Massenproteste gegen die von Deutschland unterstützte Lithiumförderung in Serbien dauern an. Berlin forciert wegen zunehmender Schwierigkeiten bei der Rohstoffsicherung im Ausland den nationalen Lithiumabbau.

(Eigener Bericht) – Die Bevölkerung Serbiens reagiert mit fortdauernden Massenprotesten auf die Pläne der serbischen Regierung und der EU, serbisches Lithium im Tagebau für die EU-Industrie zu fördern. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich persönlich für den Deal eingesetzt – nicht zuletzt, um der deutschen Wirtschaft Zugriff auf den strategisch wichtigen Rohstoff zu verschaffen. Vorangegangene Versuche, Deutschlands Lithiumimporte zu diversifizieren und so die Abhängigkeit von China zu verringern, sind gescheitert. Zurzeit dominiert die Volksrepublik die Wertschöpfungsketten rund um die Lithium-Ionen-Batterien, die nicht nur für die E-Mobilität, sondern auch für zahlreiche weitere Zukunftstechnologien von großer Bedeutung sind. Die deutsche Wirtschaft ist in hohem Maße abhängig von Rohstoffimporten, die für die Bundesrepublik angesichts der aktuell eskalierenden Einflusskämpfe und Wirtschaftskriege immer schwieriger zu garantieren sind. In ihrer aktuellen Rohstoffstrategie fordert die Bundesregierung deshalb den Ausbau des Bergbaus in Europa – auch in Deutschland. Erste Projekte zur Förderung und Verarbeitung von Lithium auf deutschem Boden sind inzwischen in Umsetzung.

Massenproteste dauern an

Die landesweiten Proteste in Serbien gegen den geplanten Lithiumabbau durch den britisch-australischen Bergbaukonzern Rio Tinto dauern an. Im Juli waren der serbische Präsident Aleksandar Vučić und Bundeskanzler Olaf Scholz unter anderem mit einflussreichen Vertretern der EU und der europäischen Wirtschaft in Belgrad zusammengekommen, um eine sogenannte Rohstoffpartnerschaft zwischen Serbien und der EU zu vereinbaren. Dabei ging es vor allem um den Abbau des serbischen Lithiums für die europäische Wirtschaft. Aus der serbischen Bevölkerung hingegen kommt es seit dem Treffen zu Protesten gegen den Lithiumdeal; zeitweise gingen mehrere zehntausend Menschen gegen die Förderung des Rohstoffs auf die Straße. Aktivisten befürchten eine massive Umweltverschmutzung durch den Tagebau und die geplanten Aufbereitungsanlagen. Bereits im Jahr 2022 hatten Massenproteste der Bevölkerung die Förderpläne von Rio Tinto zeitweilig gestoppt.[1]

Deutschland im Rückstand

Lithium ist für die Bundesrepublik von hoher Bedeutung. Will die deutsche Autoindustrie auch in Zukunft eine führende Position auf dem Weltmarkt einnehmen, dann muss sie einen Weg finden, sich in der E-Mobilität gegenüber der internationalen Konkurrenz zu behaupten. Zurzeit dominiert China den globalen Batteriemarkt sowie den gesamten Bereich der Lithiumaufbereitung. Deutschland dagegen besitzt weder ausreichend gesicherte Lithiumquellen noch die notwendige Industrie, um den Rohstoff für die Batterieproduktion aufzubereiten. Dabei ist Lithium nicht nur für die E-Mobilität unersetzlich. Die Bundesregierung spricht in ihrer aktuellen Rohstoffstrategie von einem „allgemeinen Bedeutungszuwachs elektrischer Speicher“; dies bezieht sich insbesondere auf Lithium-Ionen-Batterien.[2]

Lithium für den Technologiestandort

Die Versorgung mit Lithium und anderen mineralischen Rohstoffen, zum Beispiel Kobalt und Kupfer, sei daher eine „zentrale Herausforderung für das Industrieland Deutschland“, heißt es weiter in der Rohstoffstrategie – nicht zuletzt mit Blick auf den erwarteten deutlichen Anstieg der globalen Nachfrage: Ohne „Hightech-Rohstoffe“ wie Lithium werde es keine „Zukunftstechnologien ‘Made in Germany’ geben“. Solle die Bundesrepublik auch in Zukunft „einer der weltweit führenden Technologiestandorte“ bleiben, dann müsse man Wege finden, in Zeiten von Großmachtkonkurrenz und Handelskriegen den im globalen Vergleich hohen Rohstoffbedarf der deutschen Wirtschaft zu decken, erklärt die Bundesregierung: Das sei von großer Bedeutung für die „zukünftige wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands“.[3]

