Für einen starken Sozialstaat, Investitionen in öffentliche Infrastrukturen und Klimatransformation – in Deutschland und weltweit.

Die knappen öffentlichen Haushalte und der fortschreitende Verfall öffentlicher Infrastrukturen machen deutlich: Der Politik fehlen finanzielle Spielräume, um unseren Sozialstaat abzusichern, eine funktionierende und Geschlechtergerechtigkeit fördernde Daseinsvorsorge zu gewährleisten und Deutschland zukunftsfähig zu machen. Dabei drängt die Zeit. Die Investitionslücke bei öffentlichen Investitionen ist nach Angaben von Wirtschaftswissenschaftler*innen auf mindestens 600 Milliarden Euro über die kommenden 10 Jahre angewachsen. Für Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz, Bildung und öffentliche Infrastrukturen sind also jährlich mindestens 60 Milliarden Euro zusätzliche öffentliche Investitionen erforderlich1. Hinzu kommen dringend benötigte Gelder für die Erfüllung der internationalen Verpflichtungen Deutschlands und für die nachhaltige Finanzierung eines verlässlichen Sozialstaats. Weil Superreiche durch ihr Verhalten extrem viele Treibhausgase verursachen, stehen sie besonders in der Verantwortung, zur Bewältigung der Klimakrise finanziell stärker beizutragen. Um die notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen, reicht eine Reform der Schuldenbremse nicht aus. Jetzt ist der Moment, die Besteuerung großer Vermögen anzugehen.

Die Steuerpolitik ist eines der wirkungsvollsten Instrumente, um Ungleichheit zu begegnen und Veränderungsprozesse zu gestalten. Doch unser Steuersystem versagt gerade bei den Superreichen. Das Aussetzen der Vermögensteuer und weitere Steuerreformen der vergangenen Jahrzehnte haben dazu geführt, dass Multimillionär*innen und Milliardär*innen mittlerweile nur halb so hohe Steuer- und Abgabensätze zahlen wie die breite Mitte der Gesellschaft, die hauptsächlich von ihrem Arbeitseinkommen lebt. Nicht zuletzt deshalb konnten sich die Vermögen von Superreichen ungeachtet der vergangenen Krisen immer weiter vergrößern. Seit 2001 sind die 100 größten deutschen Vermögen um 460 Milliarden Euro gewachsen. Währenddessen bleibt die Armut in Deutschland mit 16,6% auf einem inakzeptabel hohen Niveau, jedes fünfte Kind muss in Armut leben. Die wachsende Ungleichheit ist eine große Gefahr für die Demokratie.

Die Menschen in diesem Land nehmen die Erosion der öffentlichen und gemeinnützigen Daseinsvorsorge und die Zusammenkürzung sozialer Leistungen und Dienste wahr. Schulen und Straßen verfallen, Schwimmbäder schließen, Züge fallen wegen maroder Bahninfrastruktur aus, Ämter bleiben zu. Beschäftigte im öffentlichen und sozialen Sektor sind überlastet und frustriert. Durch ein jahrzehntelang kaputt gespartes Bildungssystem nimmt die Bildungsbenachteiligung verheerende Ausmaße an. Viele Bürger*innen wenden sich von der Demokratie ab, rechtsextreme Parteien erstarken. Junge Menschen sind enttäuscht, dass es mit der Bekämpfung der Klimakrise zu langsam geht und dass Deutschland seiner Verantwortung gegenüber dem Globalen Süden nicht nachkommt.

Gleichzeitig zeigen viele repräsentative Umfragen: Die Zustimmung für die Besteuerung großer Vermögen in Deutschland ist groß. Auch international gibt es mit der brasilianischen G20-Initiative für die Besteuerung der Vermögen der reichsten Menschen Schwung bei dem Thema. Wir fordern gemeinsam die Besteuerung großer Vermögen in Form einer Vermögensteuer und einer Vermögensabgabe. Die gerechte Besteuerung von Superreichen würde sowohl der zunehmenden Ungleichheit und ihren fatalen Folgen für die Demokratie entgegenwirken als auch finanzielle Spielräume schaffen, um erfahrbare Politik für die Menschen zu machen statt Sparhaushalte zu verabschieden. Lobbyverbände versuchen dies zu verhindern, indem sie Mythen von Steuerflucht oder Wirtschaftsschädigung verbreiten. Sie verschweigen, dass die Besteuerung von Superreichen den Mittelstand nicht trifft, dass staatliche Investitionen eine positive volkswirtschaftliche Wirkung entfalten und dass Steuerflucht durch eine Exitsteuer wirksam unterbunden werden kann. Hier gilt es, neu anzusetzen und Kontra zu geben. Als unterzeichnende Organisationen setzen wir uns daher für die Vermögensbesteuerung zugunsten einer nachhaltigen Finanzierung der Daseinsvorsorge, des Klimaschutzes und der Unterstützung einkommensschwacher Länder ein.

Unterzeichner*innen
• 350.org Deutschland
• attac Deutschland
• AWO Bundesverband
• AWO International e.V.
• Brot für die Welt
• Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
• Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V.
• Gemeingut in BürgerInnenhand
• Germanwatch e.V.
• Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
• Greenpeace e.V.
• Klima-Allianz Deutschland
• Misereor e.V.
• Netzwerk Steuergerechtigkeit
e.V.
• Oxfam Deutschland e.V.
• Paritätischer Gesamtverband
• Sozialverband Deutschland SoVD
• taxmenow – Initiative für
Steuergerechtigkeit e.V.
• ungleichheit.info
• Sozialverband VdK Deutschland
• Vereinte
Dienstleistungsgewerkschaft
(ver.di)
• WEED e.V. – Weltwirtschaft,
Ökologie & Entwicklung

 

1 Dullien, Sebastian; Gerards Iglesias, Simon; Hüther, Michael; Rietzler, Katja: Herausforderungen für die
Schuldenbremse. IMK Policy Brief, Düsseldorf. https://www.imk-boeckler.de/de/faust-detail.htm?produkt=HBS-008864

Der Originalartikel kann hier besucht werden