zum Unfall, den beide überleben. Es ist Tyler gleichgültig, ob er jetzt stirbt oder seinen Weg der Zerstörung anderweitig fortsetzt. Tyler ist grössenwahnsinnig, machtbesessen, todesmutig.

Demgegenüber steht das Unvermögen dieser Männer, vor allem Jacks und Tylers, eine menschliche Beziehung zu Frauen zu haben. Während Jack sich von Marla zunächst durchschaut fühlt, empfindet er sie später als Bedrohung, als Tyler nur eine Form der Beziehung zu Marla aufbauen kann und will: die der permanenten Zerstörung von Zuneigung, Liebe, Zuwendung. Sexualität zwischen Marla und Tyler ist ein destruktiver Akt, den Marla erkennt, Tyler stilisiert. Tyler will nicht einen Weg zurück, sondern vor in eine neue Form archaischen Totalitarismus, mit dem er genau das vollenden will, worunter die armseligen Gestalten seines Fight Clubs leiden: den Verlust an Subjektivität, die Tyler letztlich für die Ursache allen Übels ausgemacht hat. Hier sind die Querverbindungen zu totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts zu suchen, aber auch die Differenzen. Tyler sagt, erzählt Jack:

„Du bist nicht dein Job. Du weisst nicht, wie viel Geld du auf der Bank hast. Du bist nicht der Inhalt deiner Brieftasche. Du bist nicht deine Khakihosen. Du bist keine schöne, einzigartige Schneeflocke. Zuerst kannst du nicht mehr einschlafen. Und irgendwann steckst du dir eine Knarre in deinen Mund. Und dann lernst du Tyler Durden kennen. Ich will euch von Tyler erzählen. Er hatte einen Plan. Wir haben Tyler vertraut. Tyler sagt: ‚Die Dinge, die du besitzt, besitzen am Ende dich. Erst wenn du alles verloren hast, hast du die Freiheit, alles zu tun, was du willst.‘ Fight Club steht für diese Art von Freiheit. Tyler sagt: ‚Selbstverbesserung ist Masturbation.‘ Tyler sagt: ‚Vielleicht ist Selbstzerstörung die Antwort.’“

So scheinbar einfach zimmert sich Ideologie.

„Fight Club“ ist brutal, schonungslos, besticht durch die düstere Atmosphäre und vor allem durch die – oft mit Sarkasmus gespickte – Geschichte über die Entstehung von Gewalt in den Zentren unserer Gesellschaft. Das hat Fincher Kritik vor allem derjenigen eingebracht, die sich der Ächtung der Gewalt im Stile der political correctness verschrieben haben, Fincher Gewaltverherrlichung vorwarfen und gleichzeitig gerne die Augen davor verschliessen, wie es zu Gewalt kommt. (1) Fincher geht exakt dieser Frage nach. (Ähnlich verblendende Stellungnahmen gab es übrigens zu „American History X“, in dem – ebenfalls mit Edward Norton in der Hauptrolle – Tony Kaye die Biografie eines faschistisch denkenden und handelnden Mannes nachzeichnete.) Und nicht nur das: Er führt uns selbst auf diesen Weg.

Fincher zeigt die schizophrene Situation, in der sich Jack befindet. Sie eskaliert darin, dass sich Jack gegen Tyler wendet, gegen sich selbst. Die Schlussszene des Films ist derart widersprüchlich, grandios, brutal und sarkastisch zugleich, dass sie ein immenses Unwohlsein hinterlassen muss, das man nicht mit Unzufriedenheit über den Film verwechseln sollte. Jack und Marla stehen Hand in Hand in einem Wolkenkratzer und beobachten die zusammenstürzenden Hochhäuser der Stadt. Wir sehen mit ihnen zu. Destruktion und Aufbau halten sich hier die Waage, könnte man meinen. Jack hält Marla an der Hand, sie ihn. Keine simple Liebesgeschichte, kein romantischer Schlussakkord, vielleicht eher die Chance zur Rückkehr zu sich selbst und dem anderen.

„Fight Club“ – hervorragend gespielt von seinen drei Hauptdarstellern (obwohl Brad Pitt nur die zweite Wahl gewesen sein soll und Fincher lieber Sean Penn engagieren wollte) – ist ein exzellent gefilmter und erzählter, vielschichtiger Film, in dem es Fincher vermeidet, zu erklären, zu psychologisieren, zu urteilen. Natürlich hat der Film trotzdem eine Tendenz, aber die ist nicht penetrant lehrhaft, wenn auch aufdringlich in dem Sinne, dass man zum Nachdenken animiert wird. Fincher vereinigt grosses Erzählkino mit Mainstream zu einer bunten, knallharten, fast schon gnadenlosen, und spannenden Mischung, die uns wieder einmal zeigt, wie wir weiss Gott nicht nur im Kino der Manipulation erliegen.

Ulrich Behrens

Fight Club

USA 1999 – 139 min.

Regie: David Fincher

Drehbuch: Jim Uhls

Darsteller: Edward Norton, Brad Pitt, Helena Bonham Carter

Produktion: Ross Grayson Bell, Art Linson, Ceán Chaffin

Musik: The Dust Brothers

Kamera: Jeff Cronenweth

Schnitt: James Haygood

Fussnoten:

(1) James Berardinelli hat hier zu Recht geurteilt: „As the film progresses, he systematically reveals each new turn in an ever-deepening spiral that descends into darkness and madness. There’s also a heavy element of satire and black comedy. Macabre humor can be found everywhere, from the pithy quips traded by Jack and Tyler to the way Jack interacts with his boss. When combined together, the satire, violence, and unpredictable narrative make a lasting and forceful statement about modern-day society. It’s a timely message that hints at why there are post office shootings and kids in schools killing their fellow students. By blaming movies like Fight Club for real-life horrors, politicians want us to look at the world through rose-colored glasses that they have tinted. Instead, Fincher offers a clear, uncompromising portrait that disturbs because it is perceptive and defies the facile answers proffered by elected officials. Movies are not to blame. Guns are not to blame. People and the society that has spawned and stifled them are.“

Der Originalartikel kann hier besucht werden