Beschaffungsrisiken

Die aktuellen Massenproteste in Serbien gegen den von der Bundesregierung miteingefädelten Lithiumdeal sind nicht die ersten Schwierigkeiten, auf die Berlin bei der Lithiumbeschaffung stößt. Ein bereits angeschobenes Lithiumförderprojekt durch ein deutsches Unternehmen in Bolivien scheiterte an Protesten der Bevölkerung und an Konflikten mit der Regierung; letztlich ging es an die internationale Konkurrenz verloren.[4] Selbst innerhalb der EU gelingt der Lithiumabbau nicht problemlos. Auch ein Lithiumföderprojekt in Portugal stößt auf breiten Protest aus der Bevölkerung.[5] Dabei hätten die „Beschaffungsrisiken auf den internationalen Rohstoffmärkten“ in den vergangenen Jahren „stark zugenommen“, klagt die Bundesregierung; die „hohe Abhängigkeit der deutschen Industrie von Rohstoffimporten sowie die hohe Marktmacht einzelner Rohstoffproduzenten“ – etwa China entlang der Lithium-Batterien-Wertschöpfungskette – bärgen „Risiken“ für die deutsche Wirtschaft.[6]

Die gesamte Wertschöpfungskette

Weil Exportbeschränkungen anderer Länder „mittelfristig Wachstum und Beschäftigung in Deutschland gefährden“ könnten, wie die Bundesregierung erklärt, plant sie die Beschaffung von Rohstoffen nicht nur in der EU allgemein, sondern auch speziell in Deutschland auszuweiten. So setzt sie unter anderem auf verstärktes Recycling. Zudem hat sie nach eigenen Angaben, um in Sachen Lithium unabhängiger von der deutlich überlegenen chinesischen Konkurrenz zu werden, den „Aufbau einer industriellen Wertschöpfung“ entlang des „gesamten Lebenszyklus der Batterie im Blick“: von der Lithiumgewinnung über die Aufbereitung des Rohstoffs und seine Verarbeitung zu Batterien bis hin zum Recyceln.

Made in Germany

Zudem macht sich die Bundesregierung für ein Wiederaufleben des Bergbaus in Deutschland stark. Der Lithiumabbau in der Bundesrepublik habe „größte Priorität“, erklärte Bundeskanzler Scholz Ende vergangener Woche anlässlich eines Besuches beim Oberbergamt in Sachsen.[7] Scholz hatte sich dort über die geplante Lithiumförderung in Altenberg durch die Zinnwald Lithium GmbH erkundigt. Das Unternehmen will ab 2030 nach eigenen Angaben jährlich Lithium für rund 600.000 Autobatterien abbauen – etwa die Hälfte des Pensums, das die serbische Regierung für ihr Lithium-Projekt angekündigt hat. Weitere staatliche Genehmigungen zur Erkundung von Lithium-Lagerstätten mit Blick auf mögliche weitere Förderprojekte in Deutschland sind bereits erteilt, unter anderem in Landkreis Lüchow-Dannenberg. Für die Altmark kündigt der Konzern Neptune Energy bereits für die kommenden Wochen den Aufbau von Pilotförderanlagen an.[8] Zudem plant der Rohstoffkonzern AMG Critical Materials (Advanced Metallurgical Group) mit Hauptsitz in Amsterdam noch für diesen Monat die Eröffnung der ersten Lithiumraffinerie Europas in Bitterfeld (Sachsen-Anhalt). AMG ist auch in die Lithiumförderung in Altenberg investiert – und in diejenige in Portugal, gegen die es seit Jahren Proteste gibt.[9]

 

[1] S. dazu Mehr als ein Lithium-Abkommen.

[2], [3] Rohstoffstrategie der Bundesregierung. Berlin, Dezember 2019.

[4] S. dazu Protest gegen deutsche Rohstoffsicherung in Bolivien.

[5] Defending Life and Nature in Barroso, Portugal. friendsoftheearth.eu 22.08.2024.

[6] Rohstoffstrategie der Bundesregierung. Berlin, Dezember 2019.

[7] Europas größtes Lithium-Projekt. bundesregierung.de 30.08.2024.

[8] Altmark einen Schritt weiter. Elbe-Jeetzel-Zeitung 26.08.2024.

[9] Stefan Paravicini, Andreas Mihm: Weißer Goldrausch im Erzgebirge. faz.net 24.08.2024.

Der Originalartikel kann hier besucht werden