Rheinmetall gründet mit Leonardo (Italien) ein Joint Venture zum Panzerbau und sucht seine Position auf dem US-Rüstungsmarkt zu stärken. Der Konzern zählt zur rüstungsindustriellen Basis der transatlantischen Militärallianz.
Die deutsche Rheinmetall gründet ein Joint Venture mit dem italienischen Rüstungskonzern Leonardo und will Italiens Streitkräfte für bis zu 23 Milliarden Euro mit mehr als tausend Kampf- und Schützenpanzern beliefern. Wie die Firma am Dienstag mitteilte, handelt es sich dabei um den Kampfpanzer KF51 Panther und um den Schützenpanzer Lynx. Der Panther soll zu gleichen Teilen von italienischen Unternehmen und von Rheinmetall und seinen Tochterfirmen gefertigt werden. Der Deal ist der nächste Schritt des deutschen Unternehmens auf dem Weg zu seinem Ziel, zu einem der weltgrößten Rüstungskonzerne aufzusteigen. Um den dazu unverzichtbaren größeren Anteil am US-Rüstungsmarkt zu erhalten – dem mit Abstand größten Rüstungsmarkt der Welt –, hat Rheinmetall erst vor kurzem für 950 Millionen US-Dollar den US-Fahrzeugspezialisten Loc Performance Products übernommen. Der Deal erweitert die Rheinmetall-Kapazitäten in den USA, die der Konzern benötigt, um Aufträge für den Bau von Schützenpanzern und Militär-Lkw für die US-Streitkräfte für 60 Milliarden US-Dollar zu erhalten. Rheinmetall wird zu einem Hauptträger der rüstungsindustriellen Basis der transatlantischen Militärallianz.
Der größte Rüstungsmarkt der Welt
Rheinmetall hat soeben erst auf der US-Rüstungsmesse AUSA, die am gestrigen Mittwoch zu Ende gegangen ist, nachdrücklich für seine Waffensysteme geworben. Hintergrund ist, dass die Vereinigten Staaten der mit erheblichem Abstand größte Rüstungsmarkt weltweit sind und der deutsche Konzern seinen Marktanteil dort massiv steigern muss, will er in der globalen Rüstungsbranche weiter aufsteigen und in der Tat zum „Worldwide Player“ werden, wie er es im Frühjahr angekündigt hat.[1] Als größte Konzernhoffnung gilt die Ausschreibung für den Bau eines neuen US-Schützenpanzers, der dem Bradley nachfolgen soll. Rheinmetall ist in der Endauswahl für die Herstellung von etwa 4.000 Schützenpanzern für rund 45 Milliarden US-Dollar. Zudem bewirbt sich der Konzern um das Common Tactical Truck-Programm, in dessen Rahmen 40.000 Lkw für 16 Milliarden US-Dollar gefertigt werden sollen.[2] Bereits erhalten hat er kürzlich einen kleineren Auftrag: Er soll bis 2025 acht Prototypen für ein sogenanntes besatzungsloses Bodenfahrzeug (Uncrewed Ground Vehicle, UGV) produzieren, das fähig ist, „Nachschubgüter und Ausrüstung zur Unterstützung von Kampfeinsätzen effizient über unwegsames Gelände zu transportieren“.[3] Zudem kooperiert Rheinmetall mit dem US-Konzern Honeywell in der Entwicklung neuer Sichtsysteme und Hilfsaggregate für Rad- und Kettenfahrzeuge.[4]
„Das Pentagon beliefern“
Seine Chancen, die gewünschten Aufträge zu erhalten – darunter die gewaltigen Aufträge für den Bau der Schützenpanzer und der Militär-Lkw –, hat Rheinmetall im August erheblich verbessern können, als es ihm gelang, eine Vereinbarung zur vollständigen Übernahme von Loc Performance Products LLC zu unterzeichnen, eines in der Branche renommierten Fahrzeugspezialisten. Dieser verzeichne „mit seinen rund 1.000 qualifizierten Mitarbeitern … beträchtliche und wachsende Umsätze“, teilte Rheinmetall mit.[5] Besonders wertvoll ist die Übernahme für den deutschen Konzern, weil er damit nicht nur neue Fähigkeiten, sondern auch neue Produktionskapazitäten erhält – mit Blick darauf, dass die Schützenpanzer wie die Militär-Lkw komplett in den Vereinigten Staaten hergestellt werden müssen. Die Übernahme erschließe Rheinmetall „wichtige Fähigkeiten in den USA“ und versetze die Konzerntochter American Rheinmetall Vehicles „in die Lage, das US-Verteidigungsministerium effektiver und umfassender zu beliefern“, heißt es bei dem Konzern. American Rheinmetall Vehicles mit Sitz in Sterling Heights, einem Vorort von Detroit (US-Bundesstaat Michigan) ist, wie es in einem Bericht heißt, „praktisch zu 100 Prozent amerikanisch“: „Dort arbeiten keine Deutschen“ – ein Zugeständnis an Vorgaben der US-Regierung.[6]
Der zweitgrößte Rüstungsmarkt der Welt
Fortschritte hat Rheinmetall zuletzt auch in seinem Bestreben erzielt, seine Stellung auf dem Heimatmarkt Deutschland bzw. Europa zu stärken. Der Düsseldorfer Konzern kann allein aus den 100 Milliarden Euro umfassenden Berliner Sonderschulden („Sondervermögen“) für die Bundeswehr zwischen 30 und 40 Milliarden Euro einstreichen; unter anderem liefert er Artilleriemunition für 8,5 Milliarden Euro, 6.500 Militär-Lkw für 3,5 Milliarden Euro sowie 123 Fahrzeuge mit der Projektbezeichnung „schwere Waffenträger Infanterie“ für rund 2,7 Milliarden Euro.[7] Hinzu kommen Aufträge aus anderen EU-Staaten, zum Teil direkt infolge des Ukraine-Kriegs. So hat Rheinmetall Ende Juli zugesagt, den Streitkräften Tschechiens, die Waffen an die Ukraine weiterreichen, im Rahmen eines sogenannten Ringtauschs 14 Kampfpanzer Leopard 2A4 sowie einen Bergepanzer 3 Büffel zu liefern. Die Rede ist von einem Auftragswert „im niedrigen dreistelligen MioEUR-Bereich“.[8] Litauen hat erklärt, es werde – passend zur Stationierung der deutschen Litauen-Brigade, die über Leopard 2A8 verfügen soll – seinerseits teure Kampfpanzer dieses Modells erstehen, an deren Herstellung Rheinmetall beteiligt ist.[9] Zuletzt hat Dänemark bei Rheinmetall insgesamt 16 Skyranger 30-Türme für seine Flugabwehr bestellt. Auch in diesem Fall ist von einem Volumen „im niedrigen dreistelligen MioEUR-Bereich“ die Rede.[10]
Panzer für Italien
Am Dienstag hat Rheinmetall nun den nächsten Schritt angekündigt, der ihm ein weiteres Vordringen auf dem internationalen Panzermarkt ermöglichen soll: Das Unternehmen hat ein Joint Venture mit dem italienischen Rüstungskonzern Leonardo zum Bau von Kampfpanzern des neuen, noch in der Entwicklung steckenden Modells KF51 Panther geschlossen.[11] Ziel ist es, das italienische Heer mit neuen Panzern auszustatten – nicht nur mit dem Panther, sondern auch mit dem Rheinmetall-Schützenpanzer Lynx. Insgesamt sollen mehr als tausend Panzer an die italienischen Streitkräfte geliefert werden. [12] Die Rede ist von einem Auftragsvolumen von bis zu 23 Milliarden Euro. An dem Joint Venture halten beide Seiten je 50 Prozent. Der Panther soll zu 60 Prozent in Italien gefertigt werden, zu 40 Prozent in deutschen Rheinmetall-Werken; allerdings entfallen dabei 10 Prozentpunkte von Italiens 60 Prozent auf italienische Rheinmetall-Ableger, sodass auch beim Umsatz Parität hergestellt wird.
Innerdeutsche Konkurrenz
Mit dem Joint Venture von Rheinmetall und Leonardo vollzieht Rom einen Kurswechsel. Italien hatte ursprünglich geplant, Leopard-Kampfpanzer zu erwerben. Diese werden – unter Nutzung wichtiger Teile von Rheinmetall, darunter die Glattrohrkanone – von KNDS gebaut, einem Zusammenschluss der deutschen Waffenschmiede Krauss-Maffei Wegmann (KMW) mit dem französischen Panzerbauer Nexter. KNDS ist 2015 gegründet worden, um einen Kampfpanzer der nächsten Generation zu entwickeln, der eng vernetzt mit anderen Waffen – darunter unbemannte Landfahrzeuge – kämpfen soll (Main Ground Combat System, MGCS, german-foreign-policy.com berichtete [13]). Das Projekt, das wegen deutsch-französischer Streitigkeiten schon jetzt stark verzögert wurde, wird frühestens 2040 einsatzbereit sein – zu spät für möglicherweise schon bald bevorstehende Kriege. Die eigentlich geplante Lieferung von 132 Leopard 2A8 und von Schützenpanzern an das italienische Heer durch KNDS scheiterte kürzlich jedoch – dem Vernehmen nach, weil KNDS nicht bereit war, italienischen Rüstungsfirmen einen größeren Anteil an der Produktion zu gewähren. KNDS sieht sich nun neuer, mächtiger Konkurrenz ausgesetzt – aus Deutschland bzw. der EU.
Transatlantische Anteilseigner
Mit der Stärkung seiner Rolle auf dem europäischen Panzermarkt und dem parallelen Streben nach Dutzende Milliarden US-Dollar schweren Aufträgen in den USA treibt Rheinmetall nicht nur seinen eigenen Aufstieg voran; der Konzern entwickelt sich auch zu einer tragenden Säule der rüstungsindustriellen Basis der transatlantischen Militärallianz. Dem tragen auch US-Rüstungskonzerne Rechnung; so wird Rheinmetall im Rahmen eines in der Branche üblichen Gegengeschäfts zum deutschen Kauf von US-Kampfjets F-35 sich in Zukunft an der Produktion des Jets beteiligen und F-35-Rumpfmittelteile herstellen. Der transatlantischen Rolle des Konzerns entspricht, dass Aktionäre von beiden Seiten des Atlantiks Anteile an ihm halten. Die französische Bank Société Générale etwa hält 10,97 Prozent, der US-Investor BlackRock 5,54 Prozent, die US-Banken Goldman Sachs sowie Bank of America 4,69 bzw. 4,64 Prozent, die Schweizer UBS 3,83 Prozent. Der US-Finanzdienstleister FMR LLC bringt mit seinen 4,99 Prozent den Gesamt-US-Anteil auf rund ein Fünftel – entsprechend der Bedeutung, die das US-Geschäft für Rheinmetall besitzt.
[1] S. dazu „Worldwide Player“ Rheinmetall.
[2] Rheinmetall auf der AUSA 2024: Innovative Verteidigungslösungen für moderne militärische Herausforderungen. rheinmetall.com 14.10.2024.
[3] American Rheinmetall Vehicles erhält Zuschlag für das S-MET Inc II-Programm der US-Armee. rheinmetall.com 07.10.2024.
[4] Rheinmetall und Honeywell unterzeichnen Memorandum of Understanding zur Entwicklung neuer Technologien. rheinmetall.com 30.09.2024.
[5] Strategischer Zukauf in den USA: Rheinmetall vereinbart Übernahme des Fahrzeugspezialisten Loc Performance. rheinmetall.com 14.08.2024.
[6] Jonas Jansen, Roland Lindner: Rheinmetall wittert Milliardenaufträge in Amerika. Frankfurter Allgemeine Zeitung 15.08.2024.
[7] Martin Murphy, Frank Specht, Roman Tyborski: Das Sondervermögen weckt die deutsche Rüstungsindustrie auf. handelsblatt.com 22.08.2024.
[8] Hilfe für die Ukraine: Zweiter Ringtausch mit Tschechien – Rheinmetall liefert weitere Kampf- und Bergepanzer. rheinmetall.com 12.08.2024.
[9] S. dazu Weit gekommen.
[10] Großauftrag aus Dänemark: Rheinmetall liefert Skyranger 30 für die mobile Flugabwehr. rheinmetall.com 30.09.2024.
[11] Neuer Player im europäischen Panzerbau: Leonardo und Rheinmetall gründen Joint Venture. rheinmetall.com 15.10.2024.
[12] Christian Schubert: Rheinmetall und Leonardo gegen Leopard. Frankfurter Allgemeine Zeitung 16.10.2024.
[13] S. dazu Deutsch-französische Konflikte und Schlechte Signale